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E-Book

Medienpsychologie

Schlüsselbegriffe und Konzepte

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl479 Seiten
ISBN9783170261389
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,99 EUR
In the Learning and Reference Guide, 61 central concepts of Media Psychology are presented in short texts which bring together the current state of knowledge on specific assumptions and theories. In the 2nd Edition, current concepts from social media are integrated. The chapters are designed according to a uniform plan and include a brief description of the respective concept, an explanation of the key assumptions, a description of the typical methodology, a summary of the current empirical results as well as a critical assessment.

Prof. Dr. Nicole C. Krämer, Professor of Social Psychology Prof. Dr. Stephan Schwan teaches the 'Realistic Representations' working group at the Institute of Knowledge Media in Tübingen Prof. Dr. Dagmar Unz, Media Psychologist Prof. Dr. Monika Suckfüll teaches communication and media sciences

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Leseprobe

Individualmedien


 

 

 

Media Richness


Oliver Fischer


Worum geht es?


Das Konzept der Media- oder auch Information Richness (Daft & Lengel, 1984, 1986; Trevino et al., 1990, 1987) trifft Aussagen über die Passung von Medien und Situationen. Ob technisch vermittelte Individualkommunikation erfolgreich verläuft, hängt dieser Theorie zufolge davon ab, ob für eine Situation oder Aufgabe das angemessene Medium gewählt wird. Situationen werden dabei nach Ambiguität, Medien nach ihrer Reichhaltigkeit differenziert. Mit Ambiguität ist gemeint, dass die Kommunikationspartner erst noch zu einer gemeinsamen Deutung der Situation gelangen müssen. Die Reichhaltigkeit von Medien bezieht sich vor allem auf die Vielfalt verfügbarer Kanäle und auf die Geschwindigkeit, mit der kommunikatives Feedback möglich ist. Kernannahme der Theorie ist, dass in Situationen mit hoher Ambiguität reichhaltige Medien verwendet werden sollten. Diese Aussage ist nicht überraschend. Für die einfache Mitteilung von Fakten hingegen sind schlanke Medien besser geeignet. Diese Hypothese ist eher kontrainutitiv und wird seltener berichtet.

In ihrer ursprünglichen Form zielte die Theorie der Media Richness auf die Optimierung vermittelter Kommunikation in Organisationen ab. Die zentrale Hypothese war, dass Führungskräfte mit angemessenen Medienwahlpräferenzen oder höherer »media sensitivity« erfolgreicher sind als Führungskräfte mit unangemessenen Wahlpräferenzen. Die Medienwahlkompetenz wird damit zu einer Kernkompetenz für Führungskräfte (Lengel & Daft, 1989). In aktuellen Publikationen wird der Aspekt der Ergebnisoptimierung allerdings nur selten berücksichtigt. Untersucht wird in der Regel, ob die Medienwahlmuster insgesamt den Annahmen der Media-Richness-Theorie entsprechen, d. h., ob die Teilnehmer der Untersuchungen tatsächlich angeben, dass sie für Situationen mit hoher Ambiguität reichhaltige Medien und für Aufgaben mit niedriger Ambiguität weniger reichhaltige Medien wählen würden. Obwohl diese Theorie auf die achtziger Jahre zurückgeht ist Media Richness auch auf Medien und Anwendungskontexte anwendbar, die bei der ursprünglichen Analyse noch nicht Gegenstand der Überlegungen waren.

Darstellung der Annahmen


Die Theorie der Media Richness trifft Annahmen zu drei Bereichen: Eigenschaften von Aufgaben, Eigenschaften von Medien und Kontingenz von Kommunikationsanforderung und Medium zur Aufgabenbewältigung. Durch die systematische Betrachtung der Eigenschaften der Aufgabe geht diese Theorie etwa über die der Social Presence hinaus. Spätere Entwicklungen der Media-Richness-Theorie (Trevino, Daft & Lengel, 1990) berücksichtigen zusätzlich kontextuelle und symbolische Determinanten der Medienwahl.

