1 Grundlagen der Mengenlehre
1.1 Darstellung und Definition von Mengen
Unter einer Menge versteht man umgangssprachlich eine Ansammlung von Objekten oder Gegenständen, welche auch Elemente der Menge genannt werden. Sehr anschaulich ist z.B. die Menge der Menschen in einem Fußballstadion während eines Fußballspiels. In diesem Fall haben diese Objekte eine gemeinsame Eigenschaft, nämlich dass sie sich zur Zeit des Spiels im Stadion aufhalten. Es gibt allerdings auch Mengen, die völlig zusammenhanglos aufgestellt werden, z.B. die folgende Menge:
{Fußball, Tisch, Hammer, Düsenflugzeug, Bakterie, Atom, Vakuum, Gedanke, Information}
Hier haben wir gleich eine Beschreibungsmöglichkeit für Mengen gefunden:
Eine Menge wird beschrieben, indem man die Elemente der Menge als Aufzählung in geschweifte Klammern setzt.
Dies fällt bei einer Menge mit relativ wenigen Elementen noch leicht. Wenn wir z.B. die Menge der Menschen im besagten Fußballstadion so beschreiben wollten, dann hätten wir ein Problem. Hier würde man ersatzweise folgendermaßen schreiben:
{Menge der Menschen im Stadion während des Spiels Borussia Dortmund - Bayern München}. Man kann natürlich noch weitere Informationen zu dieser Menge aufschreiben, z.B.: Datum und Uhrzeit der Begegnung, Anzahl der Zuschauer = 80645 (ausverkauft).
Natürlich ist damit noch lange nicht die Gesamtanzahl der Elemente dieser Menge beschrieben, denn es gibt ja noch die Spieler, die Schiedsrichter, die Ersatzspieler, die Betreuer, die Ordner, die Kommentatoren und Berichterstatter, die Kameraleute, die technischen und organisatorischen Mitarbeiter, die Polizisten usw.
Der Begriff der Menge im mathematischen Sinne wurde von Georg Cantor in den Jahren 1874 bis 1897 begründet. Er definierte den Mengenbegriff wie folgt:
Definition des Mengenbegriffs nach Cantor
Unter einer „Menge“ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die „Elemente“ von M genannt werden) zu einem Ganzen.
Interessant ist, dass auch Objekte des Denkens, also immaterielle Objekte, Elemente von Mengen sein können. In der Definition sind folgende Begriffe von besonderer Bedeutung:
Wohlunterschiedene Objekte:
Dies bedeutet, dass die Elemente einer Menge immer unterschiedlich und einzigartig sein müssen. Ein Element darf in einer Menge also nicht zweimal vorkommen. Eine Menge {Tisch, Tisch, Tisch} gibt es also nicht. Stattdessen gibt es die Menge {Tisch} mit genau einem Element. Dieses steht selbstverständlich als Stellvertreter für alle Tische.
Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens
Dies impliziert, dass Mengen nicht nur aus Zahlen oder Gegenständen gebildet werden können, sondern auch aus allen möglichen Begriffsbestimmungen auch immaterieller Art.
Zusammenfassung zu einem Ganzen
Dies besagt, dass die Elemente einer Menge zu einem abgeschlossenen Ganzen gehören.
Neben der Darstellung in geschweiften Klammern gibt es noch die Darstellung durch ein Mengendiagramm:
Bild 1: Darstellung von Mengen als Mengendiagramm
Diese Art der Darstellung ist besonders anschaulich und wird auch Euler-Venn-Diagramm oder auch kurz Venn-Diagramm genannt. Im Folgenden wollen wir einige grundlegende Eigenschaften von Mengen und deren Schreibweisen näher kennenlernen:
1.2 Die Mächtigkeit von Mengen
Hierunter versteht man die Anzahl der Elemente einer Menge. Bezeichnen wir eine Menge mit dem Buchstaben M, so schreibt man die Mächtigkeit von M wie folgt: |M|.
Analog dazu schreibt man die Mächtigkeit einer Menge K wie folgt: |K|
Wenn wir nun unsere Beispielmengen aus Abschnitt 1.1 betrachten, dann können wir die Mächtigkeiten der Menge „M = {Menge der Menschen im Stadion beim Spiel Borussia Dortmund - Bayern München}“ nur ungefähr abschätzen, z.B.:
Die Mächtigkeit der Menge „K = {Fußball, Tisch, Hammer, Düsenflugzeug, Bakterie, Atom, Vakuum, Gedanke, Information} „kann man demgegenüber mit |K| = 9 genau angeben.
