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Mobilität vs. Nachhaltigkeit. Soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen des Car-Sharing

Eigentumslose PKW-Nutzung als Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung?

AutorMIchelle Borchardt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl135 Seiten
ISBN9783656176848
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich VWL - Verkehrsökonomie, Note: 1,7, Universität Bremen, Sprache: Deutsch, Abstract: In der heutigen arbeitsteiligen und international verflochtenen Gesellschaft und Wirtschaft ist Mobilität von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist nicht nur Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach Beweglichkeit, sondern auch Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft. Von besonderer Bedeutung ist im Rahmen der Verkehrswissenschaften dabei die räumliche Mobilität, die eng mit der Wahl eines Verkehrsträgers verbunden ist. Der Personenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland ist geprägt von einer Dominanz des Personenkraftwagens, was insbesondere seiner stetigen Verfügbarkeit und Ungebundenheit an vorgegebene Zeiten und Strecken, geschuldet ist. Was aus Nutzerperspektive jedoch die komfortabelste Art der Fortbewegung darstellt, geht mit zahlreichen negativen ökologischen, ökonomischen und sozialen Begleiterscheinungen einher. Lärmbelastungen, Flächenverbrauch, Verkehrsunfälle, Luftschadstoffemissionen und nicht zuletzt die Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen sind nur einige Probleme, die zu einem großen Teil aus dem Pkw-Verkehr resultieren und im Widerspruch zu den Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung stehen. Einen vielversprechenden Ansatz zur Minderung der negativen Folgen des Personenverkehrs bei einer gleichzeitigen Erhaltung der individuellen Mobilität, bietet die eigentumslose Pkw Nutzung, das sog. Car-Sharing. Dabei handelt es sich um eine organisierte Form der gemeinsamen Nutzung von Personenkraftwagen durch mehrere Nutzer, bei der eine Entkopplung von persönlichem Eigentum und individueller Nutzung entsteht, d.h. das individuelle Nutzungsrecht wird durch ein Kollektives ersetzt. Car-Sharing lässt sich so als eine Art öffentlichen Individualverkehr charakterisieren, der sich zwischen den öffentlichen Personenverkehr auf der einen Seite und den Individualverkehr auf der anderen Seite, einordnen lässt. Bisher gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit den ökologischen Wirkungen von Car-Sharing beschäftigt haben. Im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung gilt es jedoch zusätzlich die ökonomische und soziale Dimension zu berücksichtigen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt darin, herauszustellen, ob Car-Sharing im Vergleich zum Privat-Pkw einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland leistet und damit neben den positiven ökologischen Effekten zusätzlich positive ökonomische und soziale Effekte generiert.

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Leseprobe

3 Mobilität und Verkehr


 

Nachdem im zweiten Kapitel ein grundlegendes Nachhaltigkeitsverständnis geschaffen wurde, liegt das Ziel des vorliegenden Kapitels in der Schaffung eines Grundverständnisses von Verkehr und Mobilität, wozu zunächst eine genauere Bestimmung und Eingrenzung dieser beiden Begriffe stattfindet. Im Anschluss werden die Verkehrsträger im Personenverkehr voneinander abgegrenzt und charakterisiert, woraufhin sich Kapitel 3.4 mit dem Mobilitätsund Verkehrsverhalten in Deutschland auseinandersetzt.

 

3.1 Der Zusammenhang zwischen Mobilität, Bedürfnis und Verkehr


 

Der Begriff „Mobilität“ stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und beschreibt allgemein die Beweglichkeit von Personen und Sachen.[59] Die Verwendung des Begriffs kann in mehreren Zusammenhängen erfolgen. So spricht man etwa von beruflicher Mobilität, wenn der Wechsel von einem Beruf zum anderen vorgenommen wird. Daneben findet Mobilität auch häufige Verwendung im Zusammenhang mit dem Wechsel zwischen sozialen Schichten, gewählten Parteien, arbeitsplatzbietenden Sektoren etc.[60] Gerade für eine arbeitsteilige und international verflochtene Gesellschaft und Wirtschaft ist Mobilität von grundsätzlicher Bedeutung.[61] Sie ist nicht nur Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses nach Beweglichkeit, sondern auch Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft.[62] Im Rahmen der Verkehrswissenschaften ist die in dieser Arbeit zu betrachtende räumliche bzw. geographische Mobilität von besonderer Bedeutung.[63] Die Bundesregierung definiert dafür in ihrem Nachhaltigkeitsbericht Mobilität als die Verkehrsbeweglichkeit von Menschen und Gütern unabhängig vom Verkehrsmittel und der zurückgelegten Distanz “ (BUNDESREGIERUNG (2002), S. 145).

