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E-Book

Meerblick statt Frühschicht

Warum ich losreisen musste, um bei mir selbst anzukommen

AutorCarina Herrmann
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783492971294
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Ein persönlicher Rundgang durch Angkor Wat, Reisfelder auf Bali und ein Roadtrip entlang der legendären Great Ocean Road: Dies sind nur drei der Highlights, die die erfolgreiche Reisebloggerin Carina Herrmann während ihrer einjährigen Reise durch Australien und Südostasien erlebte. Ihre Traumreise begann als Befreiungsschlag. Denn die junge Frau gab dafür ihren harten Alltag als Krankenschwester in einer Kinderkrebsstation auf, verkaufte all ihren Besitz und begann alleine ihre Reise um die Welt. Sie schreibt über ferne Länder, Menschen und Kulturen -- aber auch über Ängste, Sehnsüchte und neuen Mut.

Carina Herrmann, Jahrgang 1980, ließ ihr altes Leben in Frankfurt hinter sich, reist seit fünf Jahren um die Welt und ermutigt in ihrem Blog andere Frauen, es ihr gleichzutun. »Pink Compass« ist Deutschlands beliebtester Blog für alleinreisende Frauen, die Autorin wird regelmäßig als Expertin zum Thema interviewt (u.a. SPIEGEL und Brigitte).

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Leseprobe

Der Aufbruch in ein neues Leben

Glaube daran, dass du es kannst.
Und du bist schon halb da.

Theodore Roosevelt

Der Zug rollt langsam los. Ich sitze am Fenster und sehe meine winkenden Eltern aus dem Blickfeld verschwinden. Einen Abschied am Flughafen wollte ich nicht, also bin ich nun auf dem Weg nach Frankfurt, um dort noch eine Nacht bei Freunden zu verbringen, bevor meine Reise endgültig startet. Abschiede sind nicht meine Stärke, und der letzte Monat war gepflastert damit – mit kleinen und großen, mit leichten und schweren. Unterbewusst weiß ich bereits, dass ich zu vielen Bereichen meines alten Lebens nicht zurückkehren werde, aber aussprechen tue ich das nicht. Ich versichere meinen Kollegen, dass ich sicherlich von Heimweh geplagt in sechs Wochen wieder am Eingang der Station stehen werde, bereit, die Arbeitsroutine wieder aufzunehmen. Mein Chef betont beim Abschied, dass ich jederzeit in meine Stelle zurückkehren könne. Das Gefühl, das diese Aussage in mir auslöst, ist widersprüchlich. Ich glaube, entweder ich bin in einem Monat zurück oder gar nicht. Dieser Gedanke ist eine Mischung aus dem heimwehgeplagten Kind, das ich einmal war und das keine zwei Wochen im Ferienlager ohne durchweinte Nächte verbringen konnte, und der Person, die ich gerade ganz neu kennenlerne. Die gerade ihre sichere Stelle gekündigt und ihren gesamten Besitz verkauft hat, ihre Wohnung aufgelöst hat und nur noch sechs gefüllte Umzugskisten im Keller ihrer Eltern besitzt. Immer mal wieder frage ich mich, wer diese Person eigentlich ist, die mich die letzten Monate fast täglich mit ihrer neu entdeckten Courage überrascht. Ich schätze, ich werde es herausfinden.

Meinen Freunden erkläre ich, dass diese Auszeit nicht lange dauern wird und dass sie kaum merken werden, dass ich überhaupt weg war. Um sie zu beruhigen und um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Ich sage ihnen, dass wir vermutlich mehr Kontakt haben werden als während meines Alltags in Frankfurt, weil ich viel mehr Zeit haben werde.

Aber da ist auch ein Teil von mir, der aufatmet. Der viel weniger aufgeregt und nervös über das ist, was kommt, und stattdessen Erleichterung verspürt. Erst jetzt komme ich dazu, die letzten Monate Revue passieren zu lassen. Es fühlt sich an, als hätte ich nur auf eine innere Aufgabenliste gehört, ohne mir zu erlauben, näher darüber nachzudenken. Vielleicht hätte ich sonst beim Gedanken daran, was ich gerade eigentlich plane und tue, aus Angst vor meiner eigenen Courage aufgegeben.

