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E-Book

Mein wildes Jahr

Zwei Tage Ehe, fünf Tage Sex

AutorRobin Rinaldi
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641125585
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Journalistin über ihr erotisches Abenteuer: zwei Tage Ehe, fünf Tage Sex
Eine Frau Anfang vierzig, attraktiv, erfolgreich, seit 16 Jahren mit einem Mann verheiratet, der ihren Kinderwunsch nicht erfüllen will - nun steht sie vor der Frage: War es das jetzt? Genügt mir dieses gesicherte Leben? Oder sind zu viele Wünsche und Sehnsüchte unerfüllt geblieben? Um das herauszufinden, schlägt die Journalistin Robin Rinaldi ihrem Mann vor, ein Jahr lang die Wochenenden als Ehepaar zu verbringen, den Rest der Woche aber können sie beide ihre Träume und ungestillten Begierden ausleben. Schonungslos offen erzählt sie von ihren erotischen Abenteuern, aber auch von ihrem Ringen um Selbstfindung und Selbstbestimmung. Sie berichtet, wie die Erfahrungen dieses Jahres ihr Leben bereicherten, was sie bei diesem Experiment aber auch aufs Spiel setzte und was sie verlor.

Robin Rinaldi wuchs in einer kleinen Stadt in Pennsylvania auf, die als 'Pizzahauptstadt der Welt' gilt, verbrachte aber die meiste Zeit ihres Lebens in Kalifornien. Sie war Zeitschriftenredakteurin und Journalistin mit einer kultverdächtigen Beziehungs-Kolumne. Sie schrieb u. a. für The Oprah Magazine, Saveur und Philadelphia Weekly. Mein wildes Jahr ist ihr erstes Buch. Sie lebt in Los Angeles.

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Leseprobe

1.
Die Schwelle

Es war einer der seltenen lauen Abende in San Francisco. An den breiten Fenstern der Bar im ersten Stock, von der man das ganze Castro-Viertel im Blick hatte, rannen Regentropfen herab und ließen die Neonreklamen und die Scheinwerfer verschwimmen. Als sich die Büros zum Wochenende leerten, wurde die Bar voller, der DJ drehte die Musik lauter, der Kellner servierte die erste Runde kälteschwitzende Margaritas. Ich war die einzige Frau und die einzige heterosexuelle Person im Raum. Mein Freund Chris, den ich liebevoll meinen Schwulen-Ehemann nannte, unterhielt sich mit seinen Kumpeln. Ich holte mein Handy aus der Tasche und drückte auf Pauls Namen.

Das machte ich, ohne vorher darüber nachzudenken. Die paar Schluck Margarita taten wahrscheinlich ihr Übriges, aber um ehrlich zu sein, war die Gelegenheit an dem Abend einfach zu günstig. Es war noch früh, mein Mann wusste, dass ich mit meinem schwulen Freund unterwegs war, und rechnete erst in ein paar Stunden wieder mit mir. An diesem Freitagabend im Juli 2007 hatte etwas in mir – etwas Verborgenes, das aber so willensstark war, dass es mich zum Handy greifen ließ – das Gefühl geweckt, alles tun zu dürfen, wozu ich Lust hatte. Während ich mit dem Handy beschäftigt war, spürte dieser verborgene Teil in mir gewissenhaft die Veränderungen in meiner Ehe bis zu diesem Abend nach.

Was machst du gerade?, simste ich.

Lieg auf dem Sofa und schau fern.

Kann ich vorbeikommen?

Fünf Minuten lang keine Antwort. In der Zeit überfielen mich abwechselnd der prickelnde Schauer eines »Ja« und die Erleichterung eines »Nein«.

Ja. 2140 Jackson.

Die leuchtend blauen Zeichen »2140 Jackson« gaben eine elektrisierende Spannung ab, die sich meinen Arm hinaufzog und meine Brust von innen zum Glühen brachte, als hätte ich die Kombination zu einem Banksafe erhalten oder einen feindlichen Geheimcode geknackt.

