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E-Book

Medusa

Eine neurologische Krankheitsgeschichte über 13 Jahre

AutorJan Müller-Wonnenberg
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl190 Seiten
ISBN9783742780775
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Eine ungewöhnliche und positive Betrachtungsweise einer Krankheitsgeschichte. Ohne dabei zu verklären oder dabei unumstößlich zu wirken will dieses Buch Anregungen zum Bewältigen einer schwierigen Situation mit der Erkrankung Multiple Sklerose bieten. Als selbst Betroffener und Professioneller auf zwei Ebenen befinde ich mich trotzdem nicht in einem Idealzustand, sondern will besonders die schwierige Hürde der Krankheitsakzeptanz beleuchten und meinen ganz persönlichen Umgang damit. Dieses Werk will selbst Betroffene, Angehörigen von Betroffenen und Bekannten von Betroffenen Input bieten. Nur durch Kommunikation auch über eine schwierige Lage kann man davon profitieren.

Seit 13 Jahren an MS Erkrankter, stolzer Vater und Ehemann, Gesundheits- und Krankenpfleger, Sozialpädagoge (B.A.)

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Leseprobe

Der Beginn


Nichts wies in der Vergangenheit auf die Erkrankung Multiple Sklerose hin. Keine neurologischen Ausfälle, keine kognitive oder visuelle Fehlbarkeit und auch keine Empfindlichkeit gegenüber Hitze oder sonstige Abnormitäten. Alles schien vollkommen normal. Besonders als junger Mensch geht man davon aus, dass man unsterblich ist. Man denkt also nicht daran, dass einem irgendetwas etwas anhaben könnte. Darum ist es umso überraschender, dass sich das Leben nicht immer als eine unbegrenzte Schallplatte entpuppt. Auch wenn wir sehen, sie Vorfahren sterben oder gestorben sind scheint es für uns undenkbar bzw. schwierig sich das eigene Ableben wirklich vorzustellen. Und nichts bringt einen Menschen dem Umstand näher, dass er sterben wird als eine Erkrankung. Zumindest bei mir ging diese Erkenntnis mit einer – ja sagen wir narzisstischen Kränkung einher.

Ich muss und möchte an dieser Stelle einen kurzen Einschub machen, dass ich vor ungefähr vier Wochen vor der Einweisung in das Krankenhaus ein Unfall hatte. Ein blöder Unfall: nach dem Unterricht an der Berufsfachschule für Krankenpflege hängte ich mich, mit beiden Händen festhaltend an die Treppe, über der Treppe die zum Ausgang führte. Das streckte mein langes Kreuz, das während der langen Unterrichtsstunden vorwiegend gekrümmt war. Das tat sehr gut – zumindest meinem Rücken. Nun vergaß sich eines Tages, es war Winter, meine Filzhandschuhe vor dieser rituellen Prozedur auszuziehen. Ein damaliger Freund, der ebenfalls Jan heißt, ging vor mir (von gleicher Größe wie ich) und drehte sich just in diesem Moment um als sich einen spitzen Schrei losließ. Die Filzhandschuhe hatten nicht genügend „Gripp“ um mich ausstrecken zu lassen, sondern katapultierten mich in Richtung Treppenende. Ich traf mit dem linken Fuß genau auf das Sternum meines Kollegen, der Luft ringend zu Boden ging. Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass ich davon Rucksack landete der mein Ordner enthielt und zufällig das Pflege heute – ein dickes Buch das man Sturz abgefederte und mein Kreuz nicht entzwei brechen ließ. Nach ein paar Minuten konnte der eine Jan wieder atmen und der andere rappelte sich hoch, auch nach Luft ringend. Merkwürdigerweise passierte niemand zu diesem Zeitpunkt unseren Weg auf der Treppe. Nur ein anderer Kollege der mit Richtung Ausgang gegangen war meinte süffisant klingend, aber sehr ernstem Ton: „Er hätte dies nicht überlebt.“. Auf dem Nachhauseweg sinnierte ich darüber ob er meinen Sturz meinte oder den Tritt ins Sternum der ihn enthauptet hätte da er einen Kopf kleiner ist.