Nachdem ich das Visum für Australien erhalten hatte, liefen die nächsten Schritte wie von selbst: Ich recherchierte, wie lange meine Kündigungsfrist im Krankenhaus war, und überlegte, wann ich meinem Chef von meinem Ausstieg erzählen sollte. Ich wollte fair sein. Ihm entsprechend meiner Kündigungsfrist nur sechs Wochen zu lassen, um nach einem Ersatz für mich zu suchen, würde es nicht leicht machen. Für die Onko­logie gab es lange nicht so viele Bewerbungen wie für andere Fachgebiete. Ein Ausstieg auf Zeit, unbezahlter Urlaub oder ein Sabbatical kamen mir gar nicht erst in den Sinn. Ich brauchte einfach einen klaren Schnitt.

Als ich mich mit meiner Mitbewohnerin zusammensetzte, mit der ich eine schöne Altbauwohnung in Frankfurt Niederrad teilte, kam die gleiche Frage auf. Lohnt es sich, eine Zwischenmieterin zu suchen, wenn nicht klar ist, wann ich eigentlich wiederkomme? Ich liebte unsere Wohnung. Sie war absolut einzigartig, mit einer Badewanne in einem verwinkelten Teil des Badezimmers, einem Hochbett in meinem Zimmer, das den Raum in Schlaf- und Wohnbereich teilte, und einem kleinen gemütlichen Balkon, der davon abging. Also musste ich mir selbst die Frage stellen, wie sehr ich an diesem Leben festhalten wollte. Letztendlich traf meine Mitbewohnerin den Entschluss, ebenfalls auszuziehen. Der Mietvertrag wurde also gekündigt und bei mir fielen die letzten Grenzen. Ich verkaufte meine gesamten Möbel über Aushänge in der Uni, Kleinanzeigen im Internet und verschiedene Facebook-Gruppen. Abgesehen von meinen Büchern und Erinnerungsstücken wurde mein kompletter Besitz auf ganz Frankfurt verteilt. Alles, was am Ende übrig blieb, passte in einen Kleinwagen.

Beim Weggeben meines Besitzes war mein Mantra, dass ich alles nach meiner Rückkehr auch wieder anschaffen könnte. Damit ließ sich dieser Prozess schmerzfreier überstehen. Zugleich sah ich freudig zu, wie sich mit jedem Verkauf meine Reisekasse füllte. Und das entwickelte sich zur Sucht. Dinge, von denen ich mich anfangs noch nicht trennen konnte, wurden doch noch auf die Aushänge verteilt, und jeder Euro, der auf meinem Konto landete, war ein kleines Versprechen auf weitere Abenteuer.

Meine Arbeitskollegen sahen mich mit großen Augen an und fragten mich immer wieder, ob es mir denn keine Angst machen würde, komplett ohne Besitz dazustehen. Ohne Basis, zu der ich zurückkommen könnte. Die Sicherheit, dass hier noch etwas auf mich wartete. Für mich fühlte sich das alles mehr und mehr wie ein Befreiungsschlag an. Mit jedem Stück, das ich verkaufte, mit jedem Vertrag, den ich kündigte, fühlte ich mich freier und leichter. Etwas hatte mich festgehalten, da war ich mir sicher. Natürlich dachte ich dennoch pflicht- und verantwortungsbewusst darüber nach, was nach meiner Rückkehr passieren würde. Vielleicht entdeckte ich gerade meine Abenteuerlust, aber ich war nicht leichtsinnig. Ich würde nach meiner Rückkehr ­einen Geldpuffer brauchen. Einen neuen Job und eine neue Wohnung zu finden würde Zeit kosten. Zeit, in der ich essen und irgendwo schlafen musste. Eine neue Wohnung kostet Miete und Kaution. Und wenn ich kein möbliertes WG-Zimmer für die Anfangszeit fände, bräuchte ich auch neue Möbel. Deshalb legte ich ein zweites Konto an, auf dem ich gut 3000 Euro für »die Zeit danach« ansparte. Durch Extra-Schichten im Krankenhaus, Feiertagszuschläge, freiwillige Dienste an Weihnachten und Silvester und den Verkauf meiner Sachen hatten sich beide Konten gut füllen lassen.

