Sie sind hier
E-Book

Mein Freund H. P. Lovecraft

Dreamer on the Nightside

AutorFrank Belknap Long, H. P. Lovecraft
VerlagFesta Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783865524799
FSK16
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Frank Belknap Long war einer der ersten, der ein Buch über H. P. Lovecraft veröffentlichte: Dreamer on the Nightside erschien 1975. Im Gegensatz zu allen anderen Autoren kannte Long den »Meister des kosmischen Grauen« jedoch persönlich, und das sehr gut. Die beiden hatten sich etwa 500-mal getroffen. Diese Erinnerungen aus einer früheren Epoche sind natürlich »in die Jahre gekommen«, doch Longs schrullig-sympathische Schilderungen seiner Freundschaft mit H. P. Lovecraft geben ein einmaliges Insiderwissen wider.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Kapitel 1

Möglicherweise gibt es einige Personen, die von Lovecraft nicht mehr als zwei oder drei seiner am häufigsten anthologisierten Erzählungen gelesen haben, oder sie kennen ihn ausschließlich durch Verfilmungen, die bisher seinem Werk nicht im Mindesten gerecht geworden sind. Andere Leser mögen sogar mit den grundlegenden Fakten seines Lebens unvertraut sein, obwohl in den letzten Jahren sowohl in Europa als auch in Amerika nicht gerade wenig biografisches Material über ihn erschienen ist. Solche Leser würden sich verständlicherweise betrogen fühlen, wenn ich nicht wenigstens in einem Kapitel die Hauptaspekte seines wachsenden Ruhmes zusammenfassen würde.

Es gibt Schriftsteller, die so eng mit den Legenden verbunden sind, die ihr Leben erschaffen hat, dass beides, Legende und Leben, ein und dasselbe zu sein scheint. Erst wenn beide Aspekte in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, ergibt sich aus ihnen eine Gestalt von außerordentlicher Faszination, obwohl die literarische Qualität unter einer Abtrennung vermutlich nicht leiden würde. Howard Phillips Lovecraft, der Träumer und Mythenschöpfer aus Providence, Rhode Island, war ein solcher Schriftsteller.

Heute durchdringt das Interesse an Lovecraft die amerikanischen Universitäten in beispiellosem Maß. An der Brown University, in deren John Hay Library Tausende von Lovecrafts Briefen lagern, gibt es zwei Studentengruppen mit mehr als 100 Mitgliedern, die regelmäßige Exkursionen an Orte unternehmen, die eine Bedeutung für seine Erzählungen haben, und die nächtliche Geisterwachen in der ehrfürchtigen Erwartung abhalten, eine unheimliche Präsenz aus den schattigen Klüften zwischen zwei Häusern mit kleinen Butzenglasfenstern oder unter den Zypressen am Rande eines Friedhofes in Providence aufsteigen zu sehen, der schon Poe nicht unbekannt war.

In mehr als 50 Colleges von Küste zu Küste haben sich ähnliche Kreise gebildet. Und an mehr als 200 Colleges gibt es Studenten, deren Interesse an lovecraftschem Gedankengut sie in ihren unterrichtsfreien Stunden so stark beansprucht, dass sie in dieser Zeit kaum etwas anderes tun. Es gibt Lovecraft-Gruppen an der UCLA, an der Boston University, an der University of Minnesota und an der Universität der Stadt New York. Der »Miskatonic Literary Circle« (benannt nach einem Ort, der von Lovecraft erfunden wurde) am Georgia Southwestern College hat mehr als 50 Mitglieder und bietet sowohl den Studenten als auch den Lehrern, die an Lovecraft interessiert sind, die Möglichkeit der Zusammenkunft und des Gedankenaustauschs.

Mehrere Magisterarbeiten und eine Doktorarbeit sind bisher über Lovecraft geschrieben worden, und weitere werden bald folgen. Aber das Interesse an Lovecraft ist keineswegs nur auf die Universitäten beschränkt; er genießt einen guten literarischen Ruf und hat eine große Leserschaft, die bis zu einem gewissen Grad auf »Kultfiguren« fixiert ist, doch das stimmt vollkommen mit der faszinierenden, pluralistischen Art von Ruhm überein, der wirklich originellen Schriftstellern, Malern und Musikern zukommt.

Ich möchte nur zwei Beispiele anführen. In Frankreich errang während der 1840er-Jahre Gautier eine ähnliche Art von Ruhm und wurde zum romantischen Vorläufer aller Bohemien-Künstler, ob sie nun Poeten, Romanciers oder Maler waren. Im viktorianischen England besaß Swinburne einen vergleichbaren Kultstatus, bei dem seine Jugend nur selten seinem literarischen Ruf als bedeutender Dichter im Wege stand. Seine Anhänger paradierten in langen Prozessionen durch Oxford, durch Cambridge und sogar durch die Straßen von London und rezitierten mit wilder Hingabe viele Stanzen aus seinem Band Poems and Ballads.

HPL war natürlich ein ganz anderer Schriftsteller und ist sehr viel weniger dazu geeignet, die Anhängerschaft jugendlicher Extrovertierter zu erringen. Doch unter den jungen Lesern, bei denen das Mysterium und die Seltsamkeit seiner kosmischen Reiche eine wunderbare Vermischung von Wirklichkeit und Traum zu erschaffen vermögen, ist sein Einfluss inzwischen fast genauso groß.

Im heutigen Frankreich ist Lovecraft inzwischen mehr als nur einer von etwa 20 weithin gelesenen und diskutierten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Er hat in dem literarischen Bereich, den Poe seit den Tagen Baudelaires unangefochten beherrschte, inzwischen eine beinahe einzigartige Position inne, und in Frankreich ist diese Gattung stets als eine der wichtigsten der gesamten Literatur angesehen worden. Als ein Meister des Makabren und als kosmischer Mythenschöpfer zu brillieren, wie Poe es in Eureka tat, ist eine doppelte Auszeichnung sowohl in den Augen der französischen Intelligenz als auch in denen jener Personen, die vor einer solchen Selbstbezeichnung zurückscheuen und sich als einfache Liebhaber der imaginativen Literatur sehen und es zu schätzen wissen, wenn das Werk eines originellen und kraftvollen Autors den Atlantik überquert und sie mit einem neuen und ganz besonderen Bann überzieht.

In Frankreich existiert ein solches Übermaß an älterer und neuerer Literaturkritik zu Lovecraft, dass nicht das ganze Material in dieses Kapitel aufgenommen werden kann, ohne dass es den Charakter einer Bibliografie annähme, was ich in den folgenden Kapiteln absichtlich vermeide, aber einiges sollte an dieser Stelle trotzdem erwähnt werden. Einige Jahre vor seinem Tod bezeichnete Jean Cocteau Lovecraft als gleichrangig mit Poe, und er war keineswegs der einzige bedeutende gallische Literat, der das Beste von Lovecraft mit dem Besten von Poe verglich. Noch größeres Lob hat Lovecraft von Jacques Bergier erfahren, der ihn als Poe überlegen ansieht, sowohl in sprachlicher Hinsicht als auch in seiner Eigenschaft als außerordentlicher Magier im Reich des Wunderbaren.[1]

Vor etwa fünf Jahren besuchte Maurice Lévy, ein junger Professor an der Universität von Toulouse, Amerika mit einem Fullbright-Stipendium, weil er die Lovecraft-Briefe in der Brown University untersuchen wollte. Ich hatte das große Vergnügen, ihm damals zu begegnen, und sein kürzlich veröffentlichtes Buch über HPL trägt einen Titel, der sehr deutlich macht, wie groß der Ruhm unseres Autors in Frankreich inzwischen ist. Der Titel lautet einfach nur Lovecraft – nicht mehr und nicht weniger. Wenn Professor Lévy nicht New York besucht hätte, wäre mir niemals bekannt geworden, dass an der Sorbonne Vorlesungen über Lovecraft gehalten werden und dass L’Herne, eines der zwei oder drei einflussreichsten französischen Literaturmagazine, Lovecraft »den bedeutendsten amerikanischen Autor fantastischer Literatur in den letzten beiden Jahrhunderten« genannt hat. Zu den wichtigsten Büchern, in denen Tribute an Lovecraft enthalten sind, zählen Marcel Schneiders La littérature fantastique en France (1964), Tzvetan Todorovs Introduction à la litterature fantastique (1970) und L’Amérique fantastique de Poe à Lovecraft (1973).[2] Dieser letzte hübsche Band enthält eine ausgezeichnete Einführung von Jacques Finné.

In Amerika beschäftigte sich der Artikel von Edmund Wilson, der 1945 im New Yorker erschien, mit der unglaublichen Gefolgschaft, die Lovecraft schon zu diesem frühen Zeitpunkt errungen hatte. Auch wenn es keine wirklich wohlwollende Rezension war, deutet doch die Tatsache, dass ein Kritiker von Wilsons Ruf die Notwendigkeit verspürte, in einer so renommierten Zeitschrift mehrere Spalten dem Buch The Outsider zu widmen, sehr klar darauf hin, dass Wilson sich in seiner Haltung zu Lovecrafts Nachtseiten-Genie weniger sicher war, als er eingestehen wollte. Wer zwischen den Zeilen der Rezension liest, erhält den untrüglichen Eindruck, dass genau dies hier der Fall ist. Wenn ein Kritiker von einem Text angerührt ist, ohne es zu wollen und ohne den Grund dafür zu kennen, benutzt er meist seinen Unwillen als Waffe zum Selbstschutz, mit der er die tatsächliche oder eingebildete Gefahr des Angriffs aus einer unbekannten Dimension abwehrt, weil er auf andere Weise nicht mit ihr umgehen kann.

Heute erscheinen allerorten Artikel über Lovecraft, sowohl in den kleineren Magazinen als auch in den Massenblättern, wobei insbesondere der New York Times Book Review und die Ausgabe der Time vom 11. Juni 1973[3] zu nennen sind. Es gab sogar eine Reihe von Zeichnungen des begabten jungen Künstlers Gahan Wilson im Playboy, die eindeutig auf einigen Charakteren Lovecrafts basieren, auch wenn dies nicht ausdrücklich hervorgehoben wurde.

Lovecrafts Erzählungen sind in den letzten Jahren in vielen Anthologien großer Verlage erschienen, sowohl gebunden als auch im Taschenbuchformat, und sie sind in mindestens 18 Sprachen übersetzt worden. Es gab sieben Kinofilme, die auf seinem Cthulhu-Mythos und auf den frühen makaberen Geschichten basieren, sowie eine ganze Reihe von Radio- und Fernseh-Adaptionen. (Mit diesen Filmen bin ich nicht besonders glücklich, denn sie werden der kosmischen Bandbreite und der realistischen Macht des Mythos nicht gerecht und wurden überdies durch die Einführung lächerlicher hollywoodtypischer Elemente wie Liebesgeschichten und sogar erotischer Geschehnisse getrübt, die in einer anderen Art von Geschichte durchaus gerechtfertigt wären, doch Lovecraft hätten sie entsetzt – nicht aus Gründen der Prüderie, sondern weil sie nichts mit dem Mythos zu tun haben.)

Am erstaunlichsten ist vielleicht das Interesse, das Lovecraft von verschiedenen intellektuellen Gruppen entgegengebracht wird. Natürlich war Lovecraft der faszinierendste aller Briefschreiber – seine...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Biografie - Geschichte - Erinnerungen

Walter Ulbricht

E-Book Walter Ulbricht
Eine deutsche Biografie Format: ePUB/PDF

Walter Ulbricht, 1893 in Leipzig als Spross einer sächsischen Handwerkerfamilie geboren, schloss sich nach einem Zwischenspiel bei der SPD früh der kommunistischen Bewegung an. Er wird…

Walter Ulbricht

E-Book Walter Ulbricht
Eine deutsche Biografie Format: ePUB/PDF

Walter Ulbricht, 1893 in Leipzig als Spross einer sächsischen Handwerkerfamilie geboren, schloss sich nach einem Zwischenspiel bei der SPD früh der kommunistischen Bewegung an. Er wird…

Göring

E-Book Göring
Eine Karriere Format: ePUB

Hitlers Paladin: populär, hörig, größenwahnsinnig. Seit langem die erste große Göring-Biografie.Er war der zweitmächtigste Nazi-Führer, zeitweilig beliebter als Hitler selbst; er war leutselig und…

Göring

E-Book Göring
Eine Karriere Format: ePUB

Hitlers Paladin: populär, hörig, größenwahnsinnig. Seit langem die erste große Göring-Biografie.Er war der zweitmächtigste Nazi-Führer, zeitweilig beliebter als Hitler selbst; er war leutselig und…

Ernst Jünger

E-Book Ernst Jünger
Die Biographie Format: ePUB

Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. JahrhundertsDer Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung…

Ernst Jünger

E-Book Ernst Jünger
Die Biographie Format: ePUB

Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. JahrhundertsDer Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung…

Ernst Jünger

E-Book Ernst Jünger
Die Biographie Format: ePUB

Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. JahrhundertsDer Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung…

Weitere Zeitschriften

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

BEHINDERTEPÄDAGOGIK

Für diese Fachzeitschrift arbeiten namhafte Persönlichkeiten aus den verschiedenen Fotschungs-, Lehr- und Praxisbereichen zusammen. Zu ihren Aufgaben gehören Prävention, Früherkennung, ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

Courier

Courier

The Bayer CropScience Magazine for Modern AgriculturePflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und generell am Thema Interessierten, mit umfassender ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS bringt alles über die DEL, die DEL2, die Oberliga sowie die Regionalligen und Informationen über die NHL. Dazu ausführliche Statistiken, Hintergrundberichte, Personalities ...