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E-Book

Meine Türkisch-Deutsche-Jugend

AutorCem Erkin
VerlagBookRix
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl299 Seiten
ISBN9783743898882
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
?yi günler   Das heißt 'Guten Tag' auf Deutsch; für diejenigen, die kein Türkisch können.   Mein Name ist Cem Erkin. Ich bin 25 Jahre alt und versuche gerade die Welt zu erkunden. Ich will alles verstehen, auch eine Frau oder alle Frauen. Heute lade ich Euch ein, mitzukommen. Wir werden nach Berlin fahren und die Stadt erkunden. Später fahren wir mit meiner Familie nach Istanbul.   Ja, wir Türken sind Muslime und dabei, die Welt zu erobern. Weltlich, dem Islam verbunden, jedoch trotzdem dem Gesetz des Landes unterlegen.   Ich lebe zwischen zwei Kulturen. Deutschland und die Türkei sind nicht wirklich unterschiedlich, wenn es darum geht, den Islam an- oder abzuerkennen. Nur... wer hat das erfunden? - Unser 'Vater der Türken' oder die Menschen selbst, die sich dieser Politik unterordnen müssen?   Kommt mit zum Brandenburger Tor und in die Blaue Moschee.

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Leseprobe

Die Erlaubnis nach Berlin zu fahren


 

Zu Hause gab es nichts Neues. Mein Bruder ging seinem Hobby nach und malte Science-Fiction Bilder. Meine Mutter und mein Vater saßen im Wohnzimmer und schauten fern. Ich ging in die Küche und aß etwas, obwohl ich auf einmal fast gar kein Hunger hatte. Während des Essens überlegte ich mir, wie ich meinen Vater auf die Berlin-Fahrt ansprechen konnte. Ich hatte keine Ahnung, wie er reagieren würde. Nachdem ich gegessen hatte, ging ich ins Wohnzimmer, schaute ebenfalls fern und sondierte die Stimmung. Vater und Mutter sprachen über die Heimat und über Oma, die in den nächsten Wochen von Istanbul nach Trabzon fahren wollte, um die Haselnüsse zu pflücken. Ich weiß nicht wie ich es schaffte, doch gelang es mir, nach einer kurzen Zeit Zuhörens ihnen von meinem Vorhaben zu erzählen. Mein Vater reagierte sehr gelassen und sagte sogar, dass das Reisen die Menschen bilden würde. Nur meine Mutter ging die Sache mit etwas Skepsis an und wollte wissen, wer das Auto fahren und überhaupt, mit wem ich fahren würde. Nachdem ich sie über die Reise bis in alle Einzelheiten unterrichtet hatte, empfahl sie mir, vorsichtig zu sein, dafür Sorge zu tragen, dass der Fahrer nicht zu schnell fuhr und überhaupt keine Sachen zu machen, die mir später Schwierigkeiten bereiten würden. Ich versprach ihnen, auf mich aufzupassen und bedankte mich für die Erlaubnis, obwohl ich sie eigentlich für selbstverständlich erachtete. Ich ging in mein Zimmer, unterhielt mich etwas mit meiner Schwester und meinem Bruder über die Schule und über die Bilder. Mein Bruder spielte ernsthaft mit dem Gedanken, seine Bilder irgendwo auszustellen. Ich fand, dass er gut malen konnte, doch für eine Ausstellung waren sie noch viel zu laienhaft. Wir packten unsere Schultaschen und gingen ins Bett. In der Schule waren wir zwar nicht immer zusammen, doch hatte ich meinen Bruder immer im Auge.

Am nächsten Tag erzählte ich Ömer und Hamdi von der Erlaubnis für die Berlin-Fahrt. Ich fühlte wie Hamdi sich wieder plötzlich gereizt und genervt verhielt. Er sah in mir inzwischen ein Hindernis bei seinem Wunsch nach einer Beziehung mit Monika. Ömer freute sich aufrichtig und sagte: „Schade, dass ich nicht kann. Meine Eltern haben Angst, dass wir ein Unfall bauen oder dass uns irgendetwas passiert."