Auch diese Erklärungen konnten besorgte Freunde und Verwandte nicht beruhigen, mich hingegen ab­solut. Mit knapp 7500 Euro auf meinem Reisekonto, Referenzen und übersetzten Zeugnissen für die Jobsuche und genug Geld für Notfälle im Gepäck war ich gut vorbereitet.

Immer wieder versuche ich mir vorzustellen, was da nun eigentlich vor mir liegt, aber sosehr ich mich auch anstrenge, das Bild bleibt nebelig. Morgen werde ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einen fernen Kontinent reisen. In eine völlig fremde Kultur mit völlig fremdartigen Menschen und einer ganz anderen Mentalität. Zumindest stelle ich mir das exotische Australien in meinem noch nicht weit gereisten Kopf so vor. Exotisch. Anders. Fremd.

Der letzte Abend vor meiner Abreise geht erstaunlich ruhig und entspannt vorüber. Ich schlafe gut und bin zuversichtlich, gut vorbereitet in mein neues Abenteuer zu reisen. Schließlich habe ich die letzten vier Monate exzessiv Planung, Vorbereitung und Recherche betrieben. Mein Reiseführer steckt, farblich codiert mit Post-its, in meinem Handgepäck, einem kleinen 15-Liter-Rucksack, der optimal ist für Tagesausflüge sowie für Einkäufe und Städte-Erkundungen. Mein großer 55-Liter-Rucksack ist gefüllt mit der perfektionierten Anzahl der nützlichsten Kleidungsstücke und Utensilien, die man auf einer Langzeitreise benötigen könnte. Alles an mir ist bis zum Maximum optimiert. Ich wäre das ideale Covermotiv für eine Backpacker-Zeitschrift. Und doch habe ich mit meinen dreißig Jahren noch nie einen Fuß in die weite Welt gesetzt. Die ganze Vorbereitung hat mich gleichermaßen beruhigt und motiviert. Wenn ich gut ausgestattet bin, kann keine Situation unerwartet sein. Wenn ich gut informiert bin, kann ich die sorgenvollen Fragen meiner Familie und Freunde mit Gegenargumenten abwiegeln. Und wenn ich alles bis ins Detail geplant habe, kann mir nichts Schlimmes passieren.

Seit Monaten verbringe ich ganze Tage damit und brüte über meinem Reiseführer, markiere sämtliche Sehenswürdigkeiten, recherchiere Hostels an allen erdenklichen Orten und finde heraus, wie ich mit fremden Währungen, Sprachen und Kulturen zurechtkommen kann. Das Schrecklichste für mich ist Ungewissheit. Solange ich weiß, was auf mich zukommt, fühle ich mich sicher. So stapeln sich nun die Informationen der letzten sechs Monate im meinem Hirn. Auch wenn es eine künstliche Sicherheit ist, kann ich mir so wenigstens einreden, ich sei auf alles, was kommen könnte, vorbereitet.

Meine erste Woche in Sydney werde ich in einem sorgfältig ausgewählten Hostel verbringen. In einem hübschen Viertel, mit vielen anderen Reisenden und in einem Frauen-Schlafsaal, der vermutlich voller Deutscher sein wird. Das sagen zumindest die vielen Bewertungen auf der Buchungsseite: »Viele Deutsche.« Auch dieser Punkt lässt mich ruhig schlafen, denn dort werde ich erst einmal keine Probleme mit meinem eingerosteten Schulenglisch haben und kann andere nach Tipps fragen. Obwohl ich mich in der Klinik mit ausländischen Patienten immer gut verständigen konnte, zweifele ich stark daran, dass mein Englisch unter Muttersprachlern wirklich bestehen kann.

Meine Route für das erste halbe Jahr ist auch bereits durchgeplant. Ich habe keine Ahnung, ob ich überhaupt so lange dort sein werde, aber im Fall der Fälle bin ich gut organisiert. Von Sydney werde ich nach Brisbane reisen, von dort nach Hervey Bay, eine Tour nach Fraser Island machen, auf die einzige Sandinsel der Welt, die mit Tropenwald bewachsen ist, und dann entlang des Great Barrier Reefs bis nach Cairns. Ich weiß, welche Busanbieter es dort gibt und dass an der Ostküste keine...

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