Zuerst, und vielleicht denken Sie dies ebenso, fiel mein Verdacht auf diesen Sturz der meine neurologischen Schwierigkeiten begründen könnte. Jedoch war dies weit gefehlt und ich dachte nicht daran, dass es etwas anderes auf sich haben könnte. Zwei Tage später stellte sich die besagte Gangstörung ein und ich brachte sie natürlich mit dem Sturz in Verbindung. Ich ging zum Hausarzt der keine Verletzungen oder Fehler an den Gelenken feststellen konnte und wurde somit zum Phlebologen überwiesen. Man wollte schlichtweg ausschließen, dass sich ein Gefäßverschluss handeln könnte. Wie es zu erwarten war, war nichts. Alle Gefäße durchgängig und in bester gesundheitlicher Verfassung. Mir war klar das man nach dem Ausschlusskriterium vorgehen musste, aber es war nervig. In diesem Moment wünschte ich mir das Ärzte bzw. Schamanen noch mit Knochen werfen würden und das Ergebnis von den Göttern bestimmt wird. Nachdem ich also dort war, ich muss dazu sagen wir hatten im Unterricht gerade die Neurologie angekratzt, wurde ich also zu einem Neurologen überwiesen. Neugierig, aber über alle Maßen verunsichert, hörte die Ärztin meinen Schilderungen zu. Sie machte einige neurologische Tests und überwies mich dann zum MRT ins Krankenhaus. Ein MRT ist ein Magnet Resonanz Tomografie. Er macht Scheibchen förmige Aufnahmen des Gehirns oder anderer Körperstellen und man dann, bezogen auf das Gehirn, Kontrastmittel hinzugeben was diese sonderbaren Herde hell aufleuchten macht. Dazu musste ich mich in diesem Gerät durch eine enge Röhre schieben lassen, die ein Höllenlärm macht.

Aber es war gar nicht so schlimm. Die Ärzte schoben gleich meine gesamte (wie beschrieben sehr lange) Wirbelsäule durch diesen Apparat und machten viele Aufnahmen. Ich schlief in diesem Gerät fast ein. Es stand ein vorzügliches Betäubungsmittel parat, dass sich aber nicht benötigte. Noch schöpfte ich keinen konkreten Verdacht, nur eine diffuse Angst. Als ich dann auf die Station überwiesen wurde und meinen Freunden sagen konnte: „Ich liege auf der Neurologie“, kam mir die Sache Spanisch vor. Nichtsdestotrotz bewahrte ich meine Contenance und versuchte mit dem Wissen des zweiten Lehrjahres meines zukünftigen Berufes, Fehler zu finden Sie das Personal machen würde. Das war eine fabelhafte Idee mich abzulenken.

Die nächste Woche kam eine Lumbal Punktion (LP) – die Entnahme von landläufig Nervenwasser genannten Flüssigkeit aus der Wirbelsäule mittels einer sehr langen Nadel – auf mich zu. Da ich darüber schon ausreichend gelesen hatte, war ich natürlich fast schon nervös. So musste ich mich also auf das Bett setzen, mich vorbeugen und das erste Mal in meinem Leben wurde eine sehr lange Hohlnadel durch die Dura mater (eine Schutzschicht des Körpers um die Wirbelsäule und das Gehirn) gestoßen, um Liquor zu entnehmen. Um auch das Positive zu unterstreichen, ist zu sagen dass dieser klar und unauffällig war (für das bloße Auge) und dann zur näheren Untersuchung an ein Labor geschickt wurde. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Ich musste einige Stunden flach liegen und viel trinken. Kopfschmerzen bekam ich trotzdem. Dennoch fühlte ich mich ausgeliefert und irgendwie – ich kann es kaum beschreiben – kroch etwas in mir hoch, was ich im Nachhinein und mit erweiterter psychologische Bildung bzw. Kenntnis, als diffuse Angst bezeichnen würde. Dieses Gefühl war mir fremd und klebte an mir wie der Rotz am Spaten. Niemals hatte mich in meinem Leben vorher eine solch mächtige und unangenehme Emotion beschlichen. Dies äußerte sich in starker Nervosität, die ich bemüht war mit Freundlichkeit zu überspielen. Am dritten Tag im Krankenhaus war meinem Bereich eine Krankenpflegeschülerin zugeteilt, die redlich bemüht war mit guter Laune zu vermitteln. Ich erkannte ihr Verhalten und ihre Aussagen als Ausflüchte. Sie konnte und kann nichts dafür, aber ich wusste ganz genau, dass sie meine Akte gelesen hatte. Das habe ich auch oft getan um mich über Patienten zu informieren. Man ist freilich neugierig. Ganz besonders im ersten und zweiten Lehrjahr. Das ist etwas ganz Natürliches und ich nahm es ihr nicht übel. Aber sie war oft den Tränen nahe und so hörte ich die Nachtigall schon vorher trapsen, bevor die Diagnose überhaupt gestellt worden war. Man hatte einen im MRT Befund, einen Liquorbefund und Ergebnisse der neurologischen Untersuchungen. Und so wurde mir nach einer Woche trotzdem nichts gesagt. Man beließ es, und das ist Standard, bei der Aussage Verdacht auf Encephalopatitis disseminata. Also eine die Nervenbahnen zerstörende Form der Entzündung. Da ein Großteil meiner Freunde, der überwiegende Teil meiner Familie Berufe aus dem medizinischen Bereich haben, musste ich nicht lange erklären was ich habe bzw. was die Ärzte denken das sich haben könnte. Das machte die Sache einerseits leichter, aber wusste auch jeder worauf es hinauslaufen könnte.

