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E-Book

Menschenhändler

Die Schattenwirtschaft des islamistischen Terrorismus

AutorLoretta Napoleoni
VerlagRotpunktverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783858697196
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Die Menschen, die zu Tausenden an Europas Küsten stranden, fliehen vor dem Krieg in Syrien und Irak, und sie legen ihr Schicksal dafür ausgerechnet in die Hände der Nutznießer dieses Kriegs: Kidnapper, Schmuggler, Dschihadisten. Im Zentrum des Machtvakuums, das die Interventionen des Westens nach 9/11 im Nahen Osten und in Libyen hinterlassen haben, ist ein einträgliches neues Geschäftsmodell entstanden. Aus der Not der Flüchtlinge machen Schlepper ein Milliardengeschäft. Aber auch Entführungen sind eine lukrative Finanzierungsquelle für den Terror, und ihre Opfer sind zumeist westliche Journalisten oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Loretta Napoleonis neues Buch basiert auf einer Vielzahl von exklusiven Gesprächen mit ehemaligen Geiseln, Unterhändlern und Mitarbeitern der Vereinten Nationen oder des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz u. a. Aus diesen Protokollen wird das hochprofessionelle Netzwerk von Menschenhändlern deutlich, das sich von Westafrika über Libyen und von Syrien bis nach Europa erstreckt und aus dem heute Terrororganisationen wie al-Quaida und der sogenannte Islamische Staat buchstäblich Kapital schlagen - die Mitverursacher der Flüchtlingskrise sind gleichzeitig deren größte Profiteure.

Loretta Napoleoni, geboren 1955 in Rom, ist Expertin für die ökonomischen Grundlagen des internationalen Terrorismus und ist als Beraterin für verschiedene Regierungen tätig. Ihr Buch Die Rückkehr des Kalifats. Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens (Rotpunktverlag, 2. Auflage 2015) wurde weltweit in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Loretta Napoleoni lebt in London.

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Leseprobe

VORWORT ZUR DEUTSCHSPRACHIGEN AUSGABE


In den vergangenen zwei Jahren ist Europa Opfer mehrerer Anschläge geworden, die die Handschrift des sogenannten Islamischen Staats tragen. Diese Attentate fielen in eine Zeit, als die Europäische Union die größte Migrationsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen versuchte. Angela Merkel öffnete den syrischen Flüchtlingen die Tür, aber als die Festung Europa erst einmal zugänglich war, machten sich auch Migrantinnen und Migranten aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten auf den Weg zum Alten Kontinent.

Sowohl die Welle der Terroranschläge als auch der Exodus der Flüchtlinge sind in Zusammenhang gebracht worden mit dem Bürgerkrieg in Syrien und dem Aufstieg des Islamischen Staats. Dies ist allerdings eine vereinfachte Interpretation eines sehr komplexen Phänomens. Tatsächlich liegen die Wurzeln jüngerer Ereignisse – etwa der Entführungen im Maghreb und in Afghanistan, die sich im vergangenen Jahrzehnt abspielten – tiefer: im Fall der Berliner Mauer und im Krieg gegen den Terror. Nach 1989 führte die Destabilisierung der Sahelzone und des Horns von Afrika zum Sturz vieler Regime, die entweder von den USA oder von der UdSSR gestützt worden waren – und in der Anarchie gediehen Kriminalität und Jihadismus. Die Geburt von al-Qaida im Islamischen Maghreb ist das beste Beispiel hierfür.

Das falsche Gefühl der Sicherheit, das sich nach dem Ende des Kalten Krieges und mit dem Vormarsch der Globalisierung verbreitete, verleitete auch deutsche Touristen dazu, in scheinbar ungefährliche Regionen zu reisen, in denen jedoch kriminelle und terroristische Gruppen operierten. Als dieser Prozess der Destabilisierung auf andere Regionen der muslimischen Welt übergriff, waren auch professionelle Journalisten nicht mehr vor Entführungen sicher. Ihre Kidnapper waren kriminelle Organisationen, die zuweilen mit jihadistischen Gruppen verflochten waren und deren Hauptgeschäft der Handel mit Menschen geworden ist. Wie konnte es dazu kommen?