1. Die Anforderungen organisationaler Kommunikation

Die Theorie medialer Reichhaltigkeit bezieht sich ursprünglich auf Kommunikation in Organisationen (Daft & Macintosh, 1981; siehe auch Trevino, Lengel & Daft, 1987; Trevino, Daft & Lengel, 1990). Organisationen werden dabei als dynamische Kommunikationsnetzwerke verstanden, für deren Funktionieren ein gemeinsames Bedeutungs- bzw. Symbolsystem erforderlich ist. Kommunikation und die Bearbeitung von Aufgaben erfolgt wesentlich face-to-face, wird aber zunehmend durch Medien vermittelt. Eine für den Organisationsalltag typische Aufgabe besteht in der Reduktion von Ambiguität (»equivocality«). Dieser Begriff ist für die Bestimmung der Angemessenheit von Medien zentral und bezeichnet eine Situation, in der Sender und Empfänger zunächst zu einem gemeinsamen Verständnis kommen müssen, worum es bei einer Aufgabe überhaupt geht. Daft und Lengel (1986) unterscheiden streng zwischen Ambiguität (equivocality) und Unsicherheit (uncertainty): Unsicherheit lässt sich einfach durch Hinzugewinn zusätzlicher Information beseitigen, während dies bei »equivocal tasks« nicht möglich ist. Zusätzliche Information führt hier eher zu weiterer Verwirrung und wirkt somit kontraproduktiv. Ambiguität ist sicher ein Charakteristikum eines Großteils von Managemententscheidungen (z. B. Mintzberg, Raisinghani & Theoret, 1976).

2. Charakteristika von Medien: Media Richness

Als Media Richness definieren die Autoren die Möglichkeit eines Mediums, Ambiguität zu reduzieren: »Communication media can be characterized as ›rich‹ or ›lean‹ based upon their capacity to facilitate shared meaning« (Trevino, Daft & Lengel, 1990, S. 75). Ambiguitätsreduktion hängt Daft und Lengel (1984, 1986) zufolge wesentlich von vier Charakteristika ab:

Tab. 1.1: Komponenten der Media Richness

Media Richness wird hierbei als ein objektives Merkmal des Mediums angesehen. Allerdings bleibt eine genaue Operationalisierung oder gar eine quantitative Gewichtung der einzelnen Charakteristika zunächst aus. Abbildung 1.2 illustriert die von Trevino, Daft und Lengel (1990) vorgeschlagene Hierarchisierung medialer Reichhaltigkeit, die prinzipiell für beliebig viele weitere Medien erweiterbar ist.

Abb. 1.2: Media-Richness-Hierarchie nach Trevino, Daft und Lengel

Da die von Trevino, Daft und Lengel (1990) genannten Kriterien weder quantifiziert noch gewichtet werden, handelt es sich um eine problematische Operationalisierung. Es ist daher kaum verwunderlich, dass fast alle empirischen Untersuchungen bei der Erstellung von Hierarchien auf subjektive Ratings zurückgreifen.

3. Die Kontingenz von Medium und Kommunikationsanforderung

Der Theorie medialer Reichhaltigkeit zufolge ist die Kombinationen von Medium und Kommunikationsanforderung kritisch für den Erfolg der Kommunikation.

Entsprechen sich Reichhaltigkeit des Mediums und Ambiguität der Situation, verläuft die Kommunikation optimal. Dies führt unmittelbar zur Empfehlung der Media-Richness-Theorie für den Anwendungskontext: Bei klar definierten Aufgaben (also etwa der Kommunikation eindeutiger und klar interpretierbarer Zahlen) sollten schlanke Medien verwendet werden, um unnötige Komplexität zu vermeiden. Bei hoher Ambiguität (z. B. der Beurteilung eines Mitarbeiters) sollten reichhaltige Medien verwendet werden, um ein gemeinsames Verständnis des Gegenstands zu ermöglichen (Trevino, Daft & Lengel, 1990)

Eine suboptimale Kommunikation liegt dann vor, wenn zwischen Ambiguität der Situation und der Reichhaltigkeit des gewählten Mediums ein Mismatch besteht. Die Verwendung eines schlanken Mediums für eine deutungsbedürftige Nachricht kann zu Missverständnissen führen. Dies ist zunächst nicht weiter überraschend. Allerdings stellen die Autoren zusätzlich eine kontraintuitive Hypothese auf: Face-to-face-Kommunikation kann unter bestimmten Bedingungen zu einem gegenüber vermittelter Kommunikation defizitären Kommunikationsablauf führen, weil Informationen kommuniziert werden, die für die Aufgabe irrelevant sind. Tabelle 1.2 visualisiert die möglichen Kombinationen und Ergebnisse.

Tab. 1.2: Kontingenz von Media Richness und Ambiguität der Nachricht

Wie eingangs erwähnt berücksichtigen spätere Entwicklungen der Media-Richness-Theorie zusätzlich kontextuelle und symbolische Determinanten der Medienwahl. Dabei geht es wesentlich um die Frage der Verbreitung eines Mediums (Daft, Lengel & Trevino, 1990) sowie darum, inwieweit die Verwendung eines Mediums metakommunikative Wirkungen haben kann.

