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Medien und Aufruhr. Die Frage nach der Rolle der Medien in sozialen Bewegungen am Beispiel des 'Arabischen Frühlings'

AutorAnja Daniela Höbel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl60 Seiten
ISBN9783668035980
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Interkulturelle Kommunikation, Note: 1,3, Ludwig-Maximilians-Universität München (Ethnolgie), Veranstaltung: Medienenthologie, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Rahmen dieser Arbeit beschäftige ich mich mit folgenden Fragen: Waren die Medien Schuld am Ausbruch des Arabischen Frühlings? Was sind die Nachteile der Mediennutzung und Medienaufmerksamkeit? Wie werden Medien genutzt und auch benutzt, um zu manipulieren? Außerdem beschäftige ich mich mit den Stimmen der arabischen Demonstranten, vor allem denen der Internetaktivisten und der sozialen Bewegungen. Da ich den 'Arabischen Frühling' als Ganzheit betrachten möchte, mich im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht allen arabischen Ländern in gleichem Maße annehmen kann, verwende ich hauptsächlich Beispiele aus Tunesien und Ägypten. Aus diesen beiden Ländern habe ich am meisten Quellen gefunden. Das könnte daran liegen, dass sie aufgrund ihrer Gesamtsituation stärker prowestlich orientiert sind und diese Länder die am best- ausgebildeten Jugendlichen vorweisen.

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Leseprobe

5. Informant und Interviewanalyse


 

Da ein Freund von mir in einer großen Fernsehredaktion arbeitet, bat ich ihn, diesen Text über den Emailverteiler herumzuschicken: Ich suche für ein Interview für meine Bachelorarbeit zum Thema "Medien und Aufruhr: Die Frage nach der Rolle der Medien in sozialen Bewegungen am Beispiel des arabischen Frühlings" einen Araber oder eine Araberin aus den Ländern Ägypten, Tunesien, Syrien, Libyen, Marokko, Libanon oder Algerien, der/die circa 30 Jahre (gerne auch jünger) ist und sich mit den politischen Aufständen ab dem Jahr 2011 gut auskennt, bestenfalls sogar vor Ort war. (27.11.13)

 

Daraufhin meldete sich eine Arbeitskollegin von ihm am 03.12.13, die tatsächlich jemanden kannte: Der junge Mann heißt Mostafa, er ist ein Freund meines Freundes Uwe L., ich habe ihn zweimal getroffen und fand ihn sehr nett und politisch gut informiert, mit viel Einblick, persönlicher Betroffenheit und Differenziertheit. Mir hat das Gespräch mit ihm erst die Tür aufgemacht zum Thema arabischer Frühling in Ägypten. Hoffentlich versteht ihr euch und ist ein guter Kontakt für Deine Arbeit.

 

Sie gab mir Mostafas Nummer und ich rief ihn an. Ich war etwas erschrocken, als er mich fragte, ob wir das Interview auch auf Englisch führen könnten. Ich hatte mir das schon fast gedacht, aber gehofft, dass er Deutsch spricht. Er sagte, er lernt Deutsch aber auf Englisch wäre es ihm lieber. Wir verabredeten uns für Freitag den 06.12.13 um 18 Uhr in einem Café in München.

 

Das Café war leer, nur zwei weitere Tische waren besetzt. Allerdings war die Musik etwas laut. Mostafa erzählte mir, dass es das erste Café war, in dem er in München war. Mostafa wirkte sehr sympathisch und offen. Er fragte mich, wozu genau ich ihn interviewen möchte und wofür ich das genau brauche. Ich ließ ihn das vorbereitete „Consent Form“ durchlesen, was mir sehr gut half, einen Rahmen für meine Arbeit zu schaffen. Er ließ noch offen, ob er Anonym bleiben möchte oder nicht, das hänge von meinen Fragen ab. Zu Beginn war mir etwas unwohl, ihn nach persönlichen Dingen zu fragen, da wir uns überhaupt nicht kannten und war froh, als er nach meiner ersten Frage zu seiner Person alles von alleine erzählte.

