Sie sind hier
E-Book

Menschenbilder als Bezugssysteme für Konzepte des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung

AutorChristoph Mauthner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl95 Seiten
ISBN9783640171002
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Pädagogik - Berufserziehung, Berufsbildung, Weiterbildung, Note: 2,0, Karl-Franzens-Universität Graz, 47 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Unbestritten ist, dass gewandelte Anforderungen das Lehr- und Lernhandeln verändern werden. Rollen und Aufgaben von Lehrenden, von Lernenden und von Bildungseinrichtungen bekommen andere Akzente...neue Leitbilder sind gefragt' (Heuer 2001, S. 14). Besonders im Bereich der Erwachsenenbildung (insbesondere im wirtschaftlichen Kontext) entsteht durch wirtschaftliche Dynamik, gesellschaftliche Veränderungen, politische Einflüsse und pluralisierte Lebensformen ein bildungsrelevantes Spannungsfeld. Aus Sicht der Pädagogik sollte diesem viel Aufmerksamkeit geschenkt werden, da aufgrund einer hohen Komplexität der Sachverhalte zahlreiche Chancen, spannende Herausforderungen und beunruhigende Gefahren nebeneinander, kaum ausreichend systematisch geordnet, koexistieren. Vor allem die Auswirkungen der wirtschaftlichen Dynamik, die nicht zuletzt auch durch eine neoliberale Politik auch gezielt herbeigeführt wurden, reichen weit in den Gegenstand der Weiterbildung hinein. Bildungsprozesse, -programme und -konzepte werden verstärkt nach ökonomischen Kriterien bewertet - Bildung muss sich betriebswirtschaftlich rechnen! Inwieweit sich Bildung aber berechnen und berechenbar machen lässt, ist für zahlreiche Bildungsexperten fraglich, insbesondere da Auswirkungen und Ergebnisse von Bildung bei verschiedenen Bildungsempfängern verschieden lange Wirkungsdauer aufweist bzw. verschieden wirken kann - oft zeigen sich Resultate von Bildungsmaßnahmen erst über viele Jahre hinweg. Darüber hinaus fordern BildungsexpertInnen immer wieder auch ein ökonomisch zweckfreies Lernen, Bildung um des Menschen willen, ohne erst Legitimation durch wirtschaftliche Kennzahlen zu erhalten. Menschen lernen sehr verschieden, manchmal über Um- und Abwege. Bildung die gemanagt wird und sich in erster Linie an wirtschaftlichen Zahlen orientiert, tut sich schwer diese Tatsachen ausreichend zu berücksichtigen. So tut sich auf dem Gebiet der Bildung im wirtschaftlichen Kontext ein Spannungsfeld auf, zwischen pädagogischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen, das stark zwischen ökonomischen Sinn, Zweck und Effizienz von Bildung und der gesellschaftlichen Verantwortung von Bildung, jenseits einer wirtschaftlichen Verzweckung polarisiert. [...]

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

3. Spannungsfelder

 

3.1 Bildungsmanagement und berufliche Weiterbildung als Spannungsfelder zwischen

 

pädagogischen Idealen und wirtschaftlichen Anforderungen

 

Welche Spannungsfelder sich auftun, wenn pädagogische Ziele und Ideale mit wirtschaftlichen Anforderungen auf  dem Gebiet des Bildungsmanagements und der beruflichen Weiterbildung aufeinander treffen, lässt sich nach den bisherigen Ausführungen bereits erkennen. Diese Spannungsfelder zu beschreiben und zu diskutieren, um sie letztendlich besser zu verstehen, ist wohl Voraussetzung für PädagogInnen, um die Spannungen zum Wohle aller Beteiligter zu entschärfen bzw. aufzulösen. Diese Auseinandersetzung kann  aber auch genutzt werden, um auf gesellschaftlich erwünschte und unerwünschte Auswirkungen der Bildungsprozesse in diesem Spannungsfeld hinzuweisen, um so gestalterisch in gesellschaftliche Entwicklungen einzugreifen. Aus diesem Anliegen heraus, soll im Folgenden auf wesentliche, gemeinsame Aspekte der Spannungsfelder eingegangen werden. Wie bereits in Kap 1.1 beschrieben, treffen in diesen Spannungsfeldern drei maßgebliche Interessengruppen aufeinander, die auf Zielsetzung, Gestaltung und Durchführung dieser Bildungsmaßnahmen Einfluss nehmen wollen: VetreterInnen der Erziehungs- und Bildungswissenschaft, VertreterInnen der Wirtschaft und VertreterInnen der Politik.