Typische Methodik


Fast alle Untersuchungen zur Theorie der medialen Reichhaltigkeit basieren auf Fragebögen. In der für diese Theorie paradigmatischen Untersuchung von Daft, Lengel und Trevino (1987) wurden Manager einer Petrochemie-Firma gebeten, für 60 spezifische Managementsituationen aus jeweils 10 Medien das passende auszuwählen. Die Ambiguität der Situationen war vor der Untersuchung durch Expertenurteil empirisch ermittelt worden. Die Reichhaltigkeit der Medien wurde hingegen von den Autoren einfach angenommen. E-Mail wurde in dieser Studie noch nicht berücksichtigt. Weitere Untersuchungen (Russ, Daft & Lengel, 1989) verwandten eine ähnliche Methodik. Allerdings wurden auch verschiedene andere Methoden verwendet. Trevino, Daft und Lengel (1987) führten in Organisationen teilstrukturierte Interviews, und Trevino, Lengel, Bodensteiner, Gerloff und Muir (1990) führten eine Studie mit Studenten durch, bei der jeweils für eine Situation (hohe vs. geringe Ambiguität) eine Medienwahlentscheidung zu fällen war. Eine sehr elaborierte Untersuchung stammt von Zack (1994), der eine Felduntersuchung zum Kommunikationsverhalten in Arbeitsgruppen durchführte. In dieser Untersuchung wurden Fragebögen, Beobachtungen, Interviews und Dokumentenanalyse...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt1
Titelseite4
Impressum5
Inhalt6
Vorwort12
Teil I Motivation14
Einführung Motivation16
Traditionelle Medien18
Uses-and-Gratifications-Ansatz18
Selective Exposure25
Mood Management32
Sad-Film-Paradoxon38
Evolutionäre Erklärungsansätze46
Individualmedien54
Media Richness54
Modell des sozialen Einflusses61
Teil II Kognition68
Einführung Kognition70
Aufmerksamkeitsprozesse73
Aufmerksamkeitsprozesse beim Fernsehen73
Change Detection/Change Blindness79
Information-Foraging-Theorie85
Verarbeitungsprozesse im Arbeitsgedächtnis91
Cognitive-Load-Theorie (CLT)91
Cognitive Theory of Multimedia Learning (CTML)97
Perzeptuelle Disfluency104
Medienbezogene Kompetenzen109
Medienkompetenz109
Repräsentationale Einsicht115
Perceived Reality120
Interpretationsprozesse127
Rezeptionsmodalitäten127
Narratives Verstehen132
Multiple Dokumente139
Falschinformation147
Hostile Media Effect152
Moral Disengagement158
Mediale Präsentation167
Framing167
Präsenzerleben173
Beabsichtigte kognitive Medienwirkungen181
Cultivation of Mental Skills und Supplantation181
Multiple externe Repräsentationen186
Konstruktivistische Lernumgebungen193
Medienspezifische kognitive Verarbeitungs und Lernprozesse199
Nicht beabsichtigte kognitive Medienwirkungen206
Displacement206
Wissenskluft-Hypothese und Digital Divide212
Agenda Setting220
Kultivierung (Cultivation of beliefs)226
Teil III Emotion236
Einführung Emotion238
Neugier und New Experimental Aesthetics239
Narratives Erleben und Transportation244
Involvement254
Excitation Transfer261
Drei-Faktoren-Emotionstheorie und affektive Disposition268
Spannung275
Unterhaltung284
Teil IV Kommunikation294
Einführung Kommunikation296
Traditionelle Medien298
Parasoziale Interaktion (PSI)298
Soziale Vergleichsprozesse304
Medienpsychologische Aspekte der sozial-kognitiven Lerntheorie310
Third Person Effect316
Die Theorie der Schweigespirale321
Two-Step Flow of Communication328
Der Sleeper-Effekt334
Individualmedien340
Reduced Social Cues/Cues Filtered Out340
Social Identity Model of Deindividuation Effects (SIDE)349
Hyperpersonal Communication und Social Information Processing Theory358
Impression Management und Self-Disclosure in sozialen Medien364
Privacy Paradox373
Social Capital in elektronischen Medien379
Mass Interpersonal Persuasion385
Common Ground und Grounding391
Immersive virtuelle Umgebungen: Transformed Social Interaction, Proteus-Effekt und Persuasion398
Media Equation405
Uncanny Valley412
Teil V Verhalten422
Einführung Verhalten424
Gewalt425
Prosoziales Verhalten433
Gemeinsame Wissenskonstruktion im Internet442
Internetsucht447
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren457
Stichwortverzeichnis468
Personenverzeichnis475

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