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Menschen und die Macht

Der Krieg um Granada 1482 bis 1492

AutorElke Hetzel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783656156321
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Orientalistik / Sinologie - Islamwissenschaft, Note: 1, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Orientalisches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Was bewegt die Herrschenden aller Zeiten, was ist ihr Motor, der sie antreibt? Immer wieder ist es die Macht und der Hunger nach ihr -in diesem konkreten Beispiel auf christlicher wie muslimischer Seite. Für diese Macht setzen sie alles ein - auch das Leben und Wohlergehen ihrer Untertanen. Um ihrem Kampf und ihrem ganzen Tun eine höhere Weihe zu verleihen, sprechen sie von Religion und Auftrag Gottes. Vielleicht glauben sie das sogar - ihr Handeln gehorcht aber anderen Regeln. Ein zweites Thema, das am Rande gestreift wird, ist der Sieg der neuen Zeit über die alte und der Aufbruch in die Zukunft - Schicksalsjahr 1492: ein Zuschauer des Auszugs der Muslime aus Granada bricht im gleichen Jahr auf, Neu-Indien zu suchen, und findet es in der Karibik, sein Name ist Christof Kolumbus.

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Leseprobe

Das Reich der Nasriden


 

Fast alle - bis auf einen Kleinkönig: im Jahr 1232 ließ sich Muhammad b. Yüsuf b. Nasr Ibn al-Ahmar in Arjona zum Sultan ausrufen. Er begründete die Dynastie der Nasriden, die ihre Legitimation aufbauen auf ihrer Abstammung von einem Prophetengenossen, er herrschte als Muhammad I. von 1232 bis1273. Im Jahr 1233 eroberte er Porcuna, Jaén, Baza und Guadix. Als Ferdinand III. von Kastilien 1236 Córdoba einnahm, nutzte er die Gunst der Stunde und zog 1237 in Granada ein und machte es zu seiner Hauptstadt. 1238 erweiterte er sein Reich um Màlaga und Almería. „So hatte er sich ein Territorium geschaffen, das kompakt war und gegen den militärischen Druck Ferdinands III. gut zu verteidigen war.“[24] Damit ist aber auch schon umrissen, welchen Gegebenheiten sich das nasridische Reich gegenüber sah - nicht nur am Anfang, sondern für die Dauer seiner ganzen Existenz: „das Unterzeichnen von Friedensverträgen und ihr sofortiger Bruch, die Waffenruhen und die darauf folgenden Verletzungen, der Kompromiss über Tributzahlungen und die Weigerung, sie zu leisten, die Attacken, die Aggressionen, die Scharmützel, die Isolation und die flüchtigen Perioden der Ruhe waren die Winde, die den Lauf der Geschichte zwischen beiden Kronen während zweieinhalb Jahrhunderten begleiteten.“[25] Oder etwas weniger poetisch: „dass sich diese letzte Festung des Islam auf der Halbinsel fast zweieinhalb Jahrhunderte halten konnte, ist in gewisser Weise ein Paradox und weist sogar gewisse Züge eines Anachronismus auf“.[26]

 

Schon der Auftakt weist die Richtung für die außenpolitische Linie, die die Nasriden einschlagen mussten: 1244 zieht sich Muhammad I. von Arjona, seiner Heimatstadt, zurück wegen der Bedrohung durch das christliche Heer, das 1245 auch noch mit der Belagerung von Jaén beginnt. In dieser bedrängten Situation entschließt er sich, auf Gewalt zu verzichten und einen politischen Weg einzuschlagen: er bietet Ferdinand III. von Kastilien die Übergabe von Jaén und eine sehr hohe jährliche Tributzahlung (paria) an, erkennt ihn als seinen Lehnsherrn an, dafür bekommt er eine Waffenruhe für 20 Jahre zugestanden. Dieser Vertrag von Jaén, im Februar 1246 abgeschlossen, markiert die Geburtsstunde des granadinischen Emirates. Von nun an sind die Beziehungen zwischen Muhammad I. und Kastilien eine Mischung aus Feindschaft und Unterwerfung, dabei war es Muhammad I. daran gelegen, sein Reich abzusichern.