Meine Recherchen zu Entführungen und Menschenhandel begannen vor über zehn Jahren. Kurz nach den Anschlägen von 9/11 begann ich, auf der ganzen Welt mit Leuten zu reden, die sich mit Terrorbekämpfung und Geldwäsche beschäftigen. Sie alle waren sich einig, dass der Patriot Act, die unter der Regierung George W. Bushs nach dem 11. September 2001 verabschiedeten Anti-Terror-Gesetze, das kolumbianische Drogenkartell dazu veranlasste, mit dem organisierten Verbrechen in Italien zusammenzuarbeiten, um die Profite aus dem Drogenhandel in Europa und Asien zu waschen und neue Routen zu finden, um das Kokain nach Europa zu schaffen. Venezuela, Westafrika und die Sahelzone wurden zu den wichtigsten Umschlagplätzen.

Bald stiegen afrikanische Schmuggler ins Geschäft ein und transportierten das Kokain durch die Wüste. Die malische Stadt Gao wurde zur zentralen Drehscheibe. Von Gao wurde das Kokain durch die Sahara an die Mittelmeerküsten von Marokko, Algerien und Libyen befördert und dann mit kleinen Schiffen weiter nach Europa.

2003 ging eine Gruppe ehemaliger Mitglieder der algerischen Terrorgruppe Groupe Islamique Armé, GIA, die am Drogenschmuggel durch die Sahara beteiligt waren, zum Entführungsgeschäft über und verschleppte in Mali und im südlichen Algerien 32 Europäer. Die Geiseln wurden entlang der transsaharischen Schmugglerrouten in Lager im nördlichen Mali transportiert. Die europäischen Regierungen zahlten hohe Lösegelder, um ihre Landsleute nach Hause zu bringen – genug, um damit eine neue bewaffnete Gruppe zu finanzieren: al-Qaida im Islamischen Maghreb.

Die Entführung der 32 Europäer zeigte, dass die Verschleppung von westlichen Staatsbürgern für kriminelle Organisationen und Milizen zu einer wichtigen Geldquelle werden könnte. Die Jagd auf westliche Geiseln war jetzt eröffnet.

In der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre, nur fünf Jahre nach 9/11, verschärfte der Kokainhandel die Destabilisierung der Sahelzone. Mehrere gescheiterte und scheiternde Staaten bildeten sich heraus, und ihre Bevölkerungen wurden durch Bürgerkriege und wirtschaftliche Not zur Flucht nach Europa gezwungen. Schnell investierte al-Qaida im Islamischen Maghreb einen Teil der Profite aus dem Entführungsgeschäft in den Menschenhandel.

Unter den Leuten, die ich seit 9/11 getroffen habe, sind mehrere Unterhändler, die über die Befreiung von Geiseln verhandeln. Als Vermittler zwischen den Parteien haben sie einen einmaligen Einblick ins Entführungsgeschäft. Das Versäumnis der Regierungen, die Öffentlichkeit über die Entführungskrise angemessen zu informieren, verhinderte ihrer Meinung nach, dass man sich gründlicher mit der Situation in der Region auseinandersetzte. So war es für die Kidnapper ein Leichtes, auch in den Menschenhandel einzusteigen.

Als Chronistin der dunklen Seite der ökonomischen Globalisierung kam ich zum Schluss, dass die Politik der Verschwiegenheit, auf die die Regierungen verfielen, darauf zurückzuführen war, dass diese die Schwachstellen der Globalisierung um jeden Preis zu verbergen versuchten. Als nach dem Fall der Mauer immer mehr Staaten scheiterten und ganze Regionen in Anarchie versanken, boten sich Möglichkeiten für Entführungen und Menschenhandel, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte. Und während die Staaten des Westens darüber Stillschweigen bewahrten, konnten sich diese schmutzigen Geschäfte uneingeschränkt ausbreiten. Es war, als hätten sich die Feuerwehrleute entschieden, während eines Waldbrands in den Streik zu treten.

