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Meinetwegen kann er gehen

Kaiser Karl und das Ende der Habsburgermonarchie

AutorKatrin Unterreiner
VerlagMolden Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783990404645
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Aktionspreis Die österreichisch-ungarischen Armeen sind besiegt, der habsburgische Vielvölkerstaat ist in Auflösung begriffen. In Schönbrunn steht Kaiser Karl vor einer schicksalsschweren Entscheidung: Die Männer der Republik drängen ihn zur Unterschrift unter die 'Verzichtserklärung'. Nach längerem Zögern und heftiger Diskussion mit Kaiserin Zita setzt Karl mit Bleistift seinen Namen unter das Dokument. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart packende Einblicke in die Geschehnisse rund um das Ende der Habsburgerherrschaft, neu entdeckte Quellen dokumentieren die dramatischen Ereignisse. Bis heute ranken sich zahlreiche Legenden, Klischees und falsche Vorstellungen rund um Kaiser Karl und seine Familie. Wie lief die Übergabe der Herrschaft an die Vertreter der Republik tatsächlich ab? Dieser und vielen anderen spannenden Fragen rund um das Ende der Habsburgerherrschaft in Österreich geht Katrin Unterreiner nach und gibt manch überraschende Antwort. • Karl der Friedenskaiser? • Welche Rolle spielte Kaiserin Zita? • Die letzten Tage des Kaisers in Schönbrunn • Die 'Verzichterklärung' Karls und wer dahinterstand • Die 'Enteignung' der Habsburger • Das Rätsel um die Kronjuwelen der Habsburger • Die Übergabe der habsburgischen Residenzen • Wie lebte Karls Familie nach seinem Tod? • Was passierte wirklich mit den habsburgischen Kronjuwelen, die Karl aus der Schatzkammer entnehmen ließ? • Wie lebte Karls Familie nach seinem Tod? • Was wurde aus den Nachkommen Kaiser Franz Josephs? • Wo und wovon leben die Habsburger heute?

KATRIN UNTERREINER (Mag.), Studium der Kunstgeschichte sowie Geschichte an der Universität Wien. Bis 2007 wissenschaftliche Leiterin der Kaiserappartements der Wiener Hofburg und Kuratorin des 'Sisi Museums'. Zahlreiche Ausstellungen sowie Publikationen zur Wiener Hofburg und Alltagskultur des Wiener Hofes. Bei Styriabooks u. a. erschienen: 'Kronprinz Rudolf', 'Die Habsburger. Mythos & Wahrheit' und zuletzt 'Kein Kaiser soll uns stören. Katharina Schratt und ihre Männer'.

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Leseprobe

Karl der Friedenskaiser?


Nicht nur Ex-Kaiserin Zita, sondern vor allem die „Kaiser Karl Gebetsliga für den Völkerfrieden“, die über Jahrzehnte die 2004 erfolgte Seligsprechung Karls betrieb, stilisierten den letzten österreichischen Kaiser als Friedenskaiser. Doch ist diese Bezeichnung bei genauerer Betrachtung zulässig?

Als Franz Josephs Großneffe Erzherzog Karl nach der Ermordung Franz Ferdinands in Sarajevo zum Thronfolger aufstieg, war seine Einstellung zum Krieg eindeutig. Er war – wie alle anderen Vertreter des Herrscherhauses – von der Gerechtigkeit dieses Krieges überzeugt und notierte in seinen Memoiren: „Der Krieg war gerecht. Die Ermordung des Erzherzogs Franz, von internationalen Interessensgruppen angezettelt, war nur der letzte Anlaß dazu.“49 Als Karl im November 1916 Kaiser wurde, hatte Österreich mehr oder weniger alle Kriegsziele erreicht. Serbien war besiegt, Russland durch die Revolution so geschwächt, dass es kein ernsthafter Gegner mehr war, und die USA waren noch nicht in den Krieg eingetreten.