Die Mächtigkeit von endlichen Mengen lässt sich durch Abzählen ermitteln. Haben zwei Mengen dieselbe Anzahl von Elementen, dann nennt man diese gleichmächtig. Betrachten wir z.B. die Menge „O = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9}“, so ist diese gleichmächtig zur Menge K, also: |K| = |O| = 9. Neben den endlichen Mengen gibt es aber auch noch unendliche Mengen, wie z.B. die Menge der natürlichen Zahlen N, die wir im nächsten Kapitel kennenlernen werden. Man kann diese Menge auch wie folgt schreiben: N={0, 1, 2, 3, 4, 5, …}
Da man natürlich immer weiter zählen kann und zu jeder beliebig großen Zahl n mindestens eine Zahl findet, die größer ist, nämlich n + 1, so kann man sagen, dass die Mächtigkeit dieser Menge unendlich ist. Man schreibt dies so: |N| = ∞
Die Mächtigkeit der Menge der natürlichen Zahlen ist gleich unendlich. Nun werden wir neben den natürlichen Zahlen die Menge der ganzen Zahlen Z kennenlernen. Diese schreibt man wie folgt: Z ={...−2, −1, 0, 1, 2,...}
Auch diese Menge hat eine unendliche Mächtigkeit: |Z| = ∞.
Jetzt können wir natürlich die Frage stellen: „Welche der beiden Mengen N und Z ist mächtiger oder sind beide Mengen gleich mächtig?“
Auf den ersten Blick scheint die Antwort auf diese Frage leicht zu sein, besitzt doch die Menge Z zusätzlich zu den Zahlen 0, 1, 2, 3, … noch die Zahlen −1, −2, −3, …
Kann man daraus nicht folgern, dass die Mächtigkeit der Menge Z etwa doppelt so groß ist wie die der Menge N? Kann man also sagen: |Z| = 2 · |N| = 2 · ∞?
Aber halt, ist denn 2 mal unendlich nicht auch gleich unendlich? Wenn ja, dann wären die beiden Mengen gleichmächtig.
Bild 2: Gleichmächtige unendliche Mengen
Deshalb führen wir jetzt ein anderes Kriterium für die Gleichmächtigkeit ein:
Zwei Mengen sind gleichmächtig, wenn man jedem Element der ersten Menge genau ein Element der zweiten Menge zuordnen kann.
Wie man im Bild sieht, kann man jedem Element der linken Menge genau ein Element der rechten Menge zuordnen. Die beiden Mengen sind also gleichmächtig: |Z| = |N| = ∞
Man nennt die Menge der natürlichen Zahlen auch eine abzählbar unendliche Menge. Dies gilt dann auch für jede zur Menge der natürlichen Zahlen gleichmächtige Menge. Folgende Mengen sind also gleichmächtig und abzählbar unendlich:
Menge der rationalen Zahlen Zur Menge der rationalen Zahlen Q gehören alle Zahlen x = a : b oder auch , also auch die Menge der natürliche Zahlen N. Trotzdem gehört diese Menge zu den abzählbaren Mengen, weil man jedem Element der Menge Q genau ein Element der Menge N zuordnen kann.
Hier stellt sich natürlich gleich die Frage:
„Gibt es mächtigere Mengen als die Mengen mit abzählbar unendlichen Elementen?“
Nun, diese Frage können wir mit einem deutlichen „Ja“ beantworten, denn es gibt neben den Mengen mit abzählbar unendlichen Elementen auch noch die Mengen mit einer überabzählbar unendlichen Anzahl von Elementen. Betrachten wir hierzu die Menge der reellen Zahlen R. Diese Menge umfasst alle Zahlen auf der sogenannten Zahlengeraden, also auch alle Zwischenwerte zwischen den rationalen Zahlen Q. Man kann nun nachweisen, dass zwischen zwei beliebig nahe beieinander liegenden rationalen Zahlen eine überabzählbar unendliche Anzahl von reellen Zahlen R existiert. Die Menge der reellen Zahlen, die wir ebenso wie die anderen Zahlenmengen (Z, N, N*, Q) im nächsten Kapitel kennenlernen werden, ist also überabzählbar unendlich und damit mächtiger als die Mengen mit abzählbar unendlichen Elementen.
Wir haben jetzt drei verschiedene Typen von Mengen kennengelernt (endlich, abzählbar unendlich, überabzählbar unendlich). Neben diesen drei Typen gibt es noch die sogenannte leere Menge. Damit ist einen Menge gemeint, die überhaupt kein Element...