 

3.1.1 Einflüsse bzw. Interessen der Erwachsenenbildung

 

Seitens des pädagogischen Interessenlagers gibt es, diese Spannungsfelder betreffend, wohl mehrere Zugänge und Denkströmungen, da es innerhalb der pädagogischen Disziplin verschiedene Positionen mit verschiedenen Auffassungen gibt, die mehr oder weniger kritisch an diese Handlungsfelder herangehen. Auf diese verschiedenen Denktraditionen wird  in Kap. 4 detaillierter eingegangen.

 

 Ganz generell kann man jedoch wohl die Aufgaben und Interessen der PädagogInnen damit zusammenfassen, dass sie versuchen ihre Klientel beim Erwerb und Umsetzen von Wissen zu unterstützen. Dem individuellen Lernerfolg von Bildungsmaßnahmen wird zumeist ein größerer Wert beigemessen als deren Wirtschaftlichkeit, und der Begriff „soziale Verantwortung der Bildung“ hat wohl ein schwereres Gewicht als aus wirtschaftlicher Perspektive. Ulrike Heuer (2001) sieht das Hauptinteresse der WeiterbildnerInnen also darin, Bildungsprogramme zu konzipieren und Rahmenbedingungen in den besagten Spannungsfeldern so zu gestalten, dass durch Bildung „die persönliche Entfaltung der TeilnehmerInnen gefördert wird, sodass sie ihre Fähigkeiten in … Gestaltungskraft umsetzen können, unter der Prämisse von sozialer Verantwortung“ (Heuer 2001, S. 14).

 

Heuer (2001) definiert grundsätzlich zwei historische Stränge der Lehr- und Lernkulturvertreter, die, mehr oder weniger ausgeprägt, bis heute pädagogische Zielsetzungen und Vorstellungen bezüglich der Weiterbildung prägen (Heuer 2001, S. 16f):

 

Der erste Strang ist „die Lehr- und Lernkultur mit emanzipatorischem Anspruch. Der dringliche Wunsch nach mehr Sorgfalt in der industriellen Produktion bzw. im Umgang mit der Natur und der Wunsch nach Geschlechtergerechtigkeit waren Motoren der Entwicklung“ dieses Stranges. Der erwachsene Mensch soll demnach emanzipiert werden, entsprechendes Verhalten an den Tag zu legen bzw. auch einzufordern. Veränderungen der Gesellschaft im emanzipatorischen Sinn werden „gefördert und gefordert“.

 

Der zweite Strang ist eine „Lehr-/Lernkultur zur Modernisierung der Gesellschaft“. Moderne Kommunikations- und Informationsmedien, sowie wirtschaftliche Konzepte der Humanressource, sind „Triebkräfte dieser Lehr-/Lernkultur“. Die Entwicklung dieses Stranges geht mit der „spürbaren Veränderung der Arbeits- und Lebenswelt seit Mitte der 1980er Jahre (neue Technologie im Arbeitseinsatz, sowie neue Arbeitsorganisation und veränderte Lebensweisen)“ einher.

 

Es scheint, dass der zweite Strang die Bildungskultur der beruflichen Weiterbildung und des Bildungsmanagements zu dominiert. Zahlreiche pädagogische AutorInnen sehen den emanzipatorischen Anspruch von Bildung in diesem Bereich als gefährdet. Elke Gruber (1997) hilft jenes prekäre Spannungsverhältnis zu verdeutlichen „in dem sich seit der Aufklärung Bildung, vor allem berufliche Bildung immer bewegt hat und noch bewegt: Nämlich einerseits für den jeweiligen Arbeitsmarkt zu qualifizieren, d.h. Menschen vor allem brauchbar zu machen und anderseits einen Beitrag zur individuellen Menschenbildung, als Freiheit zu Urteil und Kritik zu leisten“ (Gruber 1997, S. 11). Bezüglich beruflicher Weiterbildung wirkt dieser Sachverhalt noch dramatischer: Kann überhaupt etwas anderes seitens der wirtschaftlichen Auftraggeber interessieren, als Menschen brauchbar zu machen? Ist individuelle Menschenbildung, die zu ungebundenem Urteil und freier Kritik befähigt, denn überhaupt erstrebenswert? Werner Lenz (1995) nähert sich diesem Sachverhalt aus seiner Sicht wie folgt und befürchtet: „Unter dem ökonomischen Diktat, dass sich gegen Ende dieses Jahrhunderts immer mehr hervorkehrt, zeigt sich Bildung nicht mehr als Träger von Humanisierung und Aufklärung sondern als zweckrationale, systemerhaltende Einrichtung[2]“ (Lenz 1995, S. 14).

