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E-Book

Matriarchat in Südchina

Eine Forschungsreise zu den Mosuo

AutorHeide Göttner-Abendroth
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr1998
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783170315822
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Das riesige Territorium, das heute 'China' heißt, hat eine lange Geschichte der matriarchalen Gesellschaftsform. Im äußersten Südwesten erstreckt sich die Provinz Yünnan, durchzogen von den parallelen Oberläufen des Salwen, des Mekong und des Jang tse kiang. Diesen Flüssen entlang fand die Südwanderung matriarchaler Bergvölker in der Vergangenheit statt. Sie setzt sich bis in die Gegenwart fort. Heute umfassen diese Völker noch ungefähr 800 Stämme mit zusammen 15 Millionen Menschen, darunter auch die Mosuo. Registriert und als 'Nationale Minderheit' von der Zentralregierung in Peking anerkannt sind davon nur wenige. In jüngster Zeit wird diesen nicht-chinesischen Völkern nach den feindlichen Exzessen der sog. 'Kulturrevolution' mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit und staatliche Fürsorge geschenkt. Wie sich ihre Situation heute darstellt, zeigt exemplarisch dieser Bericht einer Forschungsreise zu den Mosuo.

Dr. Heide Göttner-Abendroth, Philosophin, ist freie Wissenschaftlerin. Sie ist die Begründerin der modernen Matriarchatsforschung.

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Leseprobe

Danksagung


Zum Gelingen dieser Forschungsreise der HAGIA-Akademie 1993 nach Südchina zu den Mosuo haben viele beigetragen, ihnen sei ausdrücklich gedankt:

  • in erster Linie Iris Bubenik-Bauer, die mit ihrer genauen Kenntnis des alten und heutigen China sowie ihren politischen und persönlichen Kontakten diese Reise in die Wege leitete. Ihre fundierte Erfahrung mit Interviews von Angehörigen fremder Völker, die sie während ethnologischer Forschungsreisen nach China, Tibet und in andere Länder in zwei Jahrzehnten gesammelt hat, ermöglichte den Sprach- und Kulturtransfer, der letztlich das Gelingen der Reise bedeutet hat
  • dem „Allchinesischen Frauenverband“, insbesondere seiner Vizepräsidentin für Internationale Angelegenheiten und Leiterin der Europa-Abteilung, Frau Zhang Quingfang, und auch Herrn Prof. Huang Huikun, Direktor des Institutes für Nationalitätenforschung, Kun ming. Deren Einsatz verdanken wir die Genehmigung und hervorragende Organisation dieser Reise, sie machten sie für uns überhaupt möglich
  • ferner unserer Begleiterin und Dolmetscherin Frau Duan Guohui für ihre Organisation vor Ort sowie allen anderen Mitarbeitenden im chinesischen Begleit-Team
  • dem indigenen Mosuo, Herrn La mu Ga tusa, Sozialwissenschaftler, Schriftsteller und Herausgeber der Zeitschrift „Shancha“ der Yunnan Academy of Social Sciences
  • der Reiseteilnehmerin Nahema (E. Kwiatkowski, Künstlerin und Dipl. Psychologin) für ihre einfühlsame Übersetzungshilfe auf der Reise.

Ferner sei ausdrücklich festgestellt, daß die in dieses Buch aufgenommenen Interviews unter Beteiligung von Iris Bubenik-Bauer sowie allen Reiseteilnehmerinnen entstanden.

Für die Mithilfe, daß dieses Buch als Dokumentation der Forschungsreise entstehen konnte, sei insbesondere gedankt:

  • in erster Linie Margret Reuter, die mich energisch zur Niederschrift drängte und mir dabei technisch half; sie hat ebenfalls sämtliche hier veröffentlichten Interviews von Tonbändern transkribiert.
  • wesentlich trug Karin Kastner zum Entstehen des Fototeiles bei, denn sie hat zahllose Bilder von sich und anderen Teilnehmerinnen der Reise gesammelt, gesichtet und systematisch geordnet; der größte Teil der Bilder in diesem Buch stammt von ihr, der kleinere Teil von Rosemarie Ziegler.