Man bestellte mich nach 1,5 Wochen erneut in das Krankenhaus ein und dort offenbarte mir ein zuständiger Arzt – der arme Kerl – meine Diagnose mit einem Haufen CDs und einigen DVDs zur Aufklärung über dieses Krankheitsbild. Dieser aufklärenden Materialien trug der Assistenzarzt, der offensichtlich noch nicht lange Arzt war, wie ein Schild vor sich her. Das Aufklärungsgespräch fand auf dem Flur des Krankenhauses statt und man nahm sich nicht mal die Zeit mich in einen entsprechenden Raum zu führen. Ich nahm diesen Arzt jedoch nur verschwommen wahr und hörte nicht auf das was er sagte, während ich mir vorstellte dem kleinen Bastard richtig weh zu tun – für seine dreisten Lügen und seine ungeheuerliche Frechheit. Natürlich lebte ich diesen Impuls nicht nach, aber da ich noch recht gut zu Fuß war zu diesem Zeitpunkt, verließ ich das Krankenhaus stehenden Fußes und schweigend in kürzester Zeit. Nach diesem „Vorfall“ im Krankenhaus, hatte ich einen nach Besprechungstermin bei meiner neuen Neurologin den ich recht unbeteiligt über mich ergehen ließ. Auch der Hausarzt, den ich schon sehr lange kenne, war schockiert. Gleichsam schweigsam. Die Arzthelferinnen waren bestürzt, doch ich hatte weder Lust noch Kraft sie in irgendeiner Weise aufzufangen. Mich konnte auch niemand auffangen. Die kommenden Nächte hatte ich – das mag keine Überraschung sein – Schlaflosigkeit und lag wach. Dass ich wie ein Schlosshund geheult habe ist mir unangenehm. Aber so war es. Ich malte mir in den „buntesten“ Farben meine Zukunft aus. Denn ich wusste ganz genau, definitiv auf Grund meiner damaligen Ausbildung, was auf mich zukam oder besser kommen würde. Dass es keine Heilung gab und gibt, war mir freilich bekannt und machte die Sache alles andere als leicht. Ich marschierte also, denn ich konnte noch laufen, in meine erste eigene Wohnung nach dem einige Tage zuhause vergangen waren und erzählte niemanden davon. Die kommende Woche ließ ich mich krankschreiben, denn zu allem Überfluss war das Thema an der Berufsfachschule die Neurologie. Und das wollte ich mir auf keinen Fall antun. Die Krankheitstage beliefen sich am Ende auf viele und ich konnte nur mit einer Härtefallregelung an der Examensprüfung teilnehmen, die ich auch noch Bestand. Ich war nun Krankenpfleger und ironischerweise selber richtig übel...

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