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E-Book

Max von Pettenkofer

Pionier der wissenschaftlichen Hygiene

AutorWolfgang G. Locher
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783791761404
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Max von Pettenkofer (1818-1901) gehörte zur wissenschaftlichen Elite des 19. Jahrhunderts. Als Prototyp eines modernen Forschers hat er den Ruf Münchens und Bayerns als Wissenschaftsstandort mitbegründet. Sein kraftvolles Lebenswerk erstreckt sich von Chemie - dem Dreh- und Angelpunkt seiner wissenschaftlichen Denkstruktur - und Pharmazie über die Stoffwechselforschung bis zur Epidemiologie, in deren Rahmen er sich intensiv mit Entstehung und Ausbreitung der Cholera beschäftigte. Sein Fokus lag jedoch auf der Hygiene, die er zu einem bayerischen Exportschlager machte. Als Vordenker in der Gesundheitspflege schuf er Trends in Public Health. Man kann in Deutschland, Europa und der Welt nicht über Hygiene sprechen, ohne auf Max von Pettenkofer, den 'Begründer der wissenschaftlichen Hygiene', zu stoßen.

Wolfgang G. Locher, Prof. Dr. med., M. A., geb. 1951, unterrichtet nach seiner Tätigkeit als Chirurg seit 1983 als Medizinhistoriker am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der LMU München.

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Leseprobe

1   Kindheit und Jugend


Herkunft und Erziehung


Max von Pettenkofers Herkunft aus dem ländlichen Raum und seine Kindheit in einem von Sparsamkeit geprägten Milieu bot keine idealen Startbedingungen, um die Karriereleiter bis zu einem Wissenschaftler von Weltruf emporzusteigen. Als Spross einer kinderreichen Kolonistenfamilie wurde er am 3. Dezember 1818 in Lichtenheim, einer zum Gerichtsbezirk Neuburg an der Donau gehörenden Einöde am Rande des Donaumooses, geboren. Die Napoleonischen Kriege (1792–1815), die auch in Bayern zu einer generellen Verarmung der Bevölkerung geführt hatten, lagen nur wenige Jahre zurück. Als Max zur Welt kam, herrschte wieder Friede im Land. Seine Eltern waren Johann Baptist (1786–1844) und Barbara (1786–1837) Pettenkofer. Die Entbindung erfolgte zu Hause, und noch am selben Tag wurde das Neugeborene auf den Namen Maximilian Josef getauft.

Die Wurzeln der Pettenkofers, von denen es etliche zu Wohlstand und Titeln brachten, liegen in der Oberpfalz und in Niederbayern.3 In der zu Max von Pettenkofer führenden Verzweigung des Stammbaumes hatte sich eine Beamtentradition entwickelt. Sein Großvater, Johann Baptist Pettenkofer sen. (1746–1825), war ein Repräsentant des bayerischen Kurfürstentums im Donaumoos gewesen. Als kurfürstlichem Mautner war ihm die Bedienung der Zollschranken zwischen Pfalz-Neuburg und Kurbayern anvertraut. Zunächst – 1794 – war er »Beymautner« in Pobenhausen, bei der Verlegung des Zollhauses nach Lichtenheim zog er mit. Als die Zollschranken mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten und späteren Königs (1806) Max Joseph um 1800 fielen, erwarb der in den Ruhestand versetzte Mautner um 800 Gulden das Zollhaus samt den dazugehörenden fünfeinhalb Tagwerk Grund und wurde Landwirt.4

Als gewissenhafter Familienvater schenkte er der Ausbildung seiner Söhne große Beachtung. Franz Xaver (1783–1850) ließ er zum Apotheker ausbilden. Als solcher begleitete er die bayerischen Truppen im Napoleonischen Feldzug nach Russland. Später machte er als kgl. Hof- und Leibapotheker in München Karriere und spielte in der Erziehung seines Neffen Max eine maßgebliche Rolle. Zwei weitere Söhne, Michael (1781–1825) und Josef (1785–1853), wurden Finanzbeamte und lebten später in Eichstätt und in Friedberg bei Augsburg. Der jüngste Sohn, Johann Baptist jun., übernahm 1806 das elterliche Anwesen in Lichtenheim. Aus seiner Ehe mit Barbara Hermann ging Max hervor.

