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E-Book

Mein Leben

erzählt anhand der Männer, die es prägten

AutorHelga Lüsebrink
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783743126077
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,49 EUR
Aus der westdeutschen Provinz bis nach Griechenland und schließlich in die Millionenmetropole Berlin zieht es Helga Lüsebrink, von schweren Nachkriegsjahren bis hin zu gesicherten Zeiten im wiedervereinigten Deutschland reicht der Bogen, Zeiten der existentiellen Sorgen treffen auf solche der Opernabende und Luxusreisen. Impulsiv, alleinerziehend, fleißig in verschiedensten Berufen und oft unstet auf der Suche hat Helga Lüsebrink sich ein bewegtes Leben gestaltet. Schicksalsschläge und Glücksfälle haben es weiter aufgewühlt. Nun zeichnet sie ihr Leben anhand ihrer Männer nach - und zeigt damit auch immer wieder Impressionen bundesdeutscher Geschichte etwa wenn es um Themen wie Alleinerziehend-Sein geht oder die Ehe mit einem Ausländer.

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Leseprobe

Klaus


- meine erste Liebe -

Schon als junges Mädchen, ich glaube, ich ging noch zur Schule, hatte ich häufiger den Wunsch geäußert, irgendwann im Leben tanzen zu können. Obwohl ich damals meine Eltern oder Verwandten niemals miteinander tanzen gesehen hatte. Mein Wunsch, so vermute ich heute, basierte wahrscheinlich darauf, dass Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre Tanzschulen im ganzen Land in waren, und in Lüdenscheid empfand man sie natürlich ebenso als modern und üblich wie im Rest der Republik. Der Gedanke an Tanzen lag also recht nahe, auch wenn er in meiner Familie nicht seine Wurzeln haben kann.

Meine Eltern interessierten sich nicht für meinen Wunsch und versuchten, mich mit allerlei Argumenten vom Tanzen abzuhalten, dieser ihrer Meinung nach ebenso unnötigen wie unnützen Betätigung.

Wichtig sei, erst mal einen Beruf zu erlernen, sich voll darauf zu konzentrieren, um später gutes Geld zu verdienen und so Sicherheit zu haben sowie mir auch etwas leisten zu können.

Meinen Tanzwunsch schob ich also zunächst auf, doch ich verlor ihn nie. Und schließlich war es dann so weit: Eine kaufmännische Lehre in einem Metall-Halbzeug-Werk mitsamt Abschlussprüfung vor der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer hatte ich mit Erfolg absolviert. Und ich bekam nun die Erlaubnis zur lang ersehnten Teilnahme an einem Anfänger- und Fortgeschrittenen-Kurs in der Tanzschule Meister; damals die Adresse für junge Lüdenscheider, die Walzer und Tango, aktuelle Modetänze und Benimm lernen wollten. »Meisters Tanzschule«, 1913 gegründet, war weit über die Grenzen meiner Heimatstadt bekannt. Sie existiert übrigens heute noch und wird weiterhin, soviel ich weiß, von der Gründerfamilie geführt – in nunmehr vierter Generation.

Von nun an ging ich, achtzehn Jahre alt, einmal in der Woche nach Büroschluss in die Tanzschule. Das Zusammentreffen verschiedener Jungen und Mädchen, meistens in meinem Alter, war zu Beginn des Kurses ziemlich aufregend. Ich war also immer sehr nervös, natürlich auch begeistert, wenn es hieß: Heute Abend ist Tanzstunde! Ich kannte ja niemanden, und alles war neu und fremd um mich herum, was für alle anderen natürlich ebenso war. Aber durch Gesten, Reden und letztendlich auch durch gegenseitige körperliche Berührung entstanden ganz allmählich recht liebevolle und angenehme Kontakte. Ich fühlte mich wohl in dieser Gruppe von lauter jungen tanzenden Menschen. Das war wichtig, denn schon damals war Tanzen für mich eine recht intime Angelegenheit: Durchs Tanzen kann ein Prickeln zwischen den Menschen hervorgerufen werden. Und so entstanden hier nun Augenblicke der Nähe, wie ich sie vorher nicht gekannt hatte.

Neben all den Tanzübungen interessierten mich natürlich auch meine jeweiligen Partner. Ganz besonders galt dies für einen jungen Mann, der mir bereits ganz am Anfang aufgefallen war. So unerfahren ich auch war, über eine gewisse Vorstellung davon, wie mein Freund, den es freilich noch nicht gab, auszusehen und zu wirken hatte, verfügte ich damals schon.

Klaus, so hieß der junge Mann, entsprach genau meinem Geschmack: ein sportlicher Typ, selbstbewusst, männlich. Zudem hatte ich das Gefühl, dass auch er an mir interessiert war. Es lag also etwas in der Luft. Und das obwohl wir noch gar nicht viel miteinander getanzt hatten, er mich noch gar nicht recht kennen konnte – und ich ihn ebenfalls nicht. Doch muss man sich richtig kennen, damit es funkt? Nein, sicher nicht. Ich wurde stets nervös, wenn ich mit Klaus einen der neuen Tanzschritte ausprobieren musste. Und unsere Berührungen trafen mich intensiv, auf wahrhaft angenehme Weise. Schon nach kurzer Zeit war ich mir sicher, auch wenn dies alles noch vollkommen neu für mich war: Ich war in Klaus verliebt.

