Der Markenwert entsteht aus den Konsumentenreaktionen auf Marken und kann als im Gedächtnis des Konsumenten gespeicherte Vorstellung einer Marke und als Wissensstand über die Marke verstanden werden.[34]
Der Wert der Marke für ein Unternehmen beeinflusst in hohem Maß die Kauf- und Auswahlentscheidungen von Nachfragern. Diese Wirkung des Markenwerts verdeutlicht der „Cola-Test“ von Chernatony und McDonald (siehe Abbildung 3). Ohne Markeneinbindung wählten 51 Prozent der Teilnehmer Pepsi und 44 Prozent Coca Cola. Als jedoch die Marken zu den Getränken gezeigt wurden, war die Marke Coca Cola klar im Vorteil. 65 Prozent wählten Coca Cola und nur noch 23 Prozent die Marke Pepsi.[35] Demnach beeinflusst lediglich die Marke die Präferenz der Konsumenten bei identischen Produkten.
Abbildung 3: Wirkung von Marken auf die Präferenzbildung der Konsumenten
Quelle: Meffert, H., Burmann, C., Koers, M. (2002)
Marken sind durch vier elementare Werte geprägt: Nähe, Distanz, Dauer und Wandel. Jede Marke kann durch diese vier Werte charakterisiert werden.
Der Wert Nähe symbolisiert Marken, die den Konsumenten sehr nah stehen und zu denen sie ein freundschaftliches Verhältnis empfinden. In Unternehmen mit dem Markenwert Nähe gibt es oft flache Hierarchien und wenig Distanz zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Marken mit ausgeprägtem Wert der Nähe sind Alltagselemente für Konsumenten, wie zum Beispiel Geschirrspülmittel oder Taschentücher. Signifikante Marken mit dem auslösenden Bedürfnis nach Nähe sind Ferrero Küsschen („Guten Freunden gibt man ein Küsschen“) oder Landliebe („Liebe ist- wenn es Landliebe ist“).
Der Wert Distanz wird durch die Betonung von Status und Macht der Marken vermittelt. Distanz-Marken treten mit hohen Preisen auf und wenden sich an exklusive Produktkäufer, wie zum Beispiel die Uhren von der Marke Rolex. Marken strahlen Distanz aus, wenn sie einen Lebensstil verkörpern, den der Konsument für wünschenswert erachtet, aber nicht besitzt. Markenhersteller für auslösende Bedürfnisse nach Distanz und Dominanz sind beispielsweise der Kosmetikhersteller L’Oréal („Weil ich es mir wert bin“) und der Automobilhersteller Rolls-Royce („If you can: own!- If you can’t: admire!“).
Im Gegensatz dazu stehen Marken mit einem ausgeprägten Wert der Dauer. Sie wollen Beständigkeit, Geborgenheit und Sicherheit zum Ausdruck bringen. Diese Marken wirken in erster Linie zuverlässig auf den Konsumenten. Marken die ihre Werte ändern, können bei dem Konsumenten unruhig und unberechenbar in Erinnerung bleiben. Stellvertreter für Marken mit dem Wert Dauer sind Dr. Oetker („Qualität ist das beste Rezept“) und Werther’s Original („Die aß schon mein Großvater“).
Unternehmen wie Swatch und Ikea setzen dagegen auf den Markenwert Wandel. Sie wollen die Konsumentenbedürfnisse nach Entwicklung, Veränderung, Genuss und Entdeckung wecken. Wandel-Marken bieten den Konsumenten mehrere Markenvarianten an, um abwechslungsreich zu erscheinen. Wandel geht meist mit Innovation einher. Deshalb versuchen Unternehmen, die den Wert Wandel leben, Neuentwicklungen auf den Markt zu bringen, um für ihre Zielgruppen attraktiv zu bleiben. Repräsentanten für den Markenwert Wandel sind Apple („Think different“) und Red Bull („Red Bull verleiht Flügel“).[36]
Kritisch anzumerken ist, dass Unternehmen nicht nur einen Wert verkörpern. Meist wird ein Wert in den Vordergrund gestellt, das schließt jedoch das Vorkommen der anderen Werte nicht aus. Esch betont an dieser Stelle: „Der Wert einer Marke liegt nicht in dem Unternehmen, er spiegelt sich in den Köpfen der Konsumenten wider.“[37] Ein Vorstellungsbild reicht jedoch noch nicht aus, damit Konsumenten eine Marke kaufen. Die Marke wirkt sich nur dann positiv auf das Kaufverhalten aus, wenn sie mit einem „added value“ auftritt. Ein „added value“ ist ein zusätzlicher Nutzen, den der Konsument durch den Markenwert mit dem Produkt verbindet. Er stellt den Markenwert aus Konsumentensicht dar und wird auch als psychographischer Markenwert bezeichnet.[38] Der „added value“ ist als konative Einstellungskomponente Teil der Marke und wird an der Kaufbereitschaft der Konsumenten gemessen. Je nach Zusatznutzen konkurrierender Marken weist der „added value“ unterschiedlich starke Ausprägungen auf.[39] Der Nutzen der Marke aus Nachfragerperspektive ist vielschichtig.