Einleitung


Vorbemerkung zur Methode


Mit diesem Buch möchte ich meine theoretischen, interkulturell vergleichenden ethnologischen Arbeiten zur Gesellschaftsform des Matriarchats („Das Matriarchat II,1“ und „Das Matriarchat II,2“, Kohlhammer-Verlag) ergänzen durch eine Monographie, die einer einzigen Ethnie gewidmet ist: den Mosuo in Südchina. Nach längeren vorausgehenden Studien führte ich, zusammen mit Iris Bubenik-Bauer, eine Forschungsreise im März/April 1993 zu den Mosuo durch. Dieses Buch ist eine Dokumentation der Forschungsreise und zugleich eine am praktischen Beispiel gewonnene Darstellung der matriarchalen Strukturen, die heute noch in der Mosuo-Gesellschaft vorhanden sind. Durch besonders günstige Umstände waren diese auf der Reise trotz der Kürze des Aufenthaltes Schritt für Schritt zu erkennen.

Ich maße mir dabei nicht an, dasselbe in dieser Monographie leisten zu können wie etwa eine Ethnologin, die sich in jahrelanger Feldforschung bei einer Ethnie aufhält und danach ihre Ergebnisse in einer umfassenden Darstellung niederlegt. In der knappen Zeit dieser Forschungsreise war das unmöglich, und es ist auch nicht das Ziel dieser Arbeit. Die Aufgabe, die ich mir mit dieser Reise gestellt habe, ist begrenzter: Es ging darum, die Gültigkeit der Kriterien der matriarchalen Gesellschaftsform, die ich in meinen oben genannten Büchern grundsätzlich entwickelt habe, am konkreten Beispiel einer lebendigen Gesellschaft zu überprüfen. Deshalb war die Begegnung mit den Mosuo – neben den anderen aufregenden Ereignissen – wesentlich ein geistiges Abenteuer. Denn würde sich das, was ich in drei Jahrzehnten theoretischer Forschungsarbeit zur matriarchalen Gesellschaftsform herausgefunden hatte, bestätigen lassen?

Zu meiner großen Freude gelang dies vollständig. In dem behutsamen Gesprächsprozeß mit den Mosuo konnte ich die Kriterien des Matriarchats, die ich im theoretischen Vegleich mehrerer Ethnien vorher herausgefunden hatte, sämtlich in ihren Selbstzeugnissen wiederfinden (vgl. die Interviews). Umgekehrt war es das Hintergrundwissen über das Matriarchat, das ich mitbrachte, was es ermöglichte, „im Lichte der Theorie“ diese typischen Kriterien durch die wohlüberlegte Anordnung der Interviews so schnell und vollständig herauszufinden. Es ließ sich binnen kurzem erkennen, was vorher in diesem Zusammenhang noch nicht so gesehen worden war.

Nun arbeiten Ethnologen und Ethnologinnen vor Ort stets mit Theorien im Hintergrund, um Erkenntnisse zu gewinnen und zu systematisieren, wobei es keine Rolle spielt, ob dies mehr oder weniger ausdrücklich geschieht.

Das Problem ist dabei nur, ob die mitgebrachte Theorie zum untersuchten sozialen Zusammenhang paßt. Das wird besonders dann fatal, wenn unbewußte Begriffe und Muster (Vorurteile) oder explizite Theorien (z.B. die psychoanalytische oder die strukturalistische), die an patriarchalen Gesellschaften wie der unsrigen gewonnen wurden, auf matriarchale übertragen werden. Dies geschieht unter der klassisch patriarchalen Prämisse, daß es andere als patriarchale Gesellschaften nicht gibt! Die Folge sind logische Brüche in der Argumentation und interpretative Verzerrungen der empirischen Befunde – Probleme, mit denen ich während meiner über zehnjährigen Studien der ethnologischen Literatur zum Thema konfrontiert war (vgl. die Analyse in „Das Matriarchat I“, 1988). Hier, das erlaube ich mir zu sagen, nützen lange Feldforschungen und umfassende Monograhien wenig, wenn der theoretische Rahmen nicht stimmt.