Ich brauchte Zuspruch. Ich zog Chris beiseite und zeigte ihm die SMS. Er wusste, dass ich seit einiger Zeit in Paul verknallt war. Er kannte meinen Mann Scott und mochte ihn auch, doch in seiner Welt – dem Mikrokosmos schwuler Männer in San Francisco – bedeutete für Paare, die wie Scott und ich seit siebzehn Jahren zusammen waren, eine Affäre nicht unbedingt eine Katastrophe. Viele von Chris’ Freunden gaben hin und wieder ihrer Schwäche für jemand anderen nach, ohne dadurch ihre feste Beziehung aufs Spiel zu setzen.

Er sah vom Handydisplay zu mir. »Bist du dir sicher?«

»Nein, überhaupt nicht«, sagte ich. Mein Blick wanderte zur Tür. Ich zog meinen Regenmantel an.

»Hör mal«, sagte er und hielt mich am Ellbogen fest, wie ein Football-Coach, der am Spielfeldrand einem Anfänger Anweisungen erteilt. »Lass dir Zeit. Du kannst jederzeit Stopp sagen.«

»Okay. Jetzt muss ich los.«

»Schick mir nachher eine SMS, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.«

Draußen ging ich durch ein Meer von Schirmen zum Rand des Bürgersteigs und streckte den Arm aus. Ich würde bestimmt zwanzig Minuten warten müssen, bis eines der wenigen in San Francisco zugelassenen Taxis hielt. Im nächsten Moment blinkte ein Fahrer und fuhr an den Straßenrand. Ich nannte ihm die Adresse.

Das Fenster war beschlagen. Ich öffnete es und sah in den sternenlosen, drückenden Himmel hinauf. Die Straßen glänzten vor Nässe, als wir die Divisadero Street hinauffuhren, die die Stadt in eine östliche und eine westliche Hälfte teilt. Während die Häuser an mir vorbeizogen, ging ich in Gedanken noch einmal zurück, überlegte, ob ich meine Entscheidung rückgängig machen sollte, bevor ich mein Leben zerstörte.

Ich kannte Paul schon seit ein paar Jahren. Er war fünf Jahre jünger als ich und hatte immer mit mir geflirtet, was mir völlig harmlos erschienen war, bis zu dem Abend vor einem halben Jahr. Ich hatte ihn und ein paar andere zu einer Party der Zeitschrift, bei der ich arbeitete, eingeladen, einer der Abende in einem Fünf-Sterne-Hotel, wo wegen der kostenlosen Getränke jeder schnell beschwipst ist. Ich unterhielt mich gerade mit jemandem, als Paul mich mit den Fingerspitzen leicht am Unterarm berührte und mich unterbrach. »Ich glaube, du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe«, sagte er und musterte mich ganz unverhohlen. Weil er Scott kannte und weil ich wusste, dass er ein gutherziger Frauenheld war, versuchte ich, sein Kompliment nicht ernst zu nehmen. Ich hatte schon öfter gehört, dass ich ganz gut aussah, manchmal sogar hübsch, aber als schön hatte mich noch kein Mann bezeichnet. Wider Willen fühlte ich mich geschmeichelt.

Und vor zwei Monaten war mir Paul beim Packen für eine Reise nach Mexiko plötzlich ungebeten in den Sinn gekommen. Ich wusste noch genau, in welchem Moment. Ich legte gerade meinen Bikini in den Koffer und dachte mit einer gewissen Trauer, dass die Zeiten, in denen ich einen Zweiteiler tragen konnte, bald vorbei wären. Trotzdem, sagte ich mir, Paul würde viel drum geben, mich in dem zu sehen.

Und dann war da noch die Taxifahrt vor drei Wochen. Paul und ich hatten uns nach ein paar Drinks mit Bekannten in einer Kneipe zu zweit ein Taxi genommen. Sobald ich im Wagen saß, brauchte ich mich nur zurückzulehnen und zu warten. Ich überließ mich der Stille, die sich über den Rücksitz legte, sah zum Fenster hinaus und spürte seinen Blick auf mir. Sobald ich mich zu ihm umdrehte, fiel er über mich her und presste mich gegen den Sitz. Sein Mund auf meinem. Seine große Hand um meinen Nacken. Was mich genauso erregte wie der Kuss selbst, war, dass er nicht fragte, die Art, wie seine Augen sich verengten, wie er meine Lippen fixierte. Es dauerte nur ein paar Sekunden. Als das Taxi vor dem Haus hielt, in dem ich wohnte, entzog ich mich seinem Griff und lief hinein. Dabei sagte ich mir unaufhörlich: Es war nur ein Kuss.