Das kleine Glück auf der Tanzfläche habe ich mit ihm von da an noch mehr genießen können. Aber trotz all der vielen noch folgenden Übungsabenden bei den Meisters waren diese Momente letztendlich doch nicht ausreichend genug, um Klaus näher zu kommen. Wie sich bald herausstellte, grübelte nicht nur ich, wie wir uns noch näher kommen konnten, sondern auch er. Das war wunderbar! Schließlich fanden wir gemeinsam eine Lösung. Und zwar wollten wir uns künftig immer in der Mittagspause, also zwischen den üblichen Arbeitszeiten, treffen, was wir dann auch eifrig taten. Wir hatten nämlich das Glück, dass unsere Arbeitsstätten ziemlich dicht beieinander lagen. Klaus arbeitete damals in einer Schlosserei, und ich im Büro einer Spielwarenfabrik. Meine Eltern durften von diesem Plan und seiner Umsetzung natürlich nichts mitbekommen, denn ich war ja noch nicht volljährig – das war damals erst mit 21 Jahren gegeben. Also musste ich die noch vor mir liegende Zeit mit all der Strenge meiner Eltern weiterhin durchleben und auch durchleiden. Vater oder Mutter erlaubten mir nur das, was aus ihrer Sicht gut und richtig erschien. Klaus und ich trafen uns nun also ebenso heimlich wie häufig. Selbstverständlich blieben wir dabei immer anständig – so waren die Zeiten damals, und wo hätten wir uns auch im körperlichen Sinne näherkommen sollen, ohne dass wir einen Skandal riskiert hätten? Wir hatten ja keinen Rückzugsort, und in der Öffentlichkeit bei Tageslicht, also bei unseren Mittagsverabredungen … nun, da war damals nicht mehr als Reden möglich. Wenn ich trotz aller Elternstrenge mal ein echtes Rendezvous, eine abendliche Paarverabredung, möglich machen konnte, wählten wir ausnahmslos den gemeinsamen Kinobesuch. Zumindest konnten wir so unauffällig ein wenig miteinander schmusen und uns immer fester aneinanderschmiegen. So entstanden heilige Augenblicke, in denen wir uns gar nicht mehr voneinander trennen wollten. Unsere Körper und Köpfe waren hellwach, wir waren einfach total glücklich und verliebt. Vom Film selbst und von allem Drumherum haben wir natürlich stets so gut wie nichts mitbekommen. Das war uns aber gleichgültig: Hauptsache, wir waren dem Geheimnis der Liebe dafür näher auf die Spur gekommen. Nicht zu vergessen sind aber auch unsere Spaziergänge vor Eintreffen der Dunkelheit, im Dämmer-licht. Hier bot sich manchmal die beste – und natürlich auch genutzte – Gelegenheit, um noch in einer finsteren Hausnische einen Kuss zu erhaschen, um dann vor lauter Liebesglück schwebend wieder pünktlich unter dem Dach meiner herrschsüchtigen Eltern einzutreffen.

Nun noch einmal zurück zum Thema Tanzunterricht, in der Zeit aber nun nach vorne gesprungen: Der Mittel- und erst recht der Schlussball in der »Concordia Lüden-scheid«, seinerzeit das erste Haus am Platze, waren natürlich heiß ersehnte Höhepunkte. Umgeben von ganz besonderem Flair, haben Klaus und ich die Stunden bis um Mitternacht auf dem Parkett beide Male voll ausgeschöpft. Wenn ich mich recht erinnere, waren zum Abschlussball sogar meine Eltern anwesend. Vielleicht auch nicht, oder nur kurz vor Schluss, um mich abzuholen. Das weiß ich nicht mehr genau, war mir auch nicht wichtig, ob sie nun da waren oder nicht. Froh und glücklich war ich jedenfalls darüber, dass sie mir die Teilnahme am Tanzkurs überhaupt ermöglicht hatten. Denn dadurch konnte ich auf dem Mittelball schon, der sozusagen die Generalprobe darstellte, und erst recht auf dem eigentlichen Abschlussball ausführlich mit einem Partner meiner Wahl tanzen; und der war natürlich nur mein Klaus!

Ein wunderschönes Paar waren wir am Schlussballabend! Besonders schick hatte ich mich fürs große Fest angezogen. Dank Großmutters guten Beziehungen zur Schneiderin, besaß ich ein genau nach meinen Wünschen angefertigtes Kleid; es war zart-blau, in sich gemustertes, knöchellang und mit einem tiefen Rückenausschnitt versehen. Dazu dann meine selbst gegabelte weiße Stola über die nur knapp bedeckten Schultern … Richtig stolz war ich damals auf mich – und auf meinen Klaus natürlich auch! Klaus im dunkelblauen Anzug, darunter das weiße Oberhemd und eine weinrote Krawatte: einfach toll sah er aus, ein super Partner an meiner Seite. Ich war unbeschreiblich verliebt in ihn! Leicht und beschwingt genossen wir das gemeinsame Fest; tanzten, schäkerten, amüsierten uns … bis letztendlich die berauschende Ballnacht, die all unsere Erwartungen erfüllt hatte, vorübergezogen war.

Damit war unsere berauschende Zeit noch längst nicht zu Ende: Unser Treffplan zur jeweiligen Mittagspause ging weiterhin auf, die vereinzelten Abendrendezvous setzten sich fort. Zusätzlich trafen wir uns, mit Einverständnis seiner Eltern, nun regelmäßig bei Klaus. Und ich wurde für Klaus mehr und mehr zur ständigen Begleitperson, ging mit ihm zu sämtlichen Sport- und weiteren Veranstaltungen in oder um Lüdenscheid herum, an denen er teilnahm. Klaus war Mitglied sowohl in einem Fußball- als auch in einem Schwimmverein. Hinzu kam dann noch der Gesangverein. Bei vielen der Veranstaltungen außer-halb der Stadt und ihres Umkreises konnte ich leider nicht dabei sein: Über Nacht fern vom Elternhaus in meinem Alter, das war zur...

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