An wertvoller Beute mangelte es nicht. In den vergangenen 25 Jahren hat ein falsches Gefühl der Sicherheit junge, unerfahrene Bürgerinnen und Bürger aus reicheren Staaten – seien es die USA, Japan, Chile oder Dänemark – dazu verleitet, alle Ecken der Welt zu erkunden und über sie zu berichten oder der Bevölkerung in Kriegsgebieten zu helfen. Diese umherreisenden Reporter und humanitären Helfern sind zu den primären Zielen moderner Kidnapper geworden.

Seit 9/11 hat die Zahl der Entführungen exponentiell zugenommen, und ebenso die Summen, die als Lösegelder gefordert werden. 2004 konnte man eine westliche Geisel im Irak mit zwei Millionen Dollar freikaufen. Heute werden bis zu zehn Millionen verlangt. Ein Mitglied des italienischen Krisenteams für Entführungsfälle merkte sarkastisch an, dass die Befreiung von Greta Ramelli und Vanessa Marzullo – zwei junge Italienerinnen, die 2015 in Syrien entführt und an die Nusra-Front verkauft worden waren – fast ein Prozent des BIP kostete – dreizehn Millionen Euro! Ebenso hat die Zahl privater Sicherheitsunternehmen, die sich auf Entführungen spezialisieren, markant zugenommen, und die Kosten ihrer Dienstleistungen sind in die Höhe geschossen: Vor zehn Jahren bezahlte man rund tausend Euro pro Tag; heute ist es das Dreifache.

Anscheinend sind im Geschäft mit Entführungen die Gesetze der Ökonomie außer Kraft gesetzt. Vor zehn Jahren hätte man erwartet, dass die tiefe Inflation und der starke Wettbewerb unter den Kidnappern und privaten Sicherheitsfirmen die Preise drücken würden, aber stattdessen sind sie gestiegen. Der Grund ist einfach: Die Zahl der potenziellen westlichen Geiseln ist schier unbegrenzt, und Regierungen sowie private Unterhändler liefern sich einen Wettkampf darum, wer seine Bürger zuerst freibekommt – wodurch die Preise für Mittelsmänner, Informanten, Fahrer und andere in die Höhe getrieben werden.

Heute wissen wir, dass der Export der westlichen Demokratie in jeden Winkel der Welt ins Auge gegangen ist: Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks ist die Welt nicht nur für Nordamerikaner und Europäer viel gefährlicher geworden, sondern auch für Asiaten, Afrikaner und Lateinamerikaner, die millionenfach zu Wanderarbeitern und Wirtschaftsflüchtlingen geworden sind. Jetzt, nachdem dieses Schicksal auch den Nahen Osten erreicht hat, verschiebt sich das Geschäftsmodell der Kidnapper erneut, und sie verlegen sich verstärkt auf den Handel mit Menschen, die dem Elend des Bürgerkriegs zu entfliehen versuchen: Die menschliche Fracht, mit der sie handeln, sind nun nicht mehr Geiseln, sondern Migranten. Entführungen von westlichen Bürgern und der Schmuggel von Migranten sind also durch eine gegenseitige Abhängigkeit miteinander verbunden.

Als 2015 im Nahen Osten die Flüchtlingskrise in einer neuen Heftigkeit ausbrach, wurden Entführer und Schieber schnell zu Menschenhändlern. Sie konnten sich eine bereits vorhandene Organisation zunutze machen, und darüber hinaus verfügten sie dank ihren Geschäften mit Geiseln über reichlich Bargeld, das sie in ihr neues Unterfangen investierten. Menschenhändler befördern jede Woche Zehntausende Flüchtlinge zu den Küsten Europas und nahmen so im Verlauf des Sommers 2015 rund hundert Millionen Dollar pro Monat ein. Das Geschäft ist deshalb so einträglich, weil die Nachfrage das Angebot weitaus übersteigt und die Reise nach Europa laufend teurer wird. Vor zehn Jahren...

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