Aus verhaltenstheoretischer Sicht gibt eine Marke dem Konsumenten Orientierung bei der Auswahl von Produktleistungen und erhöht die Markttransparenz. Dadurch kann der Konsument die für ihn relevanten Produkte in der Fülle des Angebots besser identifizieren. Die Orientierungsfunktion der Marke hat für den Konsumenten somit den Vorteil, dass der Such- und Informationsaufwand reduziert wird.[40] Zudem kommt der Marke eine Entlastungsfunktion zu. Ist der Kunde nach einem Erstkauf mit dem Produkt zufrieden, kann er bei Wiederkauf des Produkts seinen Kaufentscheidungsprozess beschleunigen sowie seine Transaktionskosten senken. Kroeber-Riel und Weinberg nennen dies „information chunk“ der Marke, da eine Marke zahlreiche Informationen über das jeweilige Produkt zusammenfasst und eine verdichtete Informationsmenge darstellt.[41] Zusätzlich vermitteln Marken dem Konsumenten Vertrauen aufgrund ihrer Bekanntheit und Identität. Die Marke wird als Indiz für eine bestimmte Leistungsqualität gesehen, erleichtert dem Konsumenten zwischen Produkten zu entscheiden und nimmt ihnen das Risiko der Angst Fehlentscheidungen bei Produktkäufen zu begehen. Durch eine Marke fühlen sich Konsumenten sicher und dieses Sicherheitsgefühl birgt die Qualitätssicherungsfunktion von Markenprodukten. Beim Kauf von bestimmten Marken kann auch die Prestigefunktion beim Konsumenten eine wichtige Rolle spielen. Die Marke unterstützt in dem Fall den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und erfüllt somit eine symbolische Funktion.[42] Überträgt der Nachfrager Merkmale und Eigenschaften der Marke auf sich selbst und formt dadurch sein Selbstbild, übernimmt die Marke eine Identifikationsfunktion. Auf diese Art und Weise kann der Konsument sogar seine Gruppenzugehörigkeit ausdrücken.[43] Das Modell in Abbildung 4 gibt einen Überblick über die Nutzenfunktionen einer Marke aus Nachfragersicht.
Abbildung 4: Nutzen der Marke aus Nachfragersicht,
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Meffert, H., Burmann, C., Koers, M. (2002)
Kilian hat sich in dem im Mai 2012 erschienenen Artikel „Markenwerte, welche Markenwerte?“ zum aktuellen Stand von Markenwerten und dem derzeitigen Markenwertverständnis von Unternehmen geäußert. Kilian gelangt zu dem Ergebnis, dass Unternehmen anstatt profilstarke Markenwerte zu bilden, „08/15- Markenwerte“ präsentieren, welche vielfach zu abstrakt und unrealistisch seien. Folgende Tabelle in Abbildung 5 verdeutlicht, welche Markenwerte von Unternehmen gerne gewählt werden:
Abbildung 5: Markenwerte von Unternehmen
Quelle: Prof. Dr. Karsten Kilian, Web 2012[44]
Diese Werte seien oft unüberlegt gewählt und würden somit die Nutzenfunktionen von Markenwerten verfehlen. Laut Kilian sollten Markenwerte möglichst konkret, ursächlich, relevant und spezifisch sein- er empfiehlt die „KURS-Formel“, damit die Marken in das Fühlen, Denken und Handeln überführt und für den Kunden erlebbar werden. Die „KURS-Formel“ setzt sich aus folgenden Aspekten zusammen:
Konkret, das heißt Werte sollen bedeutungsvoll und inspirierend, griffhaft und bildhaft sein.
Ursächlich, das heißt Werte sollen im Unternehmen begründet sein.
Relevant für die Kunden, das heißt die Markenwerte sollen eine besondere Bedeutung für die Kunden haben.
Spezifisch, das heißt die Werte sollen sich klar von Werten der Wettbewerber abgrenzen.
Durch die „KURS-Formel“ können auch Mitarbeiter im Sinne der Marke agieren und als werbende Markenbotschafter handeln.[45]
Im Sinne der Markenführung muss das Unternehmen ein Markenleitbild formulieren, welches sowohl den Konsumenten Nutzen vermittelt, als auch eine klare Abgrenzung zu Konkurrenzprodukten darstellt. Im Fokus steht die Markenidentität, die aus Positionierung und Markenimage aus Kundensicht entwickelt wird.[46] Die Markenidentität ist „ein Aussagekonzept, welches sich jedoch erst durch die Beziehungen der internen Zielgruppen (Markenmitarbeiter) untereinander sowie deren Interaktionen mit den externen Zielgruppen der Marke konstituiert“.[47] Zudem ist die Markenidentität ein Führungsinstrument...