Die Konfliktforschung befasst sich mit der Entstehung, dem Verlauf und den Möglichkeiten der Lösung von Konflikten. Dabei werden insbesondere Konfliktpotentiale, Konfliktverläufe, Konfliktlösungswege, Eigenschaften von Konfliktparteien sowie auf den Konflikt einwirkende Faktoren untersucht. Viele Ansätze entstammen der Organisationspsychologie und der Soziologie. In der Sozialpsychologie findet sich die Konfliktthematik insbesondere im Zusammenhang mit der Erforschung sozialer Gruppen. Forschungen über die Dynamik innerhalb von oder zwischen verschiedenen Gruppen, wie beispielsweise die Untersuchungen Sherifs (1961) oder auch die Lewins (1953/1975), liefern wertvolle sozialpsychologische Grundlagen für die Darstellung der Konfliktbearbeitung. Eine ausführliche Darstellung kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden und ist im Hinblick auf die Forschungsfrage nicht weiterbringend. Daher sei für eine tiefere Betrachtung auf die Grundlagenliteratur verwiesen. Die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen das Phänomen des Konfliktes betrachtet wird, implizieren unterschiedliche Schwerpunkte bei der Behandlung der Thematik und führen auch nicht zuletzt zu unterschiedlichen Begriffsverständnissen. Im Folgenden werden einige Definitionen und Typologien aufgezeigt. Die Auswahl wurde vor dem Hintergrund des Nutzens für diese Arbeit getroffen.
In Bezug auf die Darstellung des Verlaufs von Konflikten hinsichtlich zunehmender Eskalation gilt das Eskalationsmodell von Glasl als sehr bedeutsam. Zur Einschätzung innerhalb einer Konfliktanalyse kann dieses Modell wertvolle Hinweise liefern. Es wird daher in Kurzform vorgestellt.
Den unterschiedlichen Ansätzen zur Definition sowie zur Typologisierung des Konfliktbegriffs weitestgehend gemein ist die Unterscheidung zwischen einem intrapsychischen, also einem innerhalb einer Person bestehenden, und einem interpsychischen Konflikt, auch sozialer Konflikt genannt. Interpsychische Konflikte lassen sich als Konflikte zwischen einzelnen Personen wiederum abgrenzen zu intra- und intergruppalen bzw. intra- und internationalen Konflikten (Deutsch, 1976, S. 18). Eine solche Unterscheidung ist insofern relevant, als dass sie Auskunft darüber gibt, in welcher Beziehung die Konfliktparteien zueinander stehen und wie die jeweilige Konfliktpartei aufgebaut ist. Während die psychosoziale Beratung oder Psychotherapie sich vornehmlich mit intrapsychischen Konflikten befasst, bietet die Mediation eine Möglichkeit, soziale Konflikte zu einer Lösung zu führen.
Nach Deutsch (1976, S. 19) ist ein Konflikt das „Aufeinanderstoßen nicht zu vereinbarender Handlungstendenzen“. Deutsch (1976, S. 18) betont dabei, dass Konflikte auch bei identischen Zielen der Konfliktbeteiligten auftreten können. Ausschlaggebend ist demnach nicht notwendig das angestrebte Ziel, sondern die Handlungstendenz, die auf die Erreichung des Ziels ausgerichtet ist.
Friedrich Glasl (1980, S. 17) definiert einen sozialen Konflikt folgendermaßen:
sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge.
Von zentraler Bedeutung bei der Betrachtung von Konfliktsituationen aus der dieser Arbeit zugrunde liegenden Perspektive ist die Berücksichtigung der Subjektivität der Wahrnehmung der Beteiligten sowie die im Konfliktfall vorherrschende Fixierung von Handlungsstrategien an die Handlungsziele. Folgerichtig bilden der subjektive Bezugsrahmen sowie die sorgfältige Betrachtung der Handlungsstrategien und -ziele den Ansatzpunkt für die Konfliktanalyse und die Konfliktinterventionen.
