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E-Book

Meine Liebe findet dich

Der Wegweiser für Trauernde

AutorRoland Kachler
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl528 Seiten
ISBN9783451802805
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Roland Kachler hat nach dem Unfalltod seines Sohnes einen neuen Weg in der Trauerarbeit entwickelt: Nicht das Loslassen, sondern die Liebe zum Verstorbenen steht im Zentrum des Trauerprozesses. Der Autor beschreibt den Weg durch die Trauer hin zur Liebe und zu einer neuen Beziehung zum Verstorbenen. Zahlreiche Menschen haben in den 3 Büchern von Roland Kachler einfühlsame Trauerbegleitung gefunden. Nun ist das Standardwerk in einem Band erhältlich.

Roland Kachler, Dipl.-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Evangelischer Theologe, arbeitet in Stuttgart an der Landesstelle für Psychologische Beratungsstellen und in eigener therapeutischer Praxis. Er hat infolge der Verlusterfahrung durch den Tod seines Sohnes einen neuen Traueransatz entwickelt. Diesen beschreibt er in dem Buch 'Meine Trauer wird dich finden', das sich bereits über 65.000 Mal verkauft hat.

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Leseprobe

1 Trauern – mehr als Abschiednehmen!


»Meine Liebe zu dir will bleiben«

Loslassen ist nicht nötig – Der Abschied von einem Dogma der Trauerpsychologie


Ich stehe am offenen Grab. Die Sargträger ziehen die Hölzer unter dem Sarg weg, die Seile spannen sich. Dann lassen sie den Sarg langsam ins Grab. Ich weiß, dass in diesem Holzkasten mein Sohn liegt. Nun wird es endgültig sein: Mein Sohn ist nicht mehr da. Er ist nicht mehr bei mir. Mein Entsetzen ist so groß, dass ich nicht begreife, was hier eigentlich passiert.

Das ist der letzte Abschied. Ich muss scheiden von meinem Sohn, und er von mir. Ich muss unter-scheiden, zwischen mir, dem Lebenden, und meinem Sohn, dem Toten. Ich muss loslassen. Meinen Sohn aus den Händen geben. So sagt es der Pfarrer am Grab, so sagt es die derzeitige Trauerliteratur.

Doch in meiner eigenen Trauer spüre ich mehr denn je: Ich will nicht Abschied nehmen, loslassen schon gar nicht. Ich weiß natürlich, dass mein Sohn nicht mehr lebt und deshalb leiblich nicht mehr greifbar ist. Und dennoch und gerade deshalb möchte ich ihn nicht verlieren, sondern weiterhin eine Beziehung mit ihm leben – natürlich eine Beziehung, die anders aussieht als die zu einem lebenden Menschen.

Deshalb geht es mir in diesem Buch um ein neues Modell des Trauerns. Ein Modell, das dem Hinterbliebenen hilft, mit dem Verstorbenen und nicht ohne ihn zu leben. Nicht das Loslassen steht im Zentrum, sondern die Liebe zum Verstorbenen, die weiter reicht. Auch wenn der Tod das Leben des Verstorbenen beendet, die Liebe des Hinterbliebenen beendet er nicht.

Der Tod verändert nur die Beziehung zum Verstorbenen. In der Liebe des Hinterbliebenen lebt diese Beziehung weiter!

Es geht eben nicht nur um Loslassen und Abschiednehmen, auch wenn das nach der gültigen Trauerpsychologie das Ziel jeder Trauer ist und sein soll. Die Trauer, so der wissenschaftliche Konsens, ist die Emotion des Abschieds. Die Trauer hilft dem Hinterbliebenen, den Verstorbenen loszulassen. Diesen die ganze Trauerpsychologie auch heute noch bestimmenden Grundgedanken formulierte Sigmund Freud schon 1913 in seiner Schrift »Totem und Tabu« wie folgt: »Die Trauer hat eine ganz bestimmte psychische Aufgabe zu erledigen, sie soll die Erinnerungen und Erwartungen der Überlebenden von den Toten ablösen« (Freud, Gesammelte Werke, Bd. IX, S. 82). In seiner für die Psychologie der Trauer sehr einflussreichen Schrift »Trauer und Melancholie« (Freud, Gesammelte Werke, Bd. X) vertieft Freud diesen Ansatz weiter. Die Ablösung erfordert vom Trauernden sehr viel Energie. Deshalb wird dieser Prozess von Freud als »Trauerarbeit« beschrieben. Die bisherige Trauerpsychologie empfiehlt daher nachdrücklich:

  • Lerne den Tod des Verstorbenen als Realität zu sehen!
  • Akzeptiere, dass der Verstorbene nicht mehr da ist!
  • Lasse den Verstorbenen los!
  • Nimm Abschied von ihm und dem bisherigen gemeinsamen Leben!
  • Lerne ohne den Verstorbenen zu leben!
  • Baue ein neues Leben ohne den Verstorbenen auf!

Auch ich habe als Psychotherapeut immer in diesem Sinn beraten: »Nehmen Sie Abschied! Lassen Sie los. Beerdigen Sie Ihren Angehörigen. Suchen Sie nach neuen und anderen Lebenszielen und nach neuen Beziehungen.« Oft habe ich den Betroffenen Abschiedsrituale vorgeschlagen, in der Hoffnung, dass der Trauernde »endlich« loslassen kann.

Ich habe natürlich wahrgenommen, dass Trauernde sich dabei nicht richtig verstanden fühlten und sich nicht selten gegen mein Drängen auf Loslassen wehrten. Aber ich dachte, das sei ein vorübergehender Widerstand und der Betroffene sei noch nicht »so weit« für dieses Abschiednehmen. Mithilfe der Psychotherapie sollte er zum Loslassen gelangen, schließlich meinte ich als Psychologe zu wissen, was in der Trauerarbeit nötig und hilfreich ist. Dabei argumentierte ich durchaus in Übereinstimmung mit der gesamten Trauerliteratur. Ich wusste es nicht besser. Ich selbst hatte bis dahin keinen eigenen schweren Verlust erlebt und kannte von daher die tiefen Gefühle von Trauernden nicht aus eigener Erfahrung.

Die kleinen, weniger schweren Verluste, die ich bis dahin erlebt hatte, waren im Loslassen durchaus bewältigt. Für leichtere Verluste mögen die bisherigen Trauermodelle und Empfehlungen ausreichen. Nicht aber für schwere, schmerzliche Verluste von sehr nahestehenden Menschen.

So fühlte ich mich in meiner eigenen Trauer um meinen Sohn dann auch von der gängigen Trauerliteratur nicht verstanden. Wirkliche Hilfe erfuhr ich dort nicht. Im Gegenteil: Mein Ärger über die Psychologie, über die Trauerratgeber wurde immer größer. Warum wird dort meine ungeheure Sehnsucht nach meinem Sohn nicht gesehen, geschweige denn verstanden? Warum wird dort nicht akzeptiert, dass ich nicht loslassen will? Ich will doch festhalten, natürlich nicht den Toten, der vor mir im Sarg liegt, nicht den Leichnam. Aber etwas anderes – nämlich das Wesen, die Gestalt, die Person, das Du des geliebten Menschen. Warum hilft dazu die Trauerliteratur nicht? Warum unterstützt sie mich nicht dabei, eine andere, neue, aber nicht weniger intensive Beziehung zu meinem Sohn zu finden?

Für diese Sehnsucht nach einer inneren Beziehung möchte ich Hilfestellungen geben, nicht zum Loslassen! Und ich weiß inzwischen, dass viele Trauernde genau darin Begleitung suchen, von der Trauerpsychologie in dieser Hinsicht aber alleingelassen werden.

Deshalb schreibe ich dieses Buch – als Hilfe für andere Menschen in diesem ganz anders verstandenen Trauerprozess und als Beschreibung meines eigenen Weges zu einer neuen Beziehung zu meinem Sohn. Dafür habe ich mich von den gängigen Vorstellungen der Trauerpsychologie gelöst und mich meinen eigenen Erfahrungen überlassen. Ich habe mit anderen Trauernden geredet, deren Verlust zwei, acht oder über zwanzig Jahre zurückliegt. Immer wieder habe ich bei mir und anderen entdeckt, dass die Beziehung zum Verstorbenen nicht zu Ende ist. Sie geht weiter, anders zwar, aber nicht mit weniger Nähe, nicht mit weniger Liebe – im Gegenteil.