Um es noch einmal zu betonen: Es kam mir während des Aufenthalts bei den Mosuo nicht darauf an, die Vollständigkeit einer konkreten Gesellschaft zu erfassen – das ist in der Tat so schnell nicht möglich – sondern darauf, die Vollständigkeit der Kriterien des Matriarchats bei einer lebenden Gesellschaft zu erfassen. Das ist möglich gewesen und hat sich erfüllt, wie dieses dokumentatorische Buch zeigt. Die Umstände waren dafür allerdings besonders günstig: Nicht nur mein Hintergrundwissen über die Gesellschaftsordnung des Matriarchats trug dazu bei, sondern ebenso die von chinesischen Fachethnolog/innen vorbereitete, ausgezeichnete Organisation der Reise, wobei insbesondere der „Allchinesische Frauenverband“ zu nennen ist. Wir hatten die Möglichkeit, mit Fachleuten in den Ethnologischen Instituten zu sprechen, und der indigene Mosuo-Ethnologe La mu half uns, vor Ort den Bezug zu den Menschen seiner Heimat zu finden.

Als dritter Faktor unseres Erfolges ist die wissenschaftliche Ausnahmesituation zu nennen, daß nämlich eine reine Frauengruppe, begleitet von Fachfrauen, die Frauen einer matriarchalen Gesellschaft besuchte und mit ihnen im Gespräch war. In einer solchen Gesellschaft, in der die Frauen zentral sind und obendrein ein klares Bewußtsein davon haben, daß die Menschheit aus Zwei besteht, nämlich Frauen und Männern, was sich in der sozialen Ordnung spiegelt – sehr im Gegensatz zu unserem patriarchalen, gemischt-individuellen Chaos –, fällt dieses Arrangement erheblich ins Gewicht. Reine Männer-Teams von Ethnologen vor uns aus Amerika, Japan und von den Han-Chinesen waren mit diesem Problem der andersartigen Struktur einer matriarchalen Gesellschaft konfrontiert. Das wirkte sich z.B. aus, als sie die Mosuo-Frauen über Frauenangelegenheiten befragen wollten – die Türen verschlossen sich. Uns standen sie hingegen offen, besonders, als die Frauen und auch die Männer der Mosuo bemerkten, daß wir ihre Gesellschaftsordnung nicht abwerten, sondern achten und schätzen. Ihre Gastfreundschaft, Gesprächsbereitschaft und spontane Herzlichkeit waren bemerkenswert und haben es wesentlich ermöglicht, daß wir innerhalb so kurzer Zeit so viel erfahren konnten. Im Fall einer matriarchalen Gesellschaft ist deshalb ein Team von frauenbewußten Forscherinnen eine methodische Grundvoraussetzung, um zu adäquaten Ergebnissen zu kommen. Dies darf kein schöner Zufall bleiben, sondern muß, als Kategorie der Analyse, bei künftigen ethnologischen Forschungen vor Ort entscheidend berücksichtigt werden.

Mit diesen Vorbemerkungen hoffe ich deutlich gemacht zu haben, was das Anliegen dieses Buches ist und was es nicht ist. Es kann keine langdauernde ethnographische Forschung im gesamten Gebiet ersetzen. Aber es kann Ethnolog/innen bei ihrer weiteren Arbeit zu dieser und anderen matriarchalen Gesellschaften wegen des vollständigen Kriterienkatalogs als heuristische Grundlage dienen. Gleichermaßen wendet es sich durch den Verzicht auf eine akademisch verklausulierte Sprache an ein breites Publikum von Frauen und Männern, die der Entwicklung des Themas „Matriarchat“ schon länger oder neuerdings ihre Aufmerksamkeit entgegenbringen.

Bedingungen der Reise


Diese Reise der HAGIA-Akademie ereignete sich unter außergewöhnlichen Umständen. Zwei Jahre dauerten die Vorbereitungen, obwohl die Organisation nicht durch uns von Deutschland aus gemacht wurde. Sie war bei den chinesischen Behörden als wissenschaftliche Forschungsreise, der Sozialstruktur des Matriarchats gewidmet, beantragt worden. Und wir erbaten für sie eine Sondergenehmigung, da sie uns in für...

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