 

Dafür hat er auch einen hohen Preis bezahlt: als Vasall des kastilischen Königs war er verpflichtet, seinem Lehnsherren militärische Unterstützung zu leisten, auch wenn es gegen Religionsgenossen ging. Und so kämpften bei der Belagerung von Sevilla (1247-48) auf der Seite der Christen seine granadinischen Reiter gegen ihre muslimischen Brüder von Sevilla. [27]

 

Mit dieser eher pragmatischen Herangehensweise gelang es Muhammad I., 20 Jahre lang Frieden zu bewahren, gegen den militärischen Druck Kastiliens, und zugleich gute Beziehungen zu den Hafsiden in Tunis und den Meriniden in Marokko, die die Almohaden abgelöst hatten, herzustellen.[28] Die Allianzen mit Nordafrika waren aber nie nur die reine Wohltat - es bestand immer die Gefahr, dass die marokkanische Seite nicht mehr nur als Verbündeter auftrat, sondern auch in eigener Sache agierte. (Wie wir es schon bei den Almohaden, die von den Teilkönigen zu Hilfe gerufen wurden, gesehen haben).

 

Dabei ging es nicht nur um die Frage, wer wo herrschte oder ob man Vasall oder Bundesgenosse war, es ging ab dem Ende des 13. Jahrhunderts auch um die Herrschaft über die Meerenge von Gibraltar. Hier mischten sich politische und ökonomische Interessen, denn die Durchfahrt durch die Meerenge wurde auch mehr und mehr von christlichen Seefahrern der mitteleuropäischen Staaten wie z. B. Genua benützt, die die muslimischen Seemächte überrundeten. Wer die politische Kontrolle über die Meerenge hatte, schaffte eine ökonomische Basis für das eigene Land und kontrollierte gleichzeitig fremde Mächte und deren wirtschaftliche Entwicklung.

 

Diese neue Problemstellung führte zu einem tief greifenden Wechsel in der Politik der granadinischen Herrscher, was die Meriniden betraf. So rief Muhammad II. (1273-1302), der Sohn und Nachfolger Muhammads I., die Meriniden zu Hilfe, diese besetzten im Jahr 1275 Tarifa und Algeciras - mit der Genehmigung Muhammads II. - und trugen den Krieg auch in das Tal des Guadalquivir. Damit hatten die Meriniden die Kontrolle über die Gebiete an der Meerenge - somit war ein nicht mehr nur kastilisch granadinisches Problem entstanden, sondern auch ein internationales, das noch weit ins 14. Jahrhundert hineinreichen sollte.[29]

 

1279 scheiterte Alfonso X. von Kastilien mit dem Versuch, Algeciras einzunehmen, erst 1292 gelang es Kastilien (unter Sancho IV.), Tarifa zu erobern.[30] Aber es dauerte bis 1340 bzw. 1343, bis Alfons XI. die ganze Südspitze der Halbinsel - außer Gibraltar - einnehmen konnte. Gibraltar war 1309 von Ferdinand IV. erobert worden, Algeciras konnte er aber auf diesem Feldzug nicht erobern, da die Meriniden hier Granada zu Hilfe kamen, 1333 hatten die Kastilier Gibraltar aber wieder verloren. Als dann Alfonso X. Gibraltar ab dem Jahr 1349 belagerte, starb er 1350 vor seinen Mauern an der Beulenpest. Kastilien musste dann bis 1462 warten, bis es Gibraltar endgültig eroberte.

 

So verwirrend dies alles klingt, es ist Spiegelbild eines Geschichtsverlaufes in Sprüngen: Alfonso X. nimmt merinidische Hilfe im Kampf gegen seinen Sohn Sancho IV. an,[31] die Granadiner erobern Gibraltar 1333 mit Unterstützung durch die Meriniden und die Genueser, und die kastilische Flotte wird 1340 von merinidischen und genuesischen Schiffen zerstört,[32] und die Meriniden erobern das an die Granadiner verlorene Ceuta mit Hilfe der Katalanen zurück.[33] Man kann keine große Linie erkennen, mal wird mit Verbündeten, mal mit Feinden paktiert, oder anders gesagt, man paktiert, wie es der Augenblick zu erfordern scheint, Allianzen sind ad- hoc-Angelegenheiten.