„Passieren kann uns auch hier etwas" , entgegnete ich Ömer.

„Hast ja Recht, doch eine Fahrt nach Berlin ist doch gefährlicher als hier in der Stadt spazieren zu gehen. Oder?"

„Ja", sagte ich, „das stimmt."

Hamdi beteiligte sich am Gespräch nur noch sehr indifferent. Ich wusste, er befürchtete, dass ich mich an Monika heranmachen könnte. Doch das war nicht mein Plan. Ich würde selbst nach Berlin fahren, auch wenn Monika nicht mitfahren sollte. Berlin interessierte mich schon seit der 9. Klasse, wo wir im Geschichtsunterricht die Geschichte und Bedeutung von Berlin behandelt hatten. Vor allem interessierte mich Schloss Charlottenburg, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die Siegessäule, das Reichtagsgebäude und das Brandenburger Tor, sowie das Mauermuseum und Check Point Charlie.

Hamdi verhielt sich auch in den folgenden Tagen sehr indifferent und gleichgültig. Wir trafen uns jedoch wie gewohnt fast jeden Tag im „Jump". David und ich unterhielten uns vorwiegend über die Fahrt nach Berlin und darüber, wie wir die zwei Tage dort am besten verbringen wollten. David meinte, dass wir als erstes Kreuzberg sehen müssten, da wir unbedingt Istanbul in Berlin sehen sollten. Anschließend sollte eine Rundfahrt in der Stadt unternommen werden. Übernachten konnten wir in einer der Jugendherbergen und essen werden wir ebenfalls in Kreuzberg in den zahllosen Imbissen. Am besten war es, wenn wir Freitag nach der Schule fuhren und am Samstag so früh wie möglich mit der Besichtigung beginnen konnten. Sonntagnachmittag konnten wir dann die Rückfahrt antreten. David sagte, dass Monika mitkam und dass er versuchen würde, seine Freundin mitzubringen, damit wir nicht zu dritt, sondern zu viert fahren konnten. Doch seine Freundin war zurzeit nicht sehr dafür, sondern eher dagegen, daher müsse er erst versuchen sie für die Reise zu begeistern.

Während all dieser Gespräche spürte ich zuerst einen Hauch, dann jedoch eine immer stärker werdende Eifersucht bei Hamdi. Das machte mich unruhig und besorgt. Schließlich zählte er zu meinen besten Freunden und ich versuchte, seine Freundschaft zu pflegen. Doch wusste ich nicht, wie lange ich seine immer unangenehmer werdende Eifersucht noch ertragen konnte. Ömer beneidete uns wegen der Fahrt, ich wusste genau, dass auch er gern mitgefahren wäre. Nun war nur noch der Termin für die Fahrt festzulegen und so schnell wie möglich Berlin zu erobern. Zu Hause sprachen wir kaum über die Fahrt. Nur mein Vater fragte mich einmal, wann wir fahren wollten. Ich sagte ihm, dass das Wochenende noch nicht festgelegt war und dass ich ihn rechtzeitig unterrichten würde. Mein Bruder malte und zeichnete ununterbrochen seine Bilder, ich lernte fleißig Vokabeln für den Englisch-Unterricht und freute mich auf den baldigen Urlaub.