 

Mostafa ist 32 Jahre alt, wuchs in Kairo auf und lebte dort noch während der Revolution 2011. Nach dieser Information war ich bereits glücklich. Volltreffer, dachte ich. Ab diesem Zeitpunkt war ich von seinen Schilderungen so gefangen, dass ich alles um mich herum nicht mehr wahrnahm. Ich fühlte mich wie in einer anderen Stadt. Ich merkte direkt von Anfang an, dass er sehr viel zu erzählen hatte und große Lust hatte es loszuwerden.

 

Mostafa studierte in Kairo Computerwissenschaften und kam direkt nach der Revolution, im Juni 2011, aus beruflichen Gründen nach München, wo er nun als Wirtschaftsanalytiker arbeitet und momentan alleine lebt. Seine Eltern und seine Schwester wohnen weiterhin in Kairo. Mostafa ist Moslem, er lebte in Kairo zusammen mit seiner Familie in einem Haus, in dem sie fünfmal am Tag beteten und auch alle zusammen fasteten. Aber zur gleichen Zeit, sagt er, sind sie aufgeschlossen und weltoffen. Er ging auf eine amerikanische Universität und die Familie hat auch keine Probleme damit, beide Geschlechter zu vermischen. Er erzählt, dass seine Schwester konservativer und weniger weltoffen sei als seine Mutter, obwohl sie eine bessere Bildung erhalten hatte. Die Mutter zog zum Beispiel erst mit 50 das Kopftuch auf, während seine Schwester dies mit 25 schon wollte. Heute ist sie 42. Ich war überrascht, denn ich dachte, dass Mädchen bereits im Jugendalter das Kopftuch tragen müssen. Mostafa erklärt, der Grund hierfür seien die Muslimbrüder, die die letzten 30 Jahre in Ägypten eine starke Präsenz hatten. Toleranz hängt für ihn also nicht vom Alter ab. Das Hauptproblem sei das Nichtvorhandensein von Toleranz und die extreme Spaltung der ägyptischen Gesellschaft (Z. 56). Er macht mir deutlich, wie liberal wir in Deutschland leben, denn er sagt, wenn ich in Ägypten leben würde, würde meine Erscheinung kritisch beurteilt werden. Das verwunderte mich etwas.

 

Mostafa benutzt sehr häufig die Wiederholung von Wörtern um dessen Bedeutung zu unterstützen. Dies macht er bei Wörtern wie „poor“, „educated“, „extreme“. Vor allem spricht er sehr oft an, dass er gerade seine eigene Meinung äußert, die von anderen abweichen könne. „This is my, Mostafa opinion“. Dies sagt er in den Zeilen 34, 37, 95 und 158. Auch das Wort „surprised“ kommt oft vor, sowie „to be honest“ und „awareness“. Er benutzt auch ab und zu deutsche Wörter oder sucht im Handy nach dem deutschen Wort, woran ich merkte, dass er sehr engagiert war.

 

Im Interview lassen sich sowohl eine hohe Erzähldetaillierung als auch eine phasenweise dominierende Argumentation wiederfinden, wobei die Argumentation meiner Meinung nach überwiegt. Er benutzt viele Beispiele und erklärt seine Gedankengänge.

 

Als Interaktionsmethode sprach er mich oft an, manchmal auch rhetorisch und wartete gar keine Antwort ab, was mich jedoch nicht störte. Mir fiel während des Gespräches nicht auf, dass er mich so oft ansprach, aber bei der Auswertung merkte ich, dass er es an 13 Stellen tat.

 

Auf Basis der oben beschrieben Methoden fällt auf, dass das am meist benutze Wort das Wort „Muslimbrüder“ war, was mir während des Interviews noch nicht aufgefallen war. Er erwähnt die Muslimbrüder an 15 Stellen, meist mit negativem Bezug. Am Ende in Zeile 615 sagt er: „Last year I was extremely, extremely active on Facebook. I posted nearly 100 posts per day about what´s going on in the country with the Muslim brothers. And then I started to admit, that I can´t really understand the political game anymore. Because I cannot post things or people, from which I think that they are really good and later I realize, that they are not good”. „The only place where I can trust people is the network I have“(Zeile 224). Er macht mir an einem Beispiel deutlich, dass man alles falsch interpretieren kann, so wie man zum Beispiel unsere Unterhaltung als romantisches Dinner missverstehen könnte, um es auf YouTube zu veröffentlichen.

