Nachdem nun eine theoretische Fundierung für die Definition von Variety Seeking ermittelt wurde, sollen in diesem Kapitel die Einflussfaktoren des Phänomens näher betrachtet werden. Um Marketingmaßnahmen zur Steuerung von Variety Seeking zu gestalten, ist es grundlegend wichtig Variety Seeking umfassend zu verstehen und darüber hinaus zu wissen, welche Zielgruppe Variety Seeking verstärkt ausübt. Daher soll mittels der Zusammenstellung der verschiedenen Ergebnisse ein Einblick in das Profil von Variety Seekern gegeben werden. Es soll deutlich werden, an welche Faktoren Variety Seeking geknüpft ist. Im Folgenden wird Schritt für Schritt jeder Faktor genau beleuchtet, um darauf aufbauend ein Profil eines Variety Seekers zu skizzieren.
Zunächst werden die soziodemographischen Faktoren Alter, Geschlecht, Einkommen und Bildungsstand betrachtet. Eine Betrachtung der soziodemographischen Faktoren ist insofern notwendig, als dass sie bei der Erstellung eines Profils eines Variety Seekers nicht umgangen werden können.
In der Literatur taucht der Zusammenhang zwischen dem Alter und Variety Seeking mehrfach auf. Givon ermittelte bereits 1985 in einer empirischen Studie unter Universitätsangestellten, dass jüngere Personen gegenüber älteren Personen eher zu Variety Seeking neigen.[48] Auch McAlister und Pessemier bemessen dem Alter in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle bei. So nehmen diese in ihren Ausführungen die Ergebnisse der Sensation Seeking Scale (SSS) von Zuckerman auf, welche verdeutlichen, dass das „ideal level of stimulation […] tends to decrease with age for both sexes.“[49] In der folgenden Abbildung wird dieser Zusammenhang auf Basis der Ergebnisse der Studie von Zuckerman (1978) anschaulich dargestellt.
Abbildung 7: Zusammenhang Alter und Sensation Seeking[50]
In allen vier Rubriken ist eine tendenzielle Abnahme zu erkennen. Die Tendenz, Sensation Seeking zu betreiben, sinkt demnach im Alter. Die Studie untermauert daher deutlich einen Zusammenhang zwischen Alter und Variety Seeking, wobei in dieser von einem direkten Zusammenhang zwischen Variety Seeking und dem Persönlichkeitsmerkmal Sensation Seeking ausgegangen wird. Dieser Schluss ist durchaus legitim, wie bereits unter Punkt 3.3. beschrieben wurde. Auch Bänsch stimmt der Aussage zu, dass jüngere Personen eher zu Variety Seeking neigen als ältere. Er untermauert seine Aussage mit dem Argument „daß mit zunehmenden Alter das allgemeine Abwechslungsbedürfnis tendenziell zurückgeht.“[51] Diese Aussage stützt Riepe mit den Ergebnissen seiner empirischen Studie im Lebensmittelmarkt. So lautet es in seinen Auswertungen: „Weiterhin verdeutlichen die Ergebnisse beider Untersuchungen, dass die Variety Seeking Tendenz […] mit höherem Lebensalter geringer ausgeprägt ist.“ Diese Ergebnisse lassen sich zudem sehr gut durch die OSL-Theorie erklären. So ist davon auszugehen, dass jüngere Personen generell risikofreudiger sind und über einen höheren OSL verfügen als ältere Personen. Demnach neigen jüngere Personen eher dazu Variety Seeking zu betreiben, um ihren OSL zu stimulieren, als ältere Personen.[52]
Ein weiterer Faktor, dem mehrfach in der Literatur Beachtung geschenkt wurde, ist das Geschlecht. Givon untersuchte in seiner Studie 1985 nicht nur den Zusammenhang zwischen Alter und Variety Seeking, sondern auch zwischen Geschlecht und Variety Seeking. Hier fiel die Korrelation jedoch nicht so eindeutig aus. In seiner empirischen Studie unter Universitätsangestellten prüfte er zwei Attribute bezüglich Variety Seeking, zum einen „Geschmack“, zum anderen „Kalorien“. Bei der Produkteigenschaft „Kalorien“ konnte kein Zusammenhang zwischen Variety Seeking und Geschlecht festgestellt werden. Bei der Produkteigenschaft „Geschmack“ hingegen neigten eher Männer zum Variety Seeking.[53] Zu dem Ergebnis, dass Männer stärker zu Variety Seeking neigen, als Frauen, kommt auch Tscheulin (1994). Diese Annahme basiert auf Grundlage der Auswertung von Kaufdaten zu dem Produkttyp „Seereisen“. Diese Meinung teilen auch McAlister und Pessemier auf Basis der Feststellung von Zuckerman, der ermittelte, dass Sensation Seeking bei Männern ausgeprägter ist als bei Frauen. Sie gehen davon aus, dass Variety Seeking eine Unterkategorie von Sensation Seeking ist und demnach auch bei Männern ausgeprägter ist. Dies wird in Abbildung 8 (S.19) sehr deutlich.