Ghasali hatte ich inzwischen ganz gelesen und schaute mich in den Büchern meines Vaters um. Es gab keine große Auswahl, doch fand ich nach kurzem Stöbern „Der Garten der Wohlwollenden" von Nevevi, einem islamischen Gelehrten wie Ghasali. Ich war immer noch hungrig nach Wissen, wovon ich mir so viel wie möglich aneignen wollte. Ich nahm das Buch, ging in mein Zimmer und blätterte in den Seiten. Ich beschloss, das Buch zu lesen, und zwar, so schnell wie möglich. Also legte ich mich auf den Diwan und las ein Kapitel über die Geduld. Nevevi versuchte, durch die Berichte über Aussprüche oder Taten des Propheten und die sich hiermit beschäftigende Wissenschaft die Wichtigkeit der Geduld im Leben eines Menschen klarzustellen. Er berichtete von den Schülern und Gefährten des Propheten und von ihrem Verständnis von der Geduld. Ich las dieses Kapitel aufmerksam durch und hoffte, etwas über die Geduld zu lernen. Es verging circa eine Stunde, bis ich dieses Kapitel bis zum letzten Buchstaben mit einer großen Hingabe gelesen hatte. Ich war immer erleichtert, wenn ich etwas zu Ende gelesen hatte. So auch jetzt. Mein Bruder hatte sich schon auf seinen Diwan gelegt und schlief. Ich klappte das Buch zu und ging in die Küche, nahm ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer. Mein Vater und meine Schwester hatten sich auch schon schlafen gelegt. Meine Mutter arbeitete mit ihrer Nähmaschine und schaute gelegentlich mit einem Auge fern.

„Was macht die Schule, Cem?"

„Ganz gut" , sagte ich.

„Das ist gut. Hoffentlich kannst Du eines Tages wie Dein Schwager studieren und es etwas besser haben als wir."

„Gott wird mir dabei helfen."

„Ohne Gottes Hilfe und Gottes Erlaubnis fallen nicht einmal Blätter von den Ästen."

„Weiß ich, Mutter."

„Wie geht es Hamdi und Ömer?"

„Ganz gut. Wir sind jeden Tag zusammen. Verstehen uns ganz gut. Sie sind meine besten Freunde."

„Werden sie Typ B schaffen können?"

„Ömer schon, aber Hamdi nicht. Hamdi hat Schwierigkeiten in Deutsch."

„Schade. Nicht, dass sich Eifersucht in ihm entwickelt."

„Eifersucht hat sich bereits entwickelt. Aber nicht wegen der Schule."

„Sondern?"

„Sondern wegen eines Mädchens."

„Welches Mädchen?"

„Kennst Du nicht. Sie heißt Monika. Hamdi liebt sie und da ich mit ihr nach Berlin fahren werde, verhält er sich in den letzten Tagen sehr reizbar und ärgerlich."

„Hat sie eine vornehme Abstammung?"

„Weiß ich nicht, Mutter. Sie studiert in Bonn Jura. Haben wir denn eine vornehme Abstammung?"

„Aber ja doch. Dein Opa war der vornehmste Mann der ganzen Stadt. Er wurde von allen respektiert und ernst genommen. Er war die Ruhe und Sicherheit in Person. Ist sie mürrisch oder freundlich?"

„Sehr freundlich."

„Liebst Du sie auch?"

„Nein, Mutter. Aber ich finde sie sehr reizvoll und nett."

Meine Mutter war zwar eine Analphabetin, doch war sie sehr tolerant und konnte die Dinge sehr gut analysieren. Sie schwieg eine Weile und sagte anschließend: „Eine Frau kann von tausend Männern begehrt werden, doch kriegen, kann sie nur ein Mann."

„Weiß ich, Mutter."

Ich sah einen Dokumentarfilm über den Zweiten Weltkrieg im Fernsehen, sprach zwischendurch mit meiner Mutter über unseren baldigen Urlaub und über meinen Praktiktunsplatz, die Praktikumszeit, über Gott und den Propheten, über die Kapitel von Ghasali und erzählte ihr, was ich über die Geduld gelernt hatte. Ich wusste, dass sie sich gern mit mir unterhielt, es bereitete ihr Freude und ich empfand das auch so.

Gegen Mitternacht stand ich auf, verabschiedete mich von ihr, ging in mein Zimmer, legte mich auf den Diwan und wartete auf den Schlaf. Ich hatte den Wunsch und die Lust, im Schlaf etwas Schönes zu träumen. Am liebsten hätte ich das Gesicht des Propheten gesehen, denn das versuchte ich mir schon seit langem bildlich vorzustellen.

Die Zeit verging viel zu schnell und ich bemerkte, dass meine Barthaare, die ich bis jetzt noch nie...

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