 

Oskar Negt (2001) scheint emanzipatorische Bildung im Spannungsfeld Bildung, Wirtschaft und Politik vollends als Verlierer zu sehen: „…noch nie in der Geschichte hat es eine so enge, dürftige, offizielle Definiton des Menschen gegeben wie heute: abgemagert, um seine Potentiale, seine Fähigkeiten gebracht. Er soll sich nicht ausruhen in der Bildung, Muße und Mußefähigkeit entwickeln, sondern sich schnell umbilden, flexibel sein, vergessen können, was er gestern gedacht hat“ (Negt 2001, S. 321). „Die vorherrschende ökonomische Ideologie definiert einen universell verfügbaren Menschen…Die Menschen verhalten sich systemgerecht nur, wenn sie bereitwillig und mit befriedigtem Gesichtsausdruck um die Sonne des Kapitals kreisen“ (Negt 2001, S. 320).

 

Im pädagogischen Lager scheint also vor allem aus der Sicht der kritischen Erziehungs- und Bildungswissenschaft viel Skepsis gegenüber dem Zusammentreffen von Bildung und Wirtschaft zu herrschen, wenn es gilt Bildungsprozesse zu konzipieren und durchzuführen, die letztendlich (betriebs-)wirtschaftliche Ziele verfolgen bzw. von solchen stark mitdeterminiert werden. Vorrangig ist die Sorge der PädagoInnen festzuhalten, dass wenn ausschließlich ein vordergründiger Kosten-Nutzen-Faktor über die Durchführung von Bildungsmaßnahmen entscheidet, die Gefahr im Raum steht, dass wichtige pädagogische, emanzipatorische Ziele der Erwachsenenbildung als bedeutungslos angesehen werden und mangels wirtschaftlicher Verwertbarkeit nicht mehr verfolgt werden. „Was keinen ökonomischen Nutzen oder keine gewinnbringende Verwertung verspricht, findet wenig Rückhalt…“ (Lenz 1995. S. 10).

 

3.1.2 Einflüsse bzw. Interessen der Wirtschaft

 

Im Gegensatz zur Erziehungs- und Bildungswissenschaft ließen sich die Betriebswirtschaftslehre und die Managementwissenschaft von Wertediskussionen und pädagogischen Bedenken weit weniger verunsichern, „was zur Folge hatte, dass sich Bildungsmanagement als Begriff und Forschungsgebiet sehr viel leichter und erfolgreicher in der Betriebswirtschaftslehre als in der Pädagogik durchsetzen konnte“ (Geißler, 1994. S. 263).

 

Aus Sicht des wirtschaftlichen Interessenlagers soll Bildung vor allem profitabel sein, effizient sein und möglichst wenig Zeit und Geld kosten.

 

„Bildungsinvestitionen in das Humankapital wurden zur betriebswirtschaftlichen Größe“ und Bildung zu einem Investitionsgut, das sich „individuell, betrieblich und gesellschaftlich rentieren muss, indem es kurz- oder langfristig Gewinne verspricht (Gruber 1997, S. 280). Da Bildung tatsächlich wirtschaftliche Gewinne versprach und verspricht, wurden und werden – jenseits aller pädagogischen Bedenken – berufliche Weiterbildung und Management von Bildung im Unternehmen, von Unternehmen als Wettbewerbsvorteil erkannt und durchgeführt. Berufliche Weiterbildung wurde in vielen Unternehmen in Form von Personal- und Organisationsentwicklung oder auch als Wissens- und Informationsmanagement integriert (vgl. Merk 1998, S. 7).

 

Auch in anderen Bildungsbereichen, wie in NPO´s, Behörden oder auch Schulen wurde und wird Bildung zunehmend auch zu einer wirtschaftlichen Angelegenheit. Es wird versucht und verlangt, dass Bildungsprozesse vermehrt auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht werden. Durch die starke Betonung der wirtschaftlichen Komponente entwickelte sich zunehmend die „Aus- und Weiterbildung … von einer rein pädagogischen Aktivität zum Bildungsmanagement“ (Decker 2000, S. 12), was unter anderem dazu geführt hat, dass die Managementkomponente und wirtschaftliche Durchführung der Bildung professioneller wurde. Damit einher geht das Interesse und der Versuch des wirtschaftlichen Interessenlagers, Bildungsprozesse nach ökonomischen Kriterien messbar, kontrollierbar und evaluierbar zu machen. Denn wenn Bildung ökonomisch effizient gestaltet und eingesetzt werden will, muss sie in Form von betriebswirtschaftlichen Größen, also in Kennzahlen ausgedrückt und beschrieben werden. Ob die pädagogische Qualität der Bildungsmaßnahmen damit ebenfalls professioneller geworden ist, ist fraglich.

 

Das...

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

Deutsche Hockey Zeitung

Deutsche Hockey Zeitung

Informiert über das nationale und internationale Hockey. Die Deutsche Hockeyzeitung ist Ihr kompetenter Partner für Ihren Auftritt im Hockeymarkt. Sie ist die einzige bundesweite Hockeyzeitung ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...