 

Auch die Innenpolitik auf beiden Seiten ist zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch Krisen gekennzeichnet, es gelingt keiner Seite, aus der Schwäche der anderen einen Vorteil zu ziehen. Diese inneren Kämpfe (und Pestepidemien) trugen dazu bei, den Dauerkonflikt ruhen zu lassen, nur ab und zu gab es spontane Kampfhandlungen, die dann aber wieder in sich zusammenfielen. [34]

 

Etwa ab der Mitte des 14. Jahrhunderts beginnt dann für das Nasriden-Reich die Blütezeit, die ungefähr ein halbes Jahrhundert dauern sollte. Trotz einiger kriegerischer Ereignisse (die Feldzüge von 1340 und 1343) erfährt Granada eine Art Friedenszeit. Die Meriniden haben ihre eigenen Probleme, die Krone von Aragón zieht sich aus den westlichen Gebieten zurück, Kastilien zeigt außenpolitisch Ermüdungserscheinungen und ist innenpolitisch von Krisen geplagt, Granada aber fährt eine geschickte diplomatische Politik mit Aragón, Kastilien und den anderen muslimischen Staaten am Mittelmeer. Und diese Friedenszeit unter Yüsuf I. (13331354) und Muhammad V. (1354-1359 und 1362-1391) wird nicht nur benützt, um den territorialen Raum zu festigen, sondern auch, um die Kunst - vor allem die Architektur - und die Wissenschaft zu pflegen: die Madrasa in Granada, in der auch Gelehrte aus dem Ausland ihr Wissen Weitergaben, und vor allem die Palaststadt Alhambra und die Anlage des Generalife legen Zeugnis ab von einem überragenden künstlerischen und intellektuellen Gestaltungswillen. [35]

 

... sein letztes Jahrhundert


 

Nach der Regierungszeit Muhammads V. setzt dann der Verfall ein: „Das letzte Jahrhundert des nasridischen Granadas steht im Zeichen des Krieges, der Vertragsverletzungen, der politischen Anarchie im Inneren des Königsreiches, der dynastischen Krisen und von Ansprüchen ohne jedes Maß, die die Epoche mit heftigen Wechselfällen überziehen.“[36]

 

Wie wir gesehen haben, war das Emirat Granada von Anfang an auf die Duldung durch Kastilien angewiesen, was dieses sich auch honorieren ließ und was vertraglich festgehalten wurde. Daran hatte sich auch im 15. Jahrhundert nichts geändert. Es gab auch hier einen Vasallenvertrag: er wurde 1438 zwischen König Juan II. von Kastilien und Emir Muhammad IX. geschlossen. Er sicherte Granada zu, nicht angegriffen zu werden, dafür erklärte sich sein Herrscher zum Vasallen und versprach eine jährliche Tributzahlung. Unter bestimmten Gegebenheiten waren kleinere Kämpfe erlaubt - z. B. durften sie nicht länger als drei Tage dauern.[37]

 

Dann gab es aber auch die Verträge der Waffenruhen, die für die unterschiedlichste Zeitdauer abgeschlossen werden konnten - für ein Jahr so wie 1475, für fünf Jahre wie 1476, für 3 Jahre wie 1478. [38] Diese letzte Waffenruhe war für Kastilien noch aus einem anderen Grund wichtig und notwendig: sie verschaffte ihm an der granadinischen Front Ruhe, denn es gab noch ein anderes Problem zu lösen, nämlich den Konflikt mit Portugal. Deshalb wurden bei diesem Vertrag dem Emir von Granada die jährlichen Tributzahlungen, wie sie seine Vorgänger über Jahrzehnte bezahlt hatten, ausnahmsweise erlassen. [39]

 

Die Waffenruhen dienten dazu, die „großen Feindseligkeiten aufzuheben und die gegenseitigen Beziehungen im Grenzgebiet zu erleichtern“[40], und sie regelten den Austausch von Gefangenen, die...

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