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Miteinander reden 1

Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation

AutorFriedemann Schulz von Thun
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
ReiheMiteinander reden 1
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783644446410
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Kommunikationspsychologie für alle - das Standardwerk Beruf, Beziehung, Alltag: Ständig müssen wir mit anderen kommunizieren. Und immer wieder entstehen dabei Probleme; selbst scheinbar einfache Situationen bergen Tücken. Oft gelingt es nicht, uns verständlich zu machen, geschweige denn, uns durchzusetzen. Und ebenso oft begreifen wir unser Gegenüber nicht. Gespräche werden zum Streit, ohne dass uns so recht klar ist, warum. Friedemann Schulz von Thun zeigt, welche Erkenntnisse die Kommunikationspsychologie bietet, damit wir persönlich und sachlich besser miteinander klarkommen. Miteinander reden 1 erklärt, wie zwischenmenschliche Kommunikation abläuft. Was sind die typischen Probleme? Und wie können wir sie beheben? Band 2 stellt die unterschiedlichen Kommunikationsstile vor, die Menschen haben. Wie gehen wir damit jeweils am besten um? Und wie können wir das Wissen um unseren eigenen Kommunikationsstil für unsere Persönlichkeitsentwicklung nutzen? Band 3 schließlich stellt das Modell des «Inneren Teams» vor. Die Erkenntnis dahinter: Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser. Alles, was man wissen muss, um stimmig zu kommunizieren! «Wenn es um Kommunikation oder Rhetorik geht, kommt man um den Namen Schulz von Thun nicht herum.» Psychologie heute

Friedemann Schulz von Thun (*1944) studierte in Hamburg Psychologie, Pädagogik und Philosophie und promovierte bei Reinhard Tausch und Inghard Langer über Verständlichkeit bei der Wissensvermittlung. Nach seiner Habilitation wurde er zum Professor für Pädagogische Psychologie in Hamburg berufen (1976 - 2009). Außerdem konzipierte er Kommunikationstrainings für Lehrer und Führungskräfte, später für Angehörige aller Berufsgruppen (1971 bis heute). Er ist Autor zahlreicher Bücher und Herausgeber der Reihe «Miteinander reden: Praxis» Für weitere Informationen siehe www.schulz-von-thun-institut.de

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Leseprobe

Teil A: Grundlagen


I. Die Anatomie einer Nachricht


(oder: Wenn einer etwas von sich gibt …)

Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation ist schnell beschrieben. Da ist ein Sender, der etwas mitteilen möchte. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen – wir nennen das, was er von sich gibt, seine Nachricht. Dem Empfänger obliegt es, dieses wahrnehmbare Gebilde zu entschlüsseln. In der Regel stimmen gesendete und empfangene Nachricht leidlich überein, so dass eine Verständigung stattgefunden hat. Häufig machen Sender und Empfänger von der Möglichkeit Gebrauch, die Güte der Verständigung zu überprüfen: Dadurch, dass der Empfänger zurückmeldet, wie er die Nachricht entschlüsselt hat, wie sie bei ihm angekommen ist und was sie bei ihm angerichtet hat, kann der Sender halbwegs überprüfen, ob seine Sende-Absicht mit dem Empfangsresultat übereinstimmt. Eine solche Rückmeldung heißt auch Feedback.

Schauen wir uns die «Nachricht» genauer an. Für mich selbst war es eine faszinierende «Entdeckung», die ich in ihrer Tragweite erst nach und nach erkannt habe, dass ein und dieselbe Nachricht stets viele Botschaften gleichzeitig enthält. Dies ist eine Grundtatsache des Lebens, um die wir als Sender und Empfänger nicht herumkommen. Dass jede Nachricht ein ganzes Paket mit vielen Botschaften ist, macht den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation so kompliziert und störanfällig, aber auch so aufregend und spannend.

Um die Vielfalt der Botschaften, die in einer Nachricht stecken, ordnen zu können, möchte ich vier seelisch bedeutsame Seiten an ihr unterscheiden. Ein Alltagsbeispiel (s. Abb. 3).