Einen signifikanten Zusammenhang zwischen Geschlecht und dem Abwechslungsverhalten ermittelte zudem Helmig in einer empirischen Studie. So lautet es in seiner Auswertung: „So ist […] der Anteil „variety seekers“ bei den Männern mit 41,4% signifikant größer als bei Frauen mit 31,7%.“[54] Es wurden also durchaus Zusammenhänge zwischen dem Geschlecht und Variety Seeking festgestellt, jedoch wurde in vielen Studien kein Zusammenhang entdeckt, beispielsweise bei Riepe[55].
Es lässt sich also abschließend festhalten, dass das Geschlecht wahrscheinlich eher einen geringen Einfluss auf das Variety Seeking Verhalten von Konsumenten hat. Tendenziell besteht allerdings eine höhere Neigung bei Männern.
Abbildung 8: Zusammenhang Geschlecht und Sensation Seeking[56]
Ein weiterer interessanter Faktor ist das Einkommen der Konsumenten. Es stellt sich die Frage, ob Menschen mit höherem Einkommen eher zu Variety Seeking neigen, als Menschen mit geringerem Einkommen. Diese Frage haben sich bereits einige Autoren gestellt und auch Antworten durch Studien und Überlegungen erhalten. Rein theoretisch liegt die Annahme nahe, dass Menschen mit einem höheren Einkommen eher zu einem Produktwechsel neigen, da dieser für sie ein geringeres Risiko darstellt, als für Konsumenten mit niedrigerem Einkommen. Diese Überlegung tätigen auch Koppelmann, Brodersen und Volkmann[57] Es gibt jedoch nicht nur theoretische, sondern auch empirische Nachweise dafür, dass Personen mit höherem Einkommen eher zu Variety Seeking neigen. Tscheulin machte diese Entdeckung bereits 1994.[58] Auch Helmig untermauert diese Annahme in seiner empirischen Studie. Er erstellte die Variable „monatlich frei verfügbarer Geldbetrag“. Durch diese konnte er feststellen, dass der Anteil von Variety Seekern unter den Probanden denen mehr Geld zur Verfügung stand, kontinuierlich zunahm. So lag der Anteil von Variety Seekern bei Probanden, die weniger als 750 DM zur Verfügung hatten, bei 29,3%. Bei Probanden, die über 1500 DM bis 2000 DM verfügten, lag der Anteil hingegen schon bei 47,4%. Dieser Zusammenhang bestätigt seine Hypothese: „Variety-Seeking-Behavior ist bei Konsumenten mit höherem Einkommen stärker ausgeprägt als bei Konsumenten mit niedrigerem Einkommen.“[59]
Wie so oft widersprechen sich auch in diesem Fall verschiedene Studien. So konnten Keon/Bayer[60] und Givon[61] keinen Zusammenhang zwischen Variety Seeking und dem Einkommen feststellen. Hier sei darauf verwiesen, dass empirische Studien immer nur zum Teil vergleichbar sind. Gerade in einem noch wenig erforschten Feld, wie zu dem Thema Variety Seeking, ist die Auswahl von Studien noch recht gering. In diesem Falle, vergleichende Studien mit denselben Variablen und Größen zu finden, gestaltet sich als schwierig. Es ist an dieser Stelle auch nicht der Anspruch die Ergebnisse zu vergleichen, sondern interessante Feststellungen aufzudecken. Und zu solch einer interessanten Feststellung zählt der Zusammenhang zwischen Einkommen und Variety Seeking, auch wenn dieser nicht in jeder Studie nachgewiesen werden konnte.
Ein weiterer demographischer Faktor, der in der Literatur mehrfach genannt wird, ist der Bildungsstand. Während einige Autoren keine Korellation zwischen Bildung und Variety Seeking feststellen konnten[62], ist dies bei Raju und Handelsmann nicht der Fall.[63] In ihren Studien wird ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bildung und dem Bedürfnis nach Reizabwechslung deutlich. So sei bei einem höheren Bildungsstand die Tendenz Variety Seeking zu betreiben höher, als bei einem geringeren Bildungsstand. Eine Erklärung für diesen Zusammenhang könnte sein, dass Personen mit hohem Bildungsstand über einen höheren Wissens- und Informationsstand hinsichtlich Kaufalternativen verfügen. Die Gefahr eines Fehlkaufs könnte demnach subjektiv sinken, welches dazu führt, dass der Konsument eher einen Wechsel vollzieht.[64]
Um ein Profil eines Variety Seekers skizzieren zu können, müssen auch dessen Persönlichkeitsmerkmale betrachtet werden. Im Falle dieses Einflussfaktors liegen vor allem hermeneutische Arbeiten vor.[65] Übereinstimmend, ist in allen Arbeiten die Annahme aufzufinden,...