In Kapitel 3.1 werden zunächst die unternehmensrechtlichen Aspekte vorgestellt, gefolgt vom Streckennetz (Kapitel 3.2). Kapitel 3.3 widmet sich dem Kundenprofil; Kapitel 3.4 dem Fuhrpark. Der Marketingmix des Unternehmens wird in Kapitel 3.5 vorgestellt. Der Abschnitt schließt mit Kapitel 3.6, in dem die Wettbewerbssituation des Unternehmens dargestellt wird.
Rechtlich gesehen ist Thalys ein Joint Venture der Deutschen Bahn (DB), der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS und der französischen Staatsbahnen SNCF, dessen Sitz sich in der „europäischen“ und zugleich belgischen Hauptstadt Brüssel befindet. Das Unternehmen firmiert als Genossenschaft mit beschränkter Haftung belgischen Rechts und verfügt über ein Eigenkapital von 315.000,00 EUR (Thalys International, 2010a). Die Anteile entfallen zu 62 % auf die französischen Staatsbahnen SNCF, weitere 28 % auf die belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS und die verbleibenden 10 % werden von der Deutschen Bahn gehalten (Thalys International, 2010b). Die niederländischen Eisenbahnen (NS) sind nicht an Thalys beteiligt, jedoch mit dem Unternehmen assoziiert. Die niederländischen Eisenbahnen (NS) haben zudem eine Tochtergesellschaft, NS Hispeed. NS Hispeed ist zugleich assoziiertes Mitglied von Thalys und unterhält ihrerseits die eine Tochtergesellschaft namens Thalys Nederland, welche die Marke Thalys in den Niederlanden vermarktet.
Der Thalys verbindet primär die belgische und die französische Hauptstadt ohne Zwischenhalt – in einer Reisezeit von 1 Stunde, 25 Minuten – mit bis zu 25 täglichen Verbindungen miteinander. Amsterdam ist mit bis zu zehn täglichen Verbindungen von Brüssel und Paris aus erreichbar und Lüttich[39] mit bis zu sieben Verbindungen, von denen derzeit sechs weiter über Aachen nach Köln verkehren. Weiterhin bestehen „Nebenstrecken“ von Paris über Brüssel nach Ostende und von Paris über Mons, Charleroi und Namur nach Lüttich sowie saisonale Verbindungen. Die vorliegende Arbeit wird sich jedoch auf die beiden Hauptachsen Paris/Brüssel-Amsterdam und Paris/Brüssel-Köln beschränken. Dies scheint nach Meinung des Verfassers der vorliegenden Arbeit insofern gerechtfertigt und sinnvoll, als dass auf diesen Strecken über 88,70 % des Umsatzes erwirtschaftet werden. Die Umsatzaufteilung veranschaulicht Abbildung 13:
Abb. 13: Durchschnittliche Umsatzaufteilung Thalys nach den angeboten Strecken
(Quelle: Eigene Darstellung)
Im Folgenden wird das Kundenprofil von Thalys vorgestellt. Dies geschieht anhand der von Thylas im Internet bereitgestellten Daten.
Thalys strukturiert seine Kundschaft nach Reiseanlass („Geschäftlich“ oder „Freizeit“). Diese Information ist für die Ausgestaltung der Prozesspolitik – und damit verbunden des Leistungsumfangs – von fundamentaler Bedeutung. Die Geschäftsreisenden machen 48 %, die Freizeitreisenden 52 % des Klientel aus. Wenn man davon ausgeht, dass die Geschäftsreisenden mehr Komfort erwarten als die Freizeitreisenden, dann wäre im Hinblick auf diese Prozentzahlen mit einer fast paritären Auslastung der beiden Komfortklassen Confort 1 und Confort 2 zu rechnen. Die deutlich stärkere Frequentierung von Confort 2 (72 %) – vs. Confort 1 (28 %)[40] – lässt jedoch keinen direkten Zusammenhang zwischen Reiseanlass („Geschäftlich“ oder „Freizeit“) und Reisekomfort herleiten, d. h. der Reiseanlass kann nicht als Prädiktor des gewünschten bzw. benötigten Reisekomforts angesehen werden. Die Kundschaft von Thalys ist approximativ geschlechterparitär (56 % m vs. 44 % w).