 

 

Abb. 1:
Das Geburtshaus Pettenkofers in Lichtenheim mit der Straße nach Pobenhausen. – Fotografie, 1936


 

Zunächst wies in Max’ Leben nichts auf eine wissenschaftliche Laufbahn hin. Die Einöde Lichtenheims und die Weite des Donaumooses dienten dem Knaben als erster Lebens- und Erlebnisraum. In seinen »Chemischen Sonetten« erinnerte er sich später in Versform an dieses Kindheitsidyll. Allerdings musste er, wie alle Kinder zur damaligen Zeit, von klein auf mit anpacken. Die Kinder halfen bei der ländlichen Arbeit oder im Haus, hüteten das Vieh oder erledigten Gartenarbeiten. Doch manchmal, wenn Zeit übrig blieb, streifte der kleine Max durch die einsamen Biotope der moorigen Ebene. Wenn seine Augen den vorbeiziehenden Wolken folgten, konnte er träumen.

 

»In der Heimat«


»Erblick ich deinen stillen, öden Grund,
Wo ich geboren, weit gedehntes Moor!
Dann drängen selt’ne Bilder sich hervor,
Wie ich als Knab auf deinen Steppen stund.
Oft trat ich mir die nakten Füße wund,
Wenn ich der Heerde nach durch tiefes Rohr
Mich in Nomadeneinsamkeit verlor.
Doch heiter klang das Lied aus meinem Mund.«

 

(M. v. Pettenkofer: Chemische Sonette aus den Jahren 1844 und 1845. München 1886, S. 13.)

 

Bald kreiste das Leben des jungen Max v. a. um die Schule. Seit 1802 gab es im aufklärungsfreundlichen Bayern die allgemeine Schulpflicht. Jedes Kind musste vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, um einen angemessenen Bildungsstand zu erreichen. Wie sich mit dem Schuleintritt im Herbst 1825 zeigte, verfügte der Junge über eine grundsätzliche Lust zu lernen. Dies ließ die Hoffnung keimen, dass es der aufgeweckte Bub zu etwas bringen würde.

Der Wunsch der Eltern nach einer besseren Zukunft für das begabte Kind erfüllte sich unter der Obhut des Onkels Franz Xaver. Dieser hatte seit 1823 an der Residenz in München die Leitung der Hofapotheke inne und ermöglichte seinem Neffen in München eine höhere Schulbildung. Die Ehe des Onkels war kinderlos geblieben, und so nahm er sukzessive einige Kinder seines Bruders bei sich auf.

Im Herbst 1827 wurde der achtjährige Max Pettenkofer nach München verpflanzt und in die Aufsicht des Onkels übergeben. Zur selben Zeit beendete gerade Carl Spitzweg (1808–1885) seine Lehrzeit in der kgl. Hofapotheke. Er wurde später als Maler berühmt. Nicht ohne Wehmut entwuchs Max in der königlichen Haupt- und Residenzstadt seinen ländlichen Wurzeln.

 

 

Abb. 2:
Der kgl. Hof- u. Leibapotheker Franz Xaver Pettenkofer (1783–1850), porträtiert 1825 von Rhomberg. – Fotografische Reproduktion


 

Elementarschule


Wissbegier, Fleiß und Intelligenz machten Max zu einem Musterschüler, der in allen Schuljahren zu den besten seiner Klasse gehörte. Ab Oktober 1827 besuchte er die zweite Klasse der Metropolitan-Pfarr-Schule, die als Elementar-Schule für Knaben ausgelegt war. Im Jahresbericht 1827/28 erfahren wir Genaueres über das den Basisfächern übergeordnete Erziehungsziel dieser Schule: Für die Kinder war Disziplin das Hauptmittel aller Erziehung mit dem höchsten Ziel der »Begründung und Erhaltung eines tugendhaften und frommen Sinnes«. Gefordert wurden »Reinheit der Sitten, Gewöhnung an Regelmäßigkeit und Ordnung, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Gehorsam gegen die Oberen, Freundlichkeit, natürliche Höflichkeit, Liebe zum Regenten und Vaterland«. Am Ende eines jeden Schuljahres wurden die besten Schüler namentlich im Jahresbericht erwähnt; der kleine Max, inzwischen neun Jahre alt, gehörte regelmäßig zu den Schülern, die sich »vorzüglich hervorgetan haben«. Damit hatte er den Ortswechsel vom Land in die Großstadt in schulischer Hinsicht mit Bravour gemeistert und konnte dem neuen Schuljahr entspannt entgegensehen. In der dritten Klasse war er nicht zu schlagen und fand sich auf Platz eins der Bestenliste wieder.

