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Memoiren eines Hofschauspielers

Vollständige Ausgabe

AutorAugust Junkermann
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl195 Seiten
ISBN9783849628857
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
August Junkermann war ein deutscher Schauspieler und als Rezitator ein bedeutender Interpret der Werke Fritz Reuters. Dies ist seine Autobiografie.

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Leseprobe

XIV.


 

Wie überall, wird auch in Stuttgart, namentlich in der besseren Gesellschaft, viel Liebhabertheater gespielt. Schöne Abende habe ich dabei verlebt. Für die meisten meiner Kollegen ist das Einstudieren von Komödien bei Dilettanten eine unerfreuliche Arbeit – ich habe immer großes Vergnügen daran gehabt, namentlich wenn Dilettanten sich belehren und gern etwas sagen lassen. Wenn die Leute aber Komödie spielen, fährt meist der Ehrgeiz und die Eitelkeit der Schauspieler in sie. Manche lassen sich sagen und lernen etwas, andere wieder sind wie die verkannten Genies, nehmen es übel, und verderben ihre Rollen. Der Neid stellt sich ein, gerade wie bei uns Schauspielern von Fach, eine Kette von Intriguen, wie sie manchmal das beste Hoftheater nicht aufzuweisen hat, legt sich um ihren Kreis.

Ich habe so oft meine Betrachtungen darüber gemacht, wie eigentümlich es doch ist, daß Personen, die ihr ganzes Leben im Salon und auf dem Parketboden zubringen, in Eleganz und Tournüre das Vollendetste leisten – und dann mit einem Male, wenn sie auf die Bühne gestellt werden, nicht mehr wissen, wo sie mit den Armen und den Beinen bleiben sollen, sie haben immer zwei Arme zuviel. Es muß der Gedanke machen: du stehst jetzt vor Zuschauern, wirst beobachtet, nun mache auch was Außerordentliches, und damit geht jede angeborene Noblesse, jede freie natürliche Bewegung verloren.

Der Prinz Weimar veranstaltete oft mit Mitgliedern der Hofgesellschaft Theatervorstellungen in seinem Palais. Der Prinz bat mich in den meisten Fallen, die Regie zu übernehmen. Ach, es war reizend, mit dem hohen Herrn gemeinsam zu arbeiten! Die Liebenswürdigkeit seines Wesens trat so recht im engeren Kreise in seinem Palais ins schönste Licht. Auf den Proben wußte er einem so jeden Zwang der Unterthänigkeit abzunehmen und eine Freiheit in Benehmen und Sprache zu gestatten, daß man durchaus nicht einen Druck des Rangunterschieds empfand. Der Prinz wie die Prinzessin waren fast auf jeder Probe – und unzählige Proben wurden gehalten – kümmerten sich um alle Requisiten, die gebraucht wurden, amüsierten sich auf den Proben, lachten herzlich über jeden nicht ausbleibenden faux pas, und verplauderten mit uns nach der Probe so manche fröhliche Stunde bei Thee, Sandwiches, Wein, Bier und allerhand Erfrischungen.

Wir spielten einmal das Lustspiel »Frauenemanzipation« von Sontag. Das Stück hängt größtenteils von der guten Darstellung der Frauenrolle ab. Diese war in den Händen einer jungen Dame, die wohl zum erstenmale die Bühne betrat und etwas linkisch sich anstellte. In den Nebenzimmern wurde ich von den Schauspielern, d.h. den Grafen und Baronen der Hofgesellschaft bearbeitet, ich solle doch dem Prinzen erklären, das ginge nicht mit dem Fräulein, ich möge dem Prinzen vorschlagen, die Rolle anders zu besetzen. Frau Dr. B. oder Fräulein v.M. würden ja die Rolle weit besser spielen. Nun war die Inhaberin der Rolle aber die Tochter eines in Hoftheaterangelegenheiten sehr einflußreichen Mannes, sozusagen Chef des Hoftheaters. Ich hütete mich also aus naheliegenden Gründen wohl, mir unnötige Feindschaft zu machen. Die Intriguen beim Hoftheater machten mir genug zu schaffen – ich wollte hier nicht auch noch daran zu leiden haben. Ich zeigte dem Fräulein jede Handbewegung, ließ sie jeden Satz so lange sprechen, bis er richtig betont war; das Fräulein war eine liebenswürdige, gelehrige Schülerin, nach einigen Proben wuchs sie in der Rolle riesengroß und spielte abends zum Entzücken aller Zuschauer. Komplimente wurden ihr von allen Seiten gemacht, namentlich von denen, die Frau Dr. B. oder Fräulein v.M. zu der Rolle vorgeschlagen, der Frau Mama wurde ganz besonders gratuliert zu dem Talent der Tochter. Frau Dr. B. und Fräulein v.M., die die Rolle selbst spielen wollten, waren äußerst entzückt von der Leistung, und meinten dann sich zu mir wendend und leise flüsternd, was ich wohl für Mühe mit ihr gehabt hätte; bei der nächsten Soiree müßten sie aber wieder eine Rolle haben. Ich verwies sie an den obersten Chef. Die eingeladenen Redakteure der Zeitungen wurden aufgesucht und mit Freundlichkeit behandelt, in den Nebenzimmern wurde Graf S. bearbeitet, der viel Einfluß bei Auswahl der Stücke hatte, nächstens dieses oder jenes Stück zu wählen, der Baron P. und Gräfin B. hätten das schon in Dingsda gespielt – kurz das ganze Hoftheatergetriebe im Kleinen.

Aber schön war's doch. Wir, die ausübenden Künstler und der Regisseur, saßen dann mit dem Prinzen und der Prinzessin nach der Soiree beim Souper und plauderten ungeniert, fröhlich und gemütlich in die Nacht hinein.