39 % der Fahrgäste sind jünger als 35 Jahre. Hinsichtlich der globalen Zufriedenheit deklarierten sich 87 % der Kunden global zufrieden. Hierfür kann vor allem der Hygienefaktor[41] der Pünktlichkeit herangezogen werden: So waren in den vergangenen zwölf Monaten nur 18,50 % der Verbindungen verspätet (Thalys International, 2010d). Visualisiert werden die dargelegten Fakten in Abb. 14:
Abb. 14: Bedeutende Kennzahlen von Thalys
(Quelle: Eigene Darstellung)
Im Folgenden wird der Fuhrpark von Thalys vorgestellt, da er im Hinblick auf die 7Ps, genauer gesagt im Hinblick auf die „Physical Facilities“ – in dieser Arbeit unter die erweiterte Distributionspolitik gefasst –, von Bedeutung ist. Das operative Geschäft wird durch insgesamt 26 Thalys-Garnituren betrieben. Hierbei handelt es sich um – auf Basis des TGV konstruierter – Hochgeschwindigkeitszüge: Neun der 26 Züge – die erste Generation – werden als Thalys PBA bezeichnet, wobei das Akronym PBA für die Städte Paris, Brüssel und Amsterdam steht. Diese Züge entstanden aus dem Umbau ehemaliger TGV Réseau-Garnituren, die mit dem belgischen Stromsystem kompatibel sind.[42] Diese Züge wurden mit einer Vorrichtung versehen, die ihnen auch ein Fahren mit dem in den Niederlanden üblichen 25 kv-Gleichstrom ermöglicht; in Deutschland können sie jedoch nicht verkehren[43]. Aus diesem Grunde wurde 1997 eine zweite mit dem TGV Duplex/POS vergleichbare Thalys-Generation hergestellt: Der Thalys PBKA (= Paris, Brüssel, Köln und Amsterdam) ist mit allen vier Stromsystemen kompatibel und kann daher das gesamte Thalys-Streckennetz befahren. Die neun PBA-Garnituren befinden sich allesamt im Besitz der französischen Staatsbahnen SNCF, welcher ferner sechs PBKA-Garnituren gehören. Alle Garnituren der französischen Staatsbahnen SNCF sind in Le Landy, nördlich von Paris, beheimatet, die weiteren elf PBKA-Einheiten im Bahnhof von Brüssel Süd[44]. Zwei dieser elf Garnituren befinden sich im Eigentum der Deutschen Bahn (DB) bzw. der niederländischen Eisenbahnen NS; die restlichen sieben Garnituren im Eigentum der belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS.
Die Dienstleistungsmarke Thalys weist eine sehr komplexe Markenarchitektur auf: Sie ist zum einem eine (Unternehmens-)Einzelmarke, zugleich aber auch – aus Sicht ihrer Muttergesellschaften – ein(e) Cobranding/Markenallianz. Auch wenn dies nicht im Markennamen verankert ist, wird dennoch kommuniziert, welche Unternehmen hinter der Marke Thalys stehen. Die im Folgenden beschriebenen Verflechtungen mit anderen (Mutter-)Gesellschaften und Marken im schienengebundenen Verkehr sind zu beachten, wenn es um die Beschreibung der Ausgestaltung des Marketingmixes geht. Thalys ist assoziiertes Mitglied der „freien“ Markenallianz Railteam, zu dessen Gründungsmitgliedern auch die Muttergesellschaften von Thalys, nämlich die Deutsche Bahn (DB), die belgischen Staatsbahnen SNCB-NMBS und die NS Hispeed, eine Tochter der niederländischen Eisenbahnen NS, zählen. Bemerkenswerterweise sind die französischen Staatsbahnen SNCF selbst kein Mitglied der (Marken-)Allianz, sehr wohl aber deren Marke TGV. Weitere Gründungsmitglieder sind das Unternehmen Eurostar, die schweizerische (= SBB-CFF-FFS) und die österreicherische Bundesbahn (= ÖBB). Neben Thalys tritt auch TGV Lyria als assoziiertes Mitglied auf, dessen Muttergesellschaft – die Schweizer Bundesbahn – vollwertiges Mitglied ist. Die beiden Railteam-Partner sind zudem beide Tochtergesellschaften der französischen Staatsbahnen SNCF, was erklären dürfte, warum sie keine vollwertigen Mitglieder sind. Dennoch ist zu beachten, dass der TGV das einzige Markenmitglied im Verbund darstellt. Sowohl das Railteam als auch Thalys und TGV Lyria sind Markenallianzen, dennoch ist Railteam kein Joint Venture, sondern ein Zweckverbund, der selbst kein operatives Geschäft betreibt, sondern lediglich Synergien bündelt – im Sinne des vorgestellten Bundling-Instrumentariums – und zu vermarkten gedenkt. Wie oben erwähnt, sind diese Verflechtungen im Wettbewerb unbedingt zu beachten, wenn es um die Beschreibung des Marketingmixes geht. Im Folgenden bedarf daher der Marketingmix von Thalys einer genaueren Betrachtung, die der Übersichtlichkeit halber anhand der 7 Ps gegliedert worden ist. Entsprechend widmet sich Kapitel 3.5.1 der Leistungspolitik, die Preispolitik wird in Kapitel 3.5.2 behandelt. Die Ausführungen schließen mit der Distributionspolitik (Kapitel 3.5.3) und Kommunikationspolitik (Kapitel 3.5.4).
Im Rahmen der Leistungspolitik wird auf die zwei Ps „Product“ und „Process“ eingegangen. Die Kernleistung des Thalys besteht in der Direktverbindung zwischen den angefahrenen Metropolen. Nießing (2006, S. 88) verweist auf die hohe Bedeutung von Direktverbindungen für die Kundenzufriedenheit und schreibt, dass „die Zufriedenheit mit der Pünktlichkeit auch einen hohen Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Anbindung ausübt.“. Besonders im transnationalen Verkehr ergeben sich dabei oft Schnittstellenprobleme, die Thalys durch den grenzüberschreitenden Verkehr entschärft. Die Verbindungen sind so gewählt, dass ein Großteil der Fahrgäste keine...