Abb. 3:

Beispiel für eine Nachricht aus dem Alltag: Die Frau sitzt am Steuer, der Mann (Beifahrer) ist Sender der Nachricht.

Der Mann (= Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (= Empfänger): «Du, da vorne ist grün!» – Was steckt alles drin in dieser Nachricht, was hat der Sender (bewusst oder unbewusst) hineingesteckt, und was kann der Empfänger ihr entnehmen?

1. Sachinhalt


(oder: Worüber ich informiere)

Zunächst enthält die Nachricht eine Sachinformation. Im Beispiel erfahren wir etwas über den Zustand der Ampel – sie steht auf Grün. Immer wenn es «um die Sache» geht, steht diese Seite der Nachricht im Vordergrund – oder sollte es zumindest.

Auch im Augenblick übermittle ich in diesem Kapitel an den Leser zahlreiche Sachinformationen. Sie erfahren hier Grundlagen der Kommunikationspsychologie. – Dies ist jedoch nur ein Teil von dem, was sich gegenwärtig zwischen mir (dem Sender) und Ihnen (den Empfängern) abspielt. Wenden wir uns daher dem zweiten Aspekt der Nachricht zu:

2. Selbstoffenbarung


(oder: Was ich von mir selbst kundgebe)

In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über die mitgeteilten Sachinhalte, sondern auch Informationen über die Person des Senders. Dem Beispiel können wir entnehmen, dass der Sender offenbar deutschsprachig und vermutlich farbtüchtig ist, überhaupt, dass er wach und innerlich dabei ist. Ferner: dass er es vielleicht eilig hat usw. Allgemein gesagt: In jeder Nachricht steckt ein Stück Selbstoffenbarung des Senders. Ich wähle den Begriff der Selbstoffenbarung, um damit sowohl die gewollte Selbstdarstellung als auch die unfreiwillige Selbstenthüllung einzuschließen. Diese Seite der Nachricht ist psychologisch hochbrisant, wie wir sehen werden.

Auch während Sie dieses jetzt lesen, erfahren Sie nicht nur Sachinformationen, sondern auch allerhand über mich, Schulz von Thun, den Autor. Über meine Art, Gedanken zu entwickeln, bestimmte Dinge wichtig zu finden. Würde ich Ihnen dieses mündlich vortragen, könnten Sie aus der Art, wie ich mich gäbe, vielleicht Informationen über meine Fähigkeiten und meine innere Befindlichkeit entnehmen. Der Umstand, dass ich – ob ich will oder nicht – ständig auch Selbstoffenbarungsbotschaften von mir gebe, ist mir als Sender wohl bewusst und bringt mich in Unruhe und in Bewegung. Wie werde ich dastehen als Autor? Ich möchte Sachinformationen vermitteln, jawohl, aber ich möchte auch einen guten Eindruck machen, möchte mich als eine Person präsentieren, die etwas anzubieten hat, die weiß, wovon sie schreibt, und die gedanklich und sprachlich «auf der Höhe» ist.

Mit dieser Seite der Nachricht verbinden sich viele Probleme der zwischenmenschlichen Kommunikation. In einem späteren Kapitel (S. 118ff.) werde ich darstellen, wie der Sender versucht, mit dieser Problematik fertigzuwerden. Wie er, in dem Bemühen, sich von der besten Seite zu zeigen, allerlei Techniken der Selbsterhöhung und Selbstverbergung anwendet – nicht immer zu seinem eigenen Besten.

3. Beziehung


(oder: Was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen)

Aus der Nachricht geht ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht, was er von ihm hält. Oft zeigt sich dies in der gewählten Formulierung, im Tonfall und anderen nichtsprachlichen Begleitsignalen. Für diese Seite der Nachricht hat der Empfänger ein besonders empfindliches Ohr; denn hier fühlt er sich als Person in bestimmter Weise behandelt (oder misshandelt). In unserem Beispiel gibt der Mann durch seinen Hinweis zu erkennen, dass er seiner Frau nicht recht zutraut, ohne seine Hilfe den Wagen optimal zu fahren.