 

Er erwähnt in Zeile 26, dass er sich nicht als typischer Ägypter sieht, da er eine gute Bildung genossen hat. Er dachte eine ganze Zeit lang, dass dies bei allen Ägypter/innen so sei, aber er musste feststellen, dass es viele große und kleine Netzwerke in Ägypten gibt, deren Zusammenhänge er nicht versteht. Schon während des Gespräches wird deutlich, dass das Thema Bildung ihm sehr wichtig ist, denn einerseits erwähnte er das Wort sehr häufig und andererseits stellte ich bei ihm selbst eine gute Bildung fest. Das merkte ich daran, dass er gutes Englisch sprach und auf meine Fragen sehr ausführlich antwortete. Er sagte mir auch in Zeile 113, dass ich ihn unterbrechen könne, wenn er vom Thema abkommt. Aber ich wollte ihn nicht unterbrechen. Obwohl er sehr viel erzählte, kam er trotzdem am Ende immer wieder auf meine Frage zurück. Ich fand es toll, dass er mir Sprichwörter und Anekdoten aus Ägypten erzählte, denn anhand dieser lässt sich die Kultur auch etwas besser verstehen, wie auch in Zeile 250, als er ein bekanntes Sprichwort aus Ägypten erzählt, das er auf den arabischen Frühling anwendet: Der Esel ist ein sehr tolerantes Tier bis zum Maximum. Wenn man ein Streichholz auf seinen Rücken setzt, bricht es ihm den Rücken. Als er dies erzählt, schnipst er mit den Fingern um das Brechen des Rückens zu veranschaulichen.

 

Mostafa war früher schüchtern, sagt er. Er ging nur einmal zu einer Demonstration, die er sich ansah, und zwar als Gaza attackiert wurde. Er war nicht dafür und nicht dagegen, blieb stehen und sah zu. Die jungen Menschen heute seien allerdings an dem Punkt angelangt, an dem ein Streichholz ihnen den Rücken bricht. Sie sind extrem aufgebracht und für diese kamen die neuen Medien als Mittel gerade recht.

 

Allerdings dürfe man auch nicht vergessen, dass die jungen Menschen meist keine Familie und Verantwortung haben und deshalb auf die Straße gehen und demonstrieren können. Einer der Gründe, warum ältere Menschen in den Revolutionen wenig präsent waren und sind, ist dass sie eine Familie zu ernähren und einen Job haben, den sie nicht verlieren wollen. „I think hunger becomes before freedom“ (Z.357). Deswegen fragt er sich auch, von wem die Menschen bezahlt werden, die Tag für Tag auf dem Tahrir- Platz ausharren.

 

Es dringt immer wieder durch, dass Mostafa sehr kritisch geworden ist, und im politischen und medialen Bereich eigentlich niemandem mehr vertraut.

 

Das Thema der Rolle der Medien stellt er auf sehr politische Weise her. Er gibt zu Bedenken, welche politischen Interessen hinter der Mediennutzung stehen und wie es unter Mubarak und unter Mursi war. Er fasst zusammen, welche Kräfte seiner Meinung nach die Medien beeinflussen: Das Regime und andere politische Kräfte, die Armee und Al-Azhar. Al-Azhar ist eine Universität in Kairo, die für den Islam, besonders für Sunniten, sehr wichtig ist. Mostafa vergleicht sie mit dem Vatikan für Christen.

 

Er bejaht den Einfluss der Medien auf den Arabischen Frühling. Er sieht die schnelle Verbreitung von Informationen positiv, allerdings bevor Facebook und Twitter mitmischten. Das Negative daran sieht er darin, dass Facebook und Twitter überall sind und man...

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