Die Situation war also für einen Friedensschluss nicht nur günstig, sondern eigentlich sogar dringend. Nach zwei Jahren begann sich die Versorgung der Truppen merklich zu verschlechtern, Kriegsmüdigkeit machte sich breit und damit verbunden wuchsen nationalistische Strömungen, die Selbständigkeit verlangten und täglich lauter wurden. Vor allem die großen Nachschubprobleme bargen großes Gefahrenpotential. So plädierte u. a. Graf Berchtold, seit März 1916 Obersthofmeister und später Oberstkämmerer Karls, der pikanterweise als ehemaliger Außenminister und Verfasser des Ultimatums an Serbien als eigentlicher Auslöser des Ersten Weltkriegs bezeichnet werden kann, vehement für einen Friedensschluss. Schon kurz vor Franz Josephs Tod hatte er in seinem Tagebuch notiert, dass man eine Einigung mit Deutschland erzielen und dringend eine „Minimalvariante“ ausgearbeitet werden müsse, in der das „Ausmaß derjenigen Gebietsabtretungen“ definiert werden sollte, „zu welchen man sich à ce moment doch bereit finden könnte, um einem völligen Niederbruch zuvorzukommen“.50 Berchtold hatte darüber sogar eine Unterredung mit dem damaligen Thronfolger Karl, dem er die Dringlichkeit schilderte: „März 1917 werden wir die letzten Marschbataillone aufstellen und dann ist unser Menschenreservoir erschöpft. Bis dahin muss Frieden geschlossen sein.“51

Am Beginn seiner Herrschaft erhoffte man sich vom jungen Kaiser neuen Elan und frische Energie und seine Auftritte, bei denen er nicht müde wurde zu betonen, dass er kein anderes Ziel habe, als den Krieg zu beenden, wurden von der bereits kriegsmüden Bevölkerung äußerst positiv aufgenommen. Doch die Schritte, die er setzte, gingen nicht wie erhofft in Richtung konkreter Friedensverhandlungen – vielmehr sollte ein Wechsel der Armeeführung einen „Siegfrieden“ ermöglichen. Karl war der Meinung, dass das Problem des sich dahinziehenden Krieges vor allem in der schwachen Führung der Armee lag, die sich durch die Lethargie Kaiser Franz Josephs in seinen letzten Lebensjahren und die damit verbundene Verselbständigung des reinen Aufrechterhaltens des status quo ergeben hatte. Der junge Kaiser brachte frischen Wind und krempelte die gesamte Armeeführung um. In seinen Memoiren, die er 1920 in seinem Schweizer Exil verfasste, urteilte Karl äußerst scharf über die beiden wichtigsten Repräsentanten der k. u. k. Armee – Oberbefehlshaber Erzherzog Friedrich und Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf: „Erzherzog Friedrich war zwar ein guter Mensch, aber gänzlich unfähig und ohne irgendeinen eigenen Willen. Besonders Conrad gegenüber war er eine reine Puppe. Conrad wieder war zwar als Chef des Generalstabs zweifellos ein sehr fähiger General; er war auch vor dem Krieg von der ganzen Armee vergöttert worden. Seit Kriegsbeginn aber vermied er es, er, der sonst so jugendliche und agile Conrad, durch seine Umgebung beeinflußt, außer einigen wenigen Frontbesuchen den so nötigen Kontakt mit der Truppe aufrechtzuerhalten. Er verschloß sich in sein Büro in Teschen und operierte mit den Divisionen wie mit den Kasterln am grünen Tisch, ausschließlich auf die nicht immer einwandfreien Meldungen der Armeen angewiesen. Außerdem hatte der im 64. Lebensjahr stehende General mitten im Kriege eine verhältnismäßig junge, geschiedene Frau ,geheiratet‘! Abgesehen davon daß diese Handlungsweise bei einem Großteil der Armee scharf kritisiert wurde, begann im Hauptquartier eine Weiber- und Protektionswirtschaft.“52 Karl zog zur Überraschung aller umgehend Konsequenzen: Conrad wurde kurzerhand gegen Arthur Arz von Straußenburg ausgetauscht und den Oberbefehl übernahm Karl selbst. Erzherzog Friedrich wurde aber nicht nur auf Grund seiner mangelnden Qualifikation als Oberbefehlshaber entlassen. Karl fand es auch untragbar, dass Friedrich gleichzeitig privat als Eigentümer einer riesigen Molkereiindustrie die Armee belieferte – und sehr gut damit verdiente. Als Friedrich „der Rahmreiche“, wie man ihn nannte, in Zeiten, als die Versorgungslage der Armee ohnehin schon schlecht war, die Preise zusätzlich erhöhte, um seinen Gewinn zu maximieren, war Karl empört. Völlig zu Recht sah er ein großes moralisches Problem darin, dass der Oberbefehlshaber mit seinen Milchgeschäften zu Reichtum gekommen war, obwohl er ohnehin schon zu den vermögenden Habsburgern zählte. Friedrich erkannte diese „schiefe Optik“ keineswegs, war völlig überrascht von seiner Ablöse und zählte ab nun gemeinsam mit seiner ehrgeizigen Frau Erzherzogin Isabella zu den familieninternen Gegenspielern Karls.