Wer die Prinz Weimarsche Familie kennen gelernt hat, wird mir zustimmen: es giebt kein reizenderes, bürgerlich gastfreundlicheres Haus, als das Palais Weimar in der Neckarstraße. Wo der Prinz gefällig sein kann, thut er's; er ist nicht nur Präses aller höheren Sportskreise, er ist ein Vater der Bedrängten, der Protektor aller Wohlthätigkeitsanstalten. Gott erhalte ihn Stuttgart, er wird noch manche Thräne trocknen!

Die Gräfin v. Beroldingen, auch eine Dame der Aristokratie Stuttgarts, veranstaltete einmal drei Wohlthätigkeitsvorstellungen im Königsbau. Sie nahm Tausende für den Zweck ein. Gräfin v. Beroldingen ist eine Künstlerin als Dilettantin, sowohl in der Malerei, der Musik, als auch auf der Bühne als Darstellerin.

Eine unendliche Mühe hatte die edle Frau, bis sie die drei Vorstellungen zusammenbrachte. Bis nachts 2 Uhr haben wir oft probiert, dann wurden im letzten Moment noch Rollen umbesetzt, der eine wollte so, der andere so; die Offiziere waren dienstlich verhindert, zur Probe zu kommen – es hing immer zwischen Leben und Tod mit so einer Vorstellung.

Aus dem Hoftheater brauchten wir verschiedene alte Requisiten, Herr v. Gunzert wollte ein Inventarverzeichnis haben, eine Garantie, daß, für den Fall etwas beschädigt würde an einer Livree, Gräfin v. Beroldingen dafür aufkommen sollte. Große Aktenstücke wurden verfaßt, Gräfin v. Beroldingen mußte unterschreiben, und dann erst wurden die Sachen verabfolgt. Gräfin v. Beroldingen erklärte mir sofort: einmal und nicht wieder!

Sie hat Wort gehalten, aber ich habe in ihrem Hause stets herzliche Aufnahme gefunden; sie ist eine Verehrerin der Kunst und gehört zu denen, an deren Erinnerung sich für mich glückliche Stunden knüpfen.

Unvergeßliche Abende mit theatralischen Aufführungen fanden beim Grafen Linden statt, wie beim Fabrikanten Müller; liebe Menschen, die nicht bloß, weil sie mich zum Arrangement ihrer Vorstellungen brauchten, liebenswürdig waren, nein, die mir die herzlichste Freundschaft bewahren werden, wie ich ihnen. Ja, ja, es thut mir leid, daß ich in Stuttgart nicht mein Heim gefunden – ich hatte viele Freunde und Gönner dort – aber die Hofkammer teilte diese freundschaftlichen Gesinnungen nicht, und sie war entscheidend.

Der Graf von Leutrum hatte mich einmal zur Regie bei einer Vorstellung im Palais der Prinzessin Friedrich empfohlen. Es wurde das »Schwert des Damokles« und »Wie denken Sie über Rußland?« aufgeführt.

Prinz Wilhelm war stets bei den Proben zugegen, er liebte sehr Dilettantenvorstellungen und arrangierte öfters solche in Marienwahl bei Ludwigsburg, seiner Sommerresidenz. Schon bei den Wohlthätigkeitsvorstellungen im Königsbau sprach er mit mir über Theaterangelegenheiten, ich war erstaunt, wie bewandert er in diesen Dingen war. Im Palais der Prinzessin Friedrich saß er auf jeder Probe vor der Bühne; Dinge, die mir entgingen, fielen ihm auf, und als mich zwei Tage vor der geplanten Vorstellung ein Kontrakt zum Gastspiel nach Riga rief, so daß ich der Aufführung im Schlosse nicht beiwohnen konnte, übernahm der Prinz alle Funktionen des Regisseurs und des Inspizienten. Er setzte die Möbel zurecht, holte alle Requisiten herbei, nahm die Glocke in die Hand, gab das Klingelzeichen, zog den Vorhang womöglich selber auf und war die Gefälligkeit und Liebenswürdigkeit in höchsteigener Person. Ja, es ist eine alte Erfahrung, je höher der wahrhaft vornehme Mensch steht, desto einfacher und leutseliger ist sein Wesen, ihm müssen die Herzen derjenigen, die mit ihm in Berührung kommen, naturgemäß zufliegen. Prinz Wilhelm hat uns nicht nur durch seine Fachkenntnis in Erstaunen gesetzt, er hat uns durch sein persönliches Begegnen entzückt und beglückt, und alle, die in jenen Tagen mitgewirkt, werden stolz auf diese Erinnerung sein und bleiben.

 

XV.


 

Verschiedenemale gastierte ich am Hoftheater zu Altenburg. Eine freundliche Stadt! Wenn man vom Bahnhofe in die Stadt kommt, macht sie sogar einen imposanten Eindruck, d.h. nur die ersten Straßen, denn was dahinter liegt, ist fürchterlich; aber das hochgelegene, romantische Schloß, das wunderhübsche Hoftheater und vis-à-vis das prächtige, großstädtische Hotel »Weltiner Hof« – à la bonheur! dachte ich ganz überrascht, und ließ es mich auch nicht verdrießen, daß ich bei meinem ersten Ausgang in die Stadt gleich ein Paar Lackstiefeln opfern mußte. Droschken gibt's in Altenburg nicht, und wenn man nachts mit dem Schnellzuge von Leipzig ankommt, thut man besser, man kehrt wieder um und logiert in Leipzig. Der Weg vom Bahnhof zum Hotel ist weit, und Wagen oder Gepäckträger gibt's nachts dort nicht. Altenburg ist sehr bergig und das Pflaster – na, ich habe mir sagen lassen, daß kein Geschäft...

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