 

Gemäß BECKER et al. (1999) basiert Mobilität auf einem Mobilitätsbedürfnis, das entsteht, wenn ohne Ortsveränderung einer Person, eines Gutes oder einer Information keine Bedürfnisbefriedigung möglich ist.[64] Erst wenn sich ein einzelner dazu entscheidet, ein Mobilitätsbedürfnis tatsächlich umzusetzen bzw. zu befriedigen, entsteht realisierte Mobilität, die dem entspricht, was gesellschaftlich kurz als „Mobilität“ bezeichnet wird. Bei dieser (realisierten) Mobilität handelt es sich demzufolge nicht mehr nur um eine Möglichkeit, sondern eine echte Bewegung, dessen Antriebsfeder Bedürfnisse sind. Zur Durchführung einer Bewegung bedarf es eines Instruments, welches in diesem Zusammenhang unter dem Begriff Verkehr zusammengefasst ist. Verkehr kann demnach als das Instrument verstanden werden, das Mobilität ermöglicht bzw. umsetzt. Beim Verkehr stehen nicht mehr die Bedürfnisse, sondern die technischen und sonstigen Randbedingungen, wie bspw. Fahrzeuge, Fahrbahnen etc. im Vordergrund und es ist die Gesamtheit aller Inputfaktoren (Rohstoffe, Energie, etc.) und Outputfaktoren (Lärm, CO2, Unfälle etc.) notwendig, um das Phänomen zutreffend beschreiben zu können. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht dieses Verständnis noch einmal graphisch.

 

Abb. 2: Grundsätzliches Verständnis zur Einordnung von Mobilität und Verkehr

 

 

Quelle: GERIKE/BECKER (2000): Ziele von und für Verkehr, Wozu dient eigentlich unser Verkehr, und wie soll er aussehen? In: Wissenschaftliche Zeitschrift der TU Dresden, 49 (2000), Heft 3

 

Als Ausgangsbasis dient die, von einer hierarchisch angeordneten Bedürfnisstruktur der Individuen ausgehenden, Bedürfnispyramide von ABRAHAM H. MASLOW. [65] Innerhalb der Hierarchie ist es dabei zunächst notwendig, die grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen, bevor die Bedürfnisse der jeweils übergeordneten Ebene befriedigt werden können. Die Spitze der Pyramide bildet das Bedürfnis „Selbstverwirklichung“.[66] Hat ein Individuum ein Bedürfnis, das vor Ort nicht befriedigt werden kann, so resultiert daraus ein Mobilitätsbedürfnis und es entsteht zunächst eine Nachfrage nach Mobilität. Unter Berücksichtigung des vorgegebenen Angebotes an Verkehrswegen, Preisen, etc. findet anschließend eine individuelle Entscheidung für die Umsetzung des Mobilitätsbedürfnisses statt und es ergeben sich beobachtbare Ortsveränderungen, realisiert durch Verkehr, welche die „Bewegung“ messbar machen. Genau genommen beschreibt Verkehr damit letztlich dasselbe wie Mobilität, jedoch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. [67] Mobilität und Verkehr sind damit ein untrennbares Begriffspaar, wie zwei Seiten einer Medaille.[68] Aus dieser Erkenntnis lassen sich zwei konkrete Definitionen ableiten:[69]

 

Definition 1: Mobilität beschreibt die Bedürfnisseite von Ortsveränderungen:

(Realisierte) Mobilität ist eine Bewegung nach einer individuellen Entscheidung für ein gesellschaftliches Angebot, das ein Bedürfnis abdeckt. Der Begriff "Mobilität“ steht somit immer für Bedürfnisse.