Miramare in weiter Ferne: Reise Karls an die Isonzofront am 10. April 1917.

Doch die Entschlossenheit, mit der Karl die oberste Armeeführung austauschte, setzte sich in der Leitung nicht fort. Es zeigte sich, dass Karl als Oberbefehlshaber unsicher war, immer wieder seine Meinung änderte und vor allem Entscheidungen verzögerte und verschob. Seine Unentschlossenheit verunsicherte nicht nur seine eigene Armee, sondern verärgerte auch den deutschen Bündnispartner. Ein Beispiel von vielen war Karls Hin und Her in der Frage des U-Boot-Krieges, die gegen Ende des Krieges immer brisanter wurde. Karl war eigentlich entschieden gegen den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. So äußerte er sich seinem Vertrauten Tamás Erdödy gegenüber ganz eindeutig: „Wir werden den Unsinn eines ,uneingeschränkten U-Boot-Krieges‘ nicht mitmachen … Das In-den-Grund-Bohren wehrloser Passagierschiffe, das Ertränken von Tausenden Menschen wie Ratten, ist eine Scheußlichkeit, die ich nicht mitmachen möchte …“53 Vor allem fürchtete er völlig zu Recht, dass damit auch noch die USA in den Krieg hineingezogen würden. Deutschland, aber auch die Alliierten und nicht zuletzt die USA erwarteten eine klare Stellungnahme des österreichischen Kaisers – der jedoch schob seine Entscheidung immer wieder hinaus. Im Jänner 1917 war Deutschland des Wartens müde und beschloss den uneingeschränkten U-Boot-Krieg am 9. Jänner einfach alleine – wovon Karl, der sich weiterhin wand, nicht einmal verständigt wurde. Erst am 20. Jänner informierten die Deutschen Karl offiziell von ihrem Entschluss, worauf es zu einer gemeinsamen Konferenz kam – doch auch da konnte sich Karl zu keiner Entscheidung durchringen und vertagte diese wieder. Im Kronrat am 24. Jänner fragte Karl seinen Finanzminister Stephan Graf Burian um Rat: „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Graf. Sie kennen meine außerordentlichen Bedenken gegen den unglücklichen U-Boot-Krieg. Aber die Deutschen drängen und drängen, ich weiß nicht, wie ich in Pleß (wo ein neuerliches Treffen mit Wilhelm stattfinden sollte) werde standhalten können …“54 Am 26. Jänner stimmte Karl schließlich zu und nannte seine Entscheidung ein „Geburtstagsgeschenk an den deutschen Kaiser“. Diese Episode zeigt Karls Schwäche augenscheinlich – und genau das empfanden auch alle Beteiligten, von den Alliierten über den Bündnispartner bis hin zu seinen eigenen Ministern, die irritiert waren, dass der Kaiser sie nach wochenlangem Hin und Her fragte, was er denn tun solle. Das war nicht der entschlossene Kaiser, den sie sich vorgestellt hatten – und den es in dieser Situation des beginnenden Zerfalls gebraucht hätte. Außenminister Czernin erklärte verbittert: „Wir sind heute die rückgratlosen Vasallen Ludendorffs.“55

Wurde gegen Arz von Straußenburg ausgetauscht:
Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf.

Besuch bei der 48. Infanteriedivision in Laas.

August von Cramon, der deutsche bevollmächtigte General beim k. u. k. Oberkommando, brachte es auf den Punkt: Karl verzettelte sich, „griff überall ein, blieb überall an der Oberfläche, erzeugte Verwirrung, Unsicherheit und Unlust“.56 Auch den „frischen Wind“ empfand er eher negativ – wobei das bei einem deutschen General vielleicht wenig überraschend ist. Er beklagte, dass der riesige Armeeapparat nur durch Einhaltung der Abläufe funktionierte – dadurch, dass Karl den Oberbefahl übernommen hatte und alles entscheiden wollte, sich aber nicht an die festgesetzten Zeiten halten konnte oder wollte, brachte er eingespielte Abläufe durcheinander, denn der ganze Apparat wartete auf seine Entscheidungen und alles blieb stehen, um Tage später hektisch weiterzuarbeiten. Dadurch entstanden zunehmend Kommunikationsfehler, die sich vor allem auf die Geduld, die...

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