Als ich mich jetzt im Taxi den verschachtelten Läden entlang der Divisadero Street näherte und sie dann wieder im nassen Zischen der nächtlichen Straße verschwanden, warf ich einen Blick auf die zerfurchte Stirn des Fahrers im Rückspiegel. Ich sollte ihn bitten anzuhalten. Ich steckte in einer Midlife-Krise. Ein Klischee. Ich würde aussteigen, durch Pacific Heights laufen und meinen Kopf lüften. Ich sollte auf meine erprobte Intuition hören, der ich mein ganzes bisheriges Leben gefolgt war, und dem Fahrer sagen, dass er umkehren und nach Castro zurückfahren sollte, zu meiner gemütlichen Wohnung, wo mein Mann mit einem Buch und einem Glas Wein wartete.

Vielleicht stellen Sie ihn sich jetzt, nach den ersten Seiten, schon vor und machen sich Gedanken, was mich zu dieser Eskapade veranlasst haben könnte: dass er ein Trottel war, dass es in unserer Ehe am Sex fehlte. Es spricht nicht für mich, sagen zu müssen, dass keines von beiden stimmte. Scott hatte seine Schwächen, aber er liebte mich, und ich liebte ihn.

Möglicherweise denken Sie aber auch, dass ich in diesem Taxi saß, weil ich schlicht und ergreifend ein Flittchen bin. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, mit Ausnahme einer sehr traditionellen Freundin war ich in meinem Bekanntenkreis die Dreiundvierzigjährige mit der wenigsten Erfahrung, eine Erstgeborene, ein allzu verantwortungsvolles braves Mädchen, das zeit seines Lebens monogam gewesen war. Wobei ich mit »brav« weder prüde meine noch besonders zuvorkommend oder großzügig. Ich hatte mit einigen Männern geschlafen – vier, um genau zu sein, einschließlich Scott –, Sex machte mir Spaß. Was ich meine, ist, dass ich schreckliche Angst hatte, etwas falsch zu machen oder irgendjemandem zu schaden. Etwas Böses zu tun, kostete mich große Überwindung, mit meinen guten Taten buhlte ich vor allen Dingen um Anerkennung. Es fiel mir schwer, meine Impulse auszuleben. Bis jetzt.

Als der Fahrer von der Divisadero in die Jackson abbog, summte mein Handy den Signalton für eine SMS.

Soll ich eine Flasche Wein aufmachen?

Ohne zu zögern tippte ich Unbedingt, und in meinem Bauch begann es erwartungsvoll zu kribbeln. Ich trieb auf einer merkwürdigen, mir fremden Woge dahin, und deren bloße Energie, die überraschende Erkenntnis, dass es doch noch eine innere Dynamik gab, erfüllte mich mit solcher Freude, dass ich mich einfach von ihr mitreißen ließ.

In den regennassen Wohnstraßen am Rand von Pacific Heights war es dunkel und still. Ich bezahlte den Taxifahrer und stand auf dem Absatz vor Pauls Haustür. In der Ferne tutete das Nebelhorn seine Warnung in die kalte, schwarze Bucht hinaus. Ich hob die Hand, um zu klingeln, dann zögerte ich. Der Zustand meiner Ehe rechtfertigte nicht, dass ich jetzt hier stand. Doch eine aufsässige Stimme redete mir gut zu, versicherte mir, ich bräuchte keine Genehmigung mehr, für nichts, vielmehr sei es an der Zeit, ein paar Regeln zu übertreten und zu sehen, wohin mich das führte. Beflügelt von einer halben Margarita und einem Schwall Adrenalin, hielten sich die abgründigen und die vernünftigen Gedanken in meinem Kopf die Waage.

Aber mein Körper hatte jegliches Interesse an aristotelischer Logik verloren. Irgendwie war er aus seinen üblichen Schranken ausgebrochen, um eigenmächtig zu handeln, und zwar zum ersten Mal seit … wie lange? Ich wusste es nicht. Vielleicht zum ersten Mal überhaupt.

Ich drückte die Türklingel.

Damit begann der Weg, auf dem ich vom Pfad der Tugend abwich. Wenn ich diesen Weg jetzt beschreibe, kann man die Geschichte als Manifest der Freiheit oder auch als...

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