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Mein Leben

Vollständige Ausgabe

AutorJohann Ladislaus Pyrker
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl347 Seiten
ISBN9783849633462
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Johann Ladislaus Pyrker war ein österreichischer Dichter und römisch-katholischer Bischof. Dies ist seine Autobiographie.

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Leseprobe

 


 

Man hat außerhalb Unterösterreichs, besonders aber in dem protestantischen Deutschland keinen entsprechenden Begriff von denen hier in Unterösterreich noch bestehenden großen geistlichen Stiften (Abteien), die man zum Unterschiede von den Klöstern der Bettelmönche, nämlich der Franziskaner, Kapuziner u.s.w. Herrenklöster zu nennen pflegt. Der Art sind jene der regulierten Chorherren zu Klosterneuburg und Herzogenburg, der Benediktiner zu Melk, Göttweig, zu den Schotten in Wien, Seitenstätten und Altenburg, der Cisterzienser zu Hl. Kreuz, Lilienfeld, Zwettl und Wiener-Neustadt und der Prämonstratenser zu Geras. Es gibt zwar in Oberösterreich, in der Steiermark und den übrigen österreichischen Provinzen eben solche und wohl noch größere Abteien, allein nur in Unterösterreich sind die Äbte, Prälaten (von den Mitgliedern erwählte Vorsteher) derselben mit dem Titel eines kaiserlichen Rates bezeichnet. Meistens entstanden sie in den früheren Jahrhunderten aus den Stiftungen der Landesfürsten, daher ihnen der Name Stift gegeben worden sein mag. Ihr Besitzstand besteht in mehr oder minder bedeutenden Domänen, Herrschaften, die ihnen, gleich wie den anderen weltlichen Besitzern, mit Nutz und Last zu Eigen sind, nur daß sie keiner Vererbung fähig sind, sondern als ein unzertrennlicher Körper fortzubestehen haben. Ihr Zweck ist noch heutzutage das gemeinschaftliche Leben unter einer bestimmten Ordensregel, die Seelsorge auf den Stiftspfarreien und das Lehrfach in den öffentlichen Schulanstalten. Ich will hier nur von dem Cisterzienserstifte Lilienfeld sprechen. Dasselbe liegt in Unterösterreich, im Viertel Oberwienerwald, welches den St. Pöltner Kreis in sich begreift, und die Herrschaft gleichen Namens erstreckt sich größtenteils im Gebirge über neun Quadratmeilen mit sieben Märkten, vielen Dörfern, Waldungen und 14 bis 15 Tausend Untertanen bis an die steiermärkische Grenze. Jenseits der Donau im Viertel Obermanhardsberg besitzt es auch noch die Herrschaft Unterdürnbach mit zwei Märkten und mehreren Dörfern und die kleine Abtei Marienberg in Ungarn. Mitglieder zählt es gewöhnlich über fünfzig, von welchen 24 in der Seelsorge auf eigenen Pfarreien und einige als Professoren der Theologie im Bernardinum zu Hl. Kreuz und als Professoren der Grammatik und der Humaniora zu Wiener Neustadt angestellt sind. Die Stiftsherrschaft übt die Jurisdiktion, Zivil- und Kriminaljustiz durch einen eigenen Justiziär auf der herrschaftlichen Kanzlei inner ihrer Grenzen aus, führt die landesfürstlichen Abgaben, sowohl eigene als auch jene der Untertanen an die landständische Kassa in Wien ab und verwaltet die Waisenkassa. Das weitläufige Stiftsgebäude mit einer herrlichen gotischen Kirche aus dem 13. Jahrhundert, mit der Prälatur, dem Konvent, vielen Gäste-und dem Kaiser, d.h. für den kais. Hof bestimmten Zimmern und den ökon. und anderen Gebäuden liegt in einer überaus reizenden Talgegend am Fuße der Alpen.

 

Der Ton, der in den meisten dieser österreichischen Stifte herrscht, ist nichts weniger als düster. Je nachdem in dem einen und dem anderen unter der Leitung eines tüchtigen Vorstehers der gute, nämlich die Frömmigkeit, Sitte, Anstand und Neigung zu wissenschaftlicher Beschäftigung zum Gemeingut wurde, sieht man dort alles in der gehörigen Ordnung vorwärts schreiten und freut sich des dauernden Segens, der ihr entquillt. St. Florian und Kremsmünster in Oberösterreich haben auch aus der letzteren Zeit hochgeachtete Schriftsteller aufzuweisen, nicht minder Melk, Klosterneuburg und Wien zu den Schotten im Unteren. Reichhaltige Bibliotheken bieten allen die nötigen Hilfsmittel. Übrigens ist die Verfassung eines solchen Stiftes, ich möchte beinahe sagen, eine republikanische unter einem selbstgewählten Präsidenten, denn obschon das Gelübde des Gehorsams die Mitglieder dem Stiftsoberen streng unterordnet, so vergessen sie es doch selten ganz, daß er durch ihre Wahl zu jener Würde erhoben wurde. Auch wird seine Macht bei wichtigeren Dingen, z.B. Kauf und Verkauf von Realitäten, durch Einfluß des Kapitels bei Einberufung sämtlicher, oder des größeren Teils der Kapitularen beschränkt, wozu übrigens auch die landesfürstliche Bewilligung eingeholt werden muß. In Hinsicht der Anstellungsfähigkeit zur Seelsorge hängen diese von der Approbation des Diözesanbischofs ab. –

 