Lateinschule


Mit dem Übertritt in die Höhere Schule brachte das Schuljahr 1829/30 eine neue Herausforderung. Aufgrund einer aktuellen Bestimmung für die Lateinischen Schulen durften ab 1829 »die zum Studieren fähigen Knaben« schon mit Vollendung des achten Lebensjahres in die lateinische Vorbereitungsklasse wechseln.5 Diese Möglichkeit nutzte auch Max. Das höhere Schulwesen gliederte sich damals in einen vierjährigen Vorkurs, die sog. Lateinische Schule, als Unterbau und das darauf aufbauende ebenfalls vierjährige Gymnasium.

In den beiden ersten Klassen entfiel die Hälfte des wöchentlichen Unterrichts mit 12 Schulstunden auf Latein. In der Lateinschule wurden die sprachlichen Grundlagen für die anschließende Lektüre wichtiger klassischer Autoren im Gymnasium gelegt.6 Ab der dritten Klasse kam Griechisch als neues Unterrichtsfach hinzu. Des Weiteren standen auf dem Stundenplan: Religion, Deutsch, Arithmetik, Kalligraphie und Tachygraphie, Geschichte und ab der vierten Klasse Geographie.

Während in den Jahresberichten der Elementarschule nur die besten Schüler Erwähnung fanden, wurden in den Berichten der Lateinschule und des Gymnasiums alle Schüler nach einem sog. Fortgangsverzeichnis gelistet. So hatte man einen guten Überblick über die Leistungen eines Schülers in seiner Klasse und den Fortgang oder Rückschritt in einzelnen Fächern. Die Platzziffer für den sog. »Allgemeinen Fortgang« ergab sich aus der Berechnung nach einem bestimmten Schlüssel7, demzufolge die Fortgangsnummern der einzelnen Fächer addiert wurden, wobei die Sprachen und Mathematik mehrfach in die Wertung eingingen.

Pettenkofer hat die Lateinschule bravourös gemeistert. Jedes Schuljahr stand sein Name wieder auf Platz eins mit *, nicht nur in der Liste des allgemeinen Fortgangs, auch in Latein und Griechisch. Sein erfolgreichstes Schuljahr war das letzte in der Lateinschule, in dem er noch zwei erste Plätze mit * abschloss: Deutsch und Geschichte/Geographie. Neben dem vorgeschriebenen Klassenunterunterricht wurde den Lateinschülern Gesangs- und Zeichenunterricht als Wahlfach angeboten. Schüler, die freiwillig am Gesangsunterricht teilnahmen, fanden ebenfalls besondere Erwähnung, wenn sie »sich durch Fleiß und namhafte Fortschritte vor den übrigen hervor getan«8 hatten. Pettenkofer gehörte dazu, und ungefähr zehn Jahre später sollten sich seine Gesangsstunden als glückliche Fügung erweisen.

Gymnasium


Im Oktober 1833 wechselte der mittlerweile 14-Jährige planmäßig ans »Königliche Alte Gymnasium«, Münchens älteste Gymnasialeinrichtung. Bis 1824 war es das einzige der Stadt gewesen. Als 1824 ein zweites gegründet wurde, erfolgte zur besseren Unterscheidung die Benennung in »Altes Gymnasium« und »Neues Gymnasium.« 1847 erhielten die beiden Lehranstalten ihre heutigen Namen. Aus dem ehemals »Alten« wurde das Wilhelmsgymnasium, aus dem »Neuen« das Ludwigsgymnasium. Pettenkofer gehört zweifellos zu den prominentesten Absolventen von Ersterem.9

Das von ihm besuchte »Alte Gymnasium« befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Herzogspitalstr. 18, im ehemaligen Gebäude der...

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