Möglicherweise wehrt sich die Frau gegen diese «Bevormundung» und antwortet barsch: «Fährst du oder fahre ich?» – wohlgemerkt: ihre Ablehnung richtet sich in diesem Fall nicht gegen den Sachinhalt (dem wird sie zustimmen!). Sondern ihre Ablehnung richtet sich gegen die empfangene Beziehungsbotschaft.

Allgemein gesprochen: Eine Nachricht senden heißt auch immer, zu dem Angesprochenen eine bestimmte Art von Beziehung auszudrücken. Streng genommen ist dies natürlich ein spezieller Teil der Selbstoffenbarung. Jedoch wollen wir diesen Beziehungsaspekt als davon unterschiedlich behandeln, weil die psychologische Situation des Empfängers verschieden ist: Beim Empfang der Selbstoffenbarung ist er ein nicht selbst betroffener Diagnostiker («Was sagt mir deine Äußerung über dich aus?»), beim Empfang der Beziehungsseite ist er selbst «betroffen» (oft im doppelten Sinn dieses Wortes).

Genau genommen sind auf der Beziehungsseite der Nachricht zwei Arten von Botschaften versammelt. Zum einen solche, aus denen hervorgeht, was der Sender vom Empfänger hält, wie er ihn sieht. In dem Beispiel gibt der Mann zu erkennen, dass er seine Frau für hilfsbedürftig hält. – Zum anderen enthält die Beziehungsseite aber auch eine Botschaft darüber, wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht («so stehen wir zueinander»). Wenn jemand einen anderen fragt: «Na, und wie geht es in der Ehe?» – dann enthält diese Sach-Frage implizit auch die Beziehungsbotschaft: «Wir stehen so zueinander, dass solche (intimen) Fragen durchaus möglich sind.» – Freilich kann es sein, dass der Empfänger mit dieser Beziehungsdefinition nicht einverstanden ist, die Frage für deplatziert und zudringlich hält. Und so können wir nicht selten erleben, dass zwei Gesprächspartner ein kräftezehrendes Tauziehen um die Definition ihrer Beziehung veranstalten (s. Kap. B III, 4, S. 206ff.).

Während also die Selbstoffenbarungsseite (vom Sender aus betrachtet) Ich-Botschaften enthält, enthält die Beziehungsseite einerseits Du-Botschaften und andererseits Wir-Botschaften.

Was spielt sich jetzt, während Sie diesen Text lesen, auf der Beziehungsseite der Nachricht ab? Indem ich überhaupt diesen Beitrag geschrieben und veröffentlicht habe, gebe ich zu erkennen, dass ich Sie hinsichtlich unseres Themas für informationsbedürftig halte. Ich weise Ihnen die Rolle des Schülers zu. Indem Sie lesen (und weiterlesen), geben Sie zu erkennen, dass Sie eine solche Beziehung für den Augenblick akzeptieren. Es könnte aber auch sein, dass Sie sich durch meine Art der Entwicklung von Gedanken «geschulmeistert» fühlen. Dass Sie bei sich denken: «Mag ja ganz richtig sein, was der da schreibt (Sachseite der Nachricht), aber die dozierende Art fällt mir auf den Wecker!» Ich habe selbst erlebt, dass manche Empfänger allergisch reagieren, wenn ich die Sachinformation übertrieben verständlich darstelle; das Gefühl mag sein: «Er muss mich für dumm halten, dass er die Informationen so einfach, gleichsam ‹idiotensicher› darstellt.» Sie sehen, wie selbst bei sachorientierten Darstellungen die Beziehungsseite der Nachricht das Geschehen mitbestimmen kann.

4. Appell


(oder: Wozu ich dich veranlassen möchte)

Kaum etwas wird «nur so» gesagt – fast alle Nachrichten haben die Funktion, auf den Empfänger Einfluss zu nehmen. In unserem Beispiel lautet der Appell vielleicht: «Gib ein bisschen Gas, dann schaffen wir es noch bei grün!»

Die Nachricht dient also (auch) dazu, den Empfänger zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen. Dieser Versuch, Einfluss zu nehmen, kann mehr oder minder offen oder versteckt sein – im letzteren Falle...

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