Erst nach drei Monaten, nachdem nämlich mein Entschluß, in dem erwählten Stand und Orden zu verharren, in mir noch mehr befestigt war, gab ich meinen Eltern von demselben Kunde, die darüber anfangs nicht wenig betroffen waren, doch sich in der Folge meiner Zufriedenheit gewiß vollkommen beruhigten. Während des ein volles Jahr dauernden Noviziats war es mir außer dem Chor und einiger zum geistlichen Stande vorbereitenden Studien vergönnt, in den lateinischen Klassikern, die sich im Noviziatssaal in einem Schrank vorfanden, in den Nachmittagsstunden zu lesen. Ciceros sämtliche Werke, dann Livius, Sallustius, Tacitus, Terenz und Virgil, die ich früher nur aus einigen in den Schulbüchern enthaltenen Bruchstücken kannte, studierte ich mit ungemeinem Fleiße und nie empfundener Freude; doch war und blieb seitdem der ernste, große Menschenkenner Tacitus vor allen mein Liebling. Auch die Hl. Schrift Alten und Neuen Bundes las ich dort zum ersten Mal in ihrem Zusammenhange, und eine ganz neue Welt ging da vor meines Geistes Augen auf! Überhaupt wirkte dieses Probejahr, nach den überstandenen Stürmen in stiller Abgeschiedenheit mit Lektüre und ernstem Nachdenken zugebracht, sehr wohltätig auf mein Gemüt und meine nachherige Bildung. Nebstbei haben dort die Novizen die Aufgabe, in den Rekreationstagen zu ihrem künftigen Beruf der Seelsorge im Gebirge durch Ersteigung der steilsten Höhen sich zu üben und ihre körperliche Kraft zu erproben; auch darin fand ich volle Befriedigung meiner Freude an den Schönheiten der Natur. Im Verlaufe dieses Probejahres kam Denis, Kustos an der kais. Bibliothek in Wien, Österreichs berühmter Barde Sined, eigentlich der Barde der großen Kaiserin Maria Theresia, auf einer Reise nach Mariazell in das Kloster, und da der alte Novizenmeister sich etwas darauf zu Guten tat, solchen Fremden den Novizen, der nach seiner festsitzenden Meinung aus der algierischen Gefangenschaft kam, vorzustellen, so führte er ihn zu mir in das Noviziat. Denis sprach italienisch mit mir vor allem aufmunternd zur Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die mich auf meiner weiten Reise aus großen Leiden und Gefahren gerettet habe. Ich antwortete mit leiser Stimme ganz kurz: »Es ist gewiß, ich habe auf jener Reise viel ausgestanden«, – was im strengsten Sinne wahr gewesen ist. Mein alter Meister aber sprach, als sie sich entfernten, lachend zu ihm: »Wie ich es sagte, er hört es nicht gerne, wenn von jener Geschichte gesprochen wird!«

 

Nach dem überstandenen Probejahr kam ich Anfang November des J. 1793 in das bischöfliche Priesterseminar zu St. Pölten, wo ich während der drei folgenden Jahre Theologie studierte. Dort ward mir das Glück, an einem meiner Lehrer Anton Wohlfahrt, Mitglied des Cisterzienserstiftes von Wiener Neustadt und nachmaligen Abten desselben, dem das Bibelstudium und jenes der griechischen und orientalischen Sprachen oblag, einen wahrhaft väterlichen Freund zu finden, der mich besonders auszeichnete, mich in den Winterabenden nach dem Nachtessen mit auf sein Zimmer nahm und dort mit mir die trefflichsten, interessantesten Werke und Zeitschriften durchlas. Im zweiten Jahre des theologischen Lehrkurses trieb ich nebenher das Studium der französischen Sprache, verlegte mich aber mit besonderem Fleiß auf jenes der englischen (beides ohne einer fremden Anleitung), so daß ich in der Folge im Stande war, jedes auch noch so schwer verständliche Werk, wie z.B. Milton und Shakespeare, zu verstehen. Früher Tacitus, jetzt Shakespeare und später Homer waren die drei Autoren, denen mein Geist am tiefsten huldigte; doch dünkte mich Shakespeare das größte Genie aller Zeiten! Die dürftige Kenntnis der griechischen Sprache, in so weit sie nämlich in der Schule zum Verständnis der Bücher des Neuen Bundes nötig war, diente mir zur Grundlage, sie mir später auch zum Lesen der griechischen Klassiker eigen machen zu können.

 

Im zweiten Jahre des theol. Lehrkurses versuchte ich, gegen den Winter hin einige Lieder in Form eines Rundgesanges zu schreiben, die wir dann, einige 60 Studierende, in den Erholungsstunden gewöhnlich nach dem Nachtessen im Billiardzimmer ringsher an der Wand sitzend unter Begleitung eines Violoncello laut und munter absangen. Eines davon, so weit ich mich dessen erinnere, begann mit den Worten: »Schön ist's, Brüder, uns hier zu erfreuen, wenn die Freud' uns hellen Blickes winkt, u.s.w.« Diese Freude sollte uns, versteht sich, nur zum Guten dienen, daher war auch ihr Besingen von unseren Vorgesetzten und Lehrern, die uns manchmal zuhörten, gebilligt. Auch aus andern Stiften der St. Pöltener Diözese, Benediktiner aus Göttweig und Altenburg, Cisterzienser aus Zwettl und reg. Chorherren von Herzogenburg befanden sich damals als angehende Theologen mit mir im bischöflichen Seminar. Einer von diesen, ein sehr geistreicher junger Mann, gab uns zuweilen nach dem vollendeten Rundgesang noch eine scherzhafte Novelle zum Besten. Eines Abends hörte ich zu meinem großen Erstaunen die Erzählung meiner algierischen Gefangenschaft, wie er sie aus den Mitteilungen meines alten Novizenmeisters an mehrere Stiftsmitglieder erfahren hatte, aber, versteht sich, mit mehreren...

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