Wie erleichtert war ich, als ich dann bei meinen Recherchen auf neuere amerikanische Trauerliteratur stieß, in der ich mich in meinen Erfahrungen bestätigt sah. Dennis Klass und dessen Kollegen (Klass, Silverman und Nickman, 1996) haben in vielen empirischen Untersuchungen gezeigt, dass trauernde Eltern oder trauernde Geschwister, Witwer und Witwen und trauernde Partner die Beziehung zum Verstorbenen weiterleben.

So wurde mir mehr und mehr deutlich: Trauern ist nicht nur die Emotion des Abschieds, sondern Trauer ist das Gefühl, das Hinterbliebenen hilft, eine neue Beziehung zum Verstorbenen zu finden.

Ihr Widerstreben gegen das Loslassen ist in Ordnung. Nehmen Sie sich hier in Ihren Gefühlen und Wünschen ernst, was immer auch Trauerratgeber oder andere wie Psychologen, Ärzte, Angehörige oder Freunde sagen mögen.

Ihre Gefühle sagen Ihnen richtigerweise: Loslassen und Abschiednehmen ist nur ein Teil des Trauerns – aber nicht alles!

Muss ich die Liebe zurücknehmen?


In der Trauer drücken wir unseren Schmerz darüber aus, dass der geliebte Mensch nicht mehr leiblich da ist. Die Liebe, die ich diesem Menschen geschenkt habe, lässt sich mit ihm nicht mehr leben, jedenfalls nicht mehr in konkreter Form. Und umgekehrt werde ich von ihm auf diese Weise auch nicht mehr geliebt.

Die Trauerpsychologie hat daraus in der Nachfolge Freuds die Schlussfolgerung gezogen, dass wir unsere Liebe zum Verstorbenen zurücknehmen müssen. Die Liebe wird in der psychoanalytischen Theorie »Libido« genannt und als psychische Energie verstanden. Diese lassen wir dem anderen zufließen und mit ihr besetzen wir den anderen. In wichtige Beziehungen investieren wir also Energie in Form von Zuwendung und Engagement. Bei einem Verlust läuft diese Energie nun sozusagen ins Leere und findet keine Resonanz mehr. Deshalb muss der Trauernde diese Energie vom Verstorbenen abziehen und zurücknehmen. Auch dies ist ein wichtiger Teil der viel beschworenen Trauerarbeit. Hat der Trauernde seine Libido nun wieder zur eigenen Verfügung, ist er von der alten Beziehung frei und kann seine Liebesenergie in andere Beziehungen hineingeben.

Verstärkt wurde dieser Ansatz von der Bindungstheorie, die John Bowlby (Bowlby, 1983) entwickelt hat. In allen menschlichen Beziehungen, insbesondere zu geliebten Menschen, verwirklicht sich das angeborene Bedürfnis nach Bindung. Bowlby hat bei Tieren und Kindern, die von ihren Eltern getrennt wurden, beobachtet, dass sich diese nach anfänglichem Protest, nach Verzweiflung und Trauer mit dem Verlust abfinden. Er hat aus diesen Verhaltensbeobachtungen ganz ähnlich wie die Psychoanalyse geschlossen, dass die Trauer ihre Funktion darin hat, den Verlust zu akzeptieren und die Bindung aufzulösen.

Die Trauerpsychologie empfiehlt in der Nachfolge der Psychoanalyse und der Bindungstheorie deshalb den Trauernden Folgendes:

  • Spüre in der Trauer, dass deine Liebe ins Leere geht.
  • Realisiere, dass das Gegenüber deiner Liebe nicht mehr da ist.
  • Lasse deine Wut darüber zu. Sie hilft dir, dich vom Verstorbenen zu distanzieren und zu lösen.
  • Ziehe deine Liebesenergie ab, löse die emotionale Bindung zum Verstorbenen.
  • Nimm deine Liebe zu dir zurück.
  • Nutze die frei gewordene Energie für dich oder bringe sie in neue Beziehungen und Bindungen ein.

Auch hier wird wieder eine fundamentale Erfahrung vieler Trauernder übersehen: Zwar kann die Liebe nicht mehr konkret gelebt werden, aber sie geht nicht ins Leere. Der Verstorbene bleibt als Gegenüber in Erinnerungen...

Blick ins Buch

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