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E-Book

Meine dritte Chance

Warten auf ein Spenderorgan

AutorKilian Bedin
VerlagAthesia
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9788868390952
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Transplantation von Organen bedeutet für viele Menschen die letzte Chance. Das Warten auf ein geeignetes Spenderorgan dauert in der Regel in Südtirol etwa 4 Jahre. Eine lange Zeit, die für den betroffenen Patienten geprägt ist von Bangen, Schmerzen und Entbehrungen. Kilian Bedin ist einer von diesen betroffenen Menschen. Er lebt den harten Alltag eines Dialysepatienten, mit Hoffnungen und Ängsten - und dem Wunsch, dass möglichst wenige Menschen davon etwas mitbekommen. Bis er beschließt, ein Buch zu schreiben.

Kilian Bedin lebt und arbeitet in Bozen.

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Leseprobe

LEBEN MIT MAMAS NIERE


Der Neuanfang


Der Wecker läutet, ich stehe auf. Seit ich transplantiert bin, ist mein Tagesverlauf vor dem Frühstück immer der gleiche. Zuerst gilt es, die Blase zu entleeren und die Urinmenge zu erfassen. Dann der Gang zur Waage. Ich muss nämlich sehen, ob der Wasserhaushalt passt und die Niere meiner Mutter gut funktioniert. Super! Ein- und Ausgang gleichen sich fast aus, alles noch im Lot. Endlich geht’s zum Frühstück.

Natürlich muss auch das Frühstück detailliert aufgeschrieben werden, damit ich den Wasserhaushalt beobachten kann. Ein Apfel, zwei Knäckebrote mit Butter und Marmelade und ein Glas Orangensaft sollen es heute sein. Anschließend nehme ich noch die vorgeschriebenen Medikamente, und der Tag kann beginnen.

Ich soll immer noch große Menschenansammlungen meiden bzw. mit Mundmaske zirkulieren. Aber heute muss ich zumindest nicht zur Kontrolle ins Krankenhaus, daher steht eine Wanderung im Montiggler Wald an. Bewegung tut einfach gut.

Während meiner Wanderungen um die Montiggler Seen – und das beobachte ich letzthin öfters – plane ich fast unbewusst schon meine nächsten Schritte in die „Freiheit“. Urlaub, endlich wieder Urlaub. Ich warte schon ein Jahr darauf.

Ich muss mich noch gedulden, denn ich bin zu stark infektionsgefährdet und muss zudem dreimal in der Woche zur Kontrolle in die Nephrologie im Krankenhaus. Anfang Juni 2003 ist es dann so weit: Die Kontrollen haben sich auf einmal monatlich reduziert, das Immunsystem hat sich stabilisiert, und die Mundmaske muss ich auch nicht mehr tragen.

Ich und Vera, sie ist schwanger, fahren für drei Wochen nach Apulien.

Vor dem Start bekomme ich von meinem Arzt Dr. Giacon noch eine Serie von Empfehlungen und Hinweisen mit auf den Weg, wie ich mich beim Auftreten verschiedener Symptome – hohes Fieber, geschwollene Knöchel, hoher Blutdruck –verhalten soll bzw. an wen ich mich in Lecce wenden kann, sollte ich das Gefühl haben, die Niere würde nicht ausreichend arbeiten, wie sie eigentlich müsste. Dann bestünde die Gefahr einer Abstoßung des transplantierten Organs.

Die Vorfreude auf diesen Urlaub ist so groß, dass ich, obwohl relativ frisch transplantiert, alle Komplikationen, die auftreten könnten, vollkommen verdränge.

Geplant ist, die lange Reise durch Italien mit Zwischenstopp kurz unter Bari in zwei Tagen zu bewältigen. In Torre Vado, dem Nachbardorf des südlichsten Ortes Italiens, Santa Maria di Leuca, angekommen, die erste Aufregung: Seit zwei Tagen habe ich mich aufgrund der Fahrt nicht gewogen und daher den Wasserhaushalt nicht mehr kontrolliert. Ich suche eine Apotheke auf und stelle mich gleich auf die Waage, gewissermaßen nur, um mein gutes Gefühl zu bestätigen, dass die Niere gut läuft, denn ich hatte während der Fahrt eigentlich regelmäßig Wasser lassen können.

Zu meinem Schreck zeigt die Waage ein Gewicht an, das um einiges mehr ist als mein Gewicht beim Starten. Ich grüble. Ist es vielleicht die Kleidung? Habe ich zu viel Salziges gegessen? Habe ich zu viel getrunken? Oder, ich will es gar nicht aussprechen, arbeitet die Niere nicht mehr?

Jetzt gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich informiere Vera, und beide entscheiden wir, nicht hastig vorzugehen, sondern zunächst in die Wohnung zu fahren, um mich von der Reise ausruhen zu können. Einmal wollen wir darüber schlafen, um mich am darauf folgenden Tag noch einmal zu wiegen. In unserer Ferienwohnung angekommen, messe ich als Erstes den Blutdruck. Ist er zu hoch, könnte tatsächlich das Problem an der Niere liegen. Aber der Blutdruck passt. Perfekt. Jetzt kann ich schon viel ruhiger schlafen.

Am nächsten Morgen wache ich auf, und mein Körpergefühl sagt mir, dass sich alles eingependelt hat. Während der Nacht musste ich nämlich einige Male Wasser lassen, und ich bin mir sicher, dass der Wasserhaushalt wieder stimmt. Die Bestätigung kommt einige Minuten später in der Apotheke. Wie am Tag zuvor steige ich leicht angespannt auf die Waage. Das Gewicht passt. Mir fällt ein großer Stein vom Herzen.

Die zweite Aufregung in diesem Urlaub betrifft nicht mich, sondern Vera. Am Strand wird sie am Fuß gestochen. Sie hat nicht mitbekommen, was es war. Aber sie ist schwanger. Vorsichtshalber ging es wieder zur Apotheke von Torre Vado, zum Glück wird auch diesmal Entwarnung gegeben.

Letztlich sind die drei Wochen für Vera und mich wunderschön. Ich werde diesen Urlaub aufgrund dessen, dass Vera unsere erste Tochter, Sarah, erwartete und es der erste Urlaub nach der Transplantation war, niemals vergessen.

Nach sechs Monaten Krankenstand kann ich wieder zur Arbeit gehen. Ein eigenartiges Gefühl, aber wichtig für meinen Neustart. Ich darf und muss leicht Sport betreiben, kann essen, was ich will, und trinken, so viel ich will. Welch wunderbares Gefühl!

Unvorstellbar, ich muss auf nichts mehr aufpassen, außer auf die regelmäßige Einnahme der Medikamente und auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Bei den Arzneien handelt es sich um Kortison, blutdrucksenkende Mittel und Medikamente, die das Immunsystem hemmen und somit die Abstoßung der Spenderniere verhindern.

Achtsam müsste ich lediglich dann sein, sobald ich höheres Fieber bekommen würde. Ich solle dann sofort den Arzt kontaktieren. Jeder Infekt könnte eine Abstoßung des transplantierten Organs zur Folge haben. Niemals krank werden, wäre am besten.

Alsbald bin ich konditionell wieder so weit, dass ich mit dem Rad auf das Stilfser Joch fahren kann. Das ist eines jener Ziele, das ich mir nach der Transplantation vorgenommen habe. Schlussendlich bin ich dreimal auf das Stilfser Joch getreten – das erste Mal vor der Dialyse, das zweite Mal während der Dialyse und das dritte Mal als Transplantierter. Ratet mal, wann ich die schnellste Zeit gefahren bin? Wie kann es anders sein, mit der Niere meiner Mami!

Ich frage mich immer wieder, wie meine Mutter diese für uns und unsere Familie schwierige Zeit erlebt hat?

Etwas Schöneres gibt es nicht

Ich hätte nie gedacht, dass es bei Kilian so weit kommen wird, dass er in seinem Leben die Niere eines anderen brauchen wird. Mein Sohn war so sportlich, glücklich mit Vera, seiner Freundin und jetzigen Frau, immer zu Späßen aufgelegt. Als mir der Arzt sagte:

„Wir können nichts mehr tun“, war das schrecklich, und ich habe lange und oft geweint. Dann auch noch seine Hochzeitsreise nach Australien! Ich hatte furchtbare Angst, dass meinem Sohn etwas zustoßen könnte. Die Krankheit war schon fortgeschritten. Hinzu kommt, dass der Flug ausgerechnet am 11. September 2001 stattfand. Nachdem man anfänglich nicht wusste, welche Flüge betroffen waren, habe ich mir eingebildet, dass sicherlich der Flieger von Kilian und Vera involviert sei. Erst mit dem erlösenden Anruf aus Australien,

„Wir sind angekommen!“,

habe ich mich beruhigt. Ich kann nicht beschreiben, wie mir in diesem Moment zumute war, ich war einfach froh, glücklich und erleichtert.

Von der Hochzeitsreise zurück hat es nicht mehr lange gedauert, und Kilian musste zur Dialyse. Kurz darauf ist mir erstmals der Gedanke gekommen, ich könnte doch dem Kilian eine meiner Nieren spenden. Darüber habe ich dann mit den zuständigen Ärzten gesprochen, die mich darauf hinwiesen, dass vorab die Kompatibilität zwischen uns beiden geklärt werden müsse.

Nach einigen Wochen haben sie mir mitgeteilt, dass ich Kilian die Niere geben kann. Das hat mich sehr glücklich gemacht, denn dem eigenen Sohn zu helfen, ist wunderschön. Ich glaube, etwas Schöneres gibt es nicht. Ich muss dazu sagen, dass ich für beide Söhne alles tun würde, damit sie nicht leiden müssen und ein feines Leben haben. Vielleicht bin ich manchmal zu viel besorgt, aber so bin ich, und ich werde mich auch nicht mehr ändern. Zudem gibt es jetzt Enkelkinder, die mir sehr am Herzen liegen und die ich sehr liebe.

Nachdem feststand, dass ich Kilian meine Niere geben kann, habe ich ihn gefragt, ob er damit einverstanden sei. Im ersten Moment hat er Nein gesagt. Es hat aber nicht lange gedauert, und ich habe ihn überzeugen können. Nach dieser Entscheidung musste ich zehn Tage ins Krankenhaus, um mich untersuchen zu lassen. Herz, Lunge, Brust, Magen, Nieren, Leber und Kopf waren zum Glück in Ordnung. Sogar ein Psychologe wurde mir zur Seite gestellt. Dieser hatte keine bessere Frage auf Lager als: „Wollen Sie wirklich eine Niere spenden?“

Ich war schockiert. Was ist das für eine Frage?

Im Oktober 2002 war es dann so weit. Die Transplantation sollte am 3. Oktober über die Bühne gehen. Wir sind einen Tag vorher nach Innsbruck gefahren. Ich kann mich gut daran erinnern. Am Abend vor der Operation saßen wir auf einer Stiege im Krankenhaus und Kilian fragte mich:

„Fahren wir heim?“

„Was fällt dir ein? Das ziehen wir jetzt durch.“

Dann kam der Morgen. Angst hatte ich überhaupt keine, aber für meinen Sohn habe ich gebetet, dass alles gut geht und dass meine Niere ihm hilft, ein normales Leben führen zu können.

Dann gab es die erste Spritze, und ich wurde in...

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