Zu Beginn einer Konfliktbeilegung steht die Einschätzung der spezifischen Konfliktsituation. Dies geschieht zumeist in Form einer Konfliktanalyse oder einer vorläufigen Konfliktdiagnose. Als Orientierung für die damit verbundene Einordnung des Konfliktes finden sich in der Literatur verschiedene Konflikttypologien. Einen Überblick liefert Glasl (2004, S. 53–59). Er unterscheidet bezüglich der bekanntesten Systematisierungsversuche drei Vorgehensweisen: die Differenzierung von Konflikten nach Streitgegenständen, nach ihren Erscheinungsformen und nach den Eigenschaften der Konfliktparteien. Schwierigkeiten bezüglich der Einordnung spezifischer Konflikte in derartige Typologien entstehen jedoch insbesondere dadurch, dass das äußere Erscheinungsbild eines Konfliktes nicht mit seinem Kern übereinstimmen muss. Welcher Art ein Konflikt im speziellen Fall ist, ist dabei selten zu Beginn einer Mediation eindeutig zu bestimmen. „Die Konfliktdiagnose ist ein dynamischer Prozess, der sich durch das gesamte Mediationsverfahren hindurchzieht.“ (Fietkau, 2000, S. 36.) Bezüglich der vermeintlichen Bestimmung bestimmter Konfliktursachen wendet Glasl (2004, S. 34) zudem ein, dass erst das Zusammenspiel vieler Faktoren einen Konflikt auslöst. Insbesondere eine Differenzierung von Konflikten nach Streitgegenständen beinhaltet die Problematik, dass derselbe Streitgegenstand unter verschiedenen situativen sowie intrapsychischen Faktoren zu völlig unterschiedlichen oder auch zu gar keinen Konfliktaustragungsformen führt. Glasl (2004, S. 24) spricht daher hier nicht, wie in der Literatur weit verbreitet, von Konfliktursachen, sondern von Konfliktpotential. Das Vorhandensein des Konfliktpotentials bedeutet nicht unweigerlich die Entstehung eines Konfliktes. Diese ist letztlich abhängig von den Subjekten, deren Perzeption der Situation sowie deren innerer Einstellung (Glasl, 2004, S. 78). In der Wahrnehmung der Konfliktparteien kann das Konfliktpotential sich jedoch durchaus als Konfliktursache darstellen. Das subjektive Erleben der Situation und das subjektive Wahrnehmen bezüglich des Sachverhaltes – jedoch nicht der Sachverhalt selbst – bestimmen die Emotionen und damit verbunden das Verhalten der Konfliktparteien.
Wie schon Fietkau (2000, S. 33–34) betont, ist der Konflikt als solches nicht beobachtbar, sondern nur das jeweilige Verhalten der Konfliktbeteiligten. Dieses sichtbare Verhalten ist jedoch abhängig von individuellen Faktoren, wie der Persönlichkeitsstruktur und den bisherigen Erfahrungen der Handelnden, ihren subjektiven Wahrnehmungen und Interpretationen, ihren persönlichen Bedürfnissen und individuell bevorzugten Handlungsstrategien. Ebenso spielen Faktoren wie vorherrschende Normen und die Beziehungen der Konfliktparteien zueinander eine Rolle und nicht zuletzt die spezifischen situativen Gegebenheiten. Zudem verweist das sichtbare Verhalten unter Umständen auf einen oberflächlichen Konflikt, der jedoch nicht mit dem eigentlichen Grundkonflikt übereinstimmt. Glasl (2004) unterscheidet diesbezüglich zwischen dem „Phäno-Typus“ und dem „Geno-Typus“ und hebt hervor: „Vom Erscheinungstypus lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die ‚Ursachen’ eines Konfliktes schließen.“ (Glasl, 2004, S. 64.) Dennoch bildet das sichtbare Verhalten den Ausgangspunkt für die Einschätzung der spezifischen Konfliktsituation. „Man muss also in erster Linie wahrnehmen, wie der Konflikt von den Konfliktparteien selbst dargestellt wird.“ (Glasl, 2004, S. 66.) Eine Kategorisierung von Konflikten kann, folgt man den obigen Ausführungen, also immer nur auf phänomenologischer Ebene und für die Gültigkeitsdauer des Moments geschehen und bleibt nur eine grobe Orientierung innerhalb des Konfliktbearbeitungsprozesses.
Für die Mediation hat sich zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen dem sichtbaren Konflikt und dem Grundkonflikt bzw. dem offenkundigen Streitthema und den eigentlichen Konflikthintergründen das Eisbergmodell von Besemer (1997) bewährt. Das Modell skizziert, dass hinter einem Sachkonflikt in der Regel nicht nur offenkundige sachbezogene Interessen, sondern auch unbewusste unerfüllte Bedürfnisse, mit diesen in Zusammenhang stehende Gefühle, eventuell Beziehungsprobleme und/oder auch intrapersonale Schwierigkeiten, unterschiedliche Sichtweisen, Missverständnisse, Kommunikationsprobleme, fehlende Informationen und/oder bestimmte strukturelle Bedingungen stehen (Besemer, 1997, S. 28–29).
Es lässt sich zwischen einem destruktiven und einem konstruktiven Konfliktverlauf unterscheiden (Besemer, 1997, S. 24–25). Ein konstruktiver Konfliktverlauf zeichnet sich aus durch das gemeinsame Bemühen, in Kooperation aller Konfliktbeteiligten eine zufrieden stellende Lösung zu finden. Dies beinhaltet die Möglichkeit eines Kompromisses oder einer Win-Win-Lösung. Der destruktive Konflikt ist gekennzeichnet durch die Sichtweise, die andere Partei sei das Problem, und zwar insofern, als dass sie die Erreichung der eigenen Ziele oder das eigene Vorgehen behindere. Es steht die Überzeugung im Vordergrund, ein Gewinn sei nur auf Kosten der Gegenpartei möglich. Im weiteren Verlauf verschieben sich die Streitinhalte, der Konflikt gerät in eine zunehmende Eskalation. Deutsch (1976, S. 163) formuliert in diesem Zusammenhang: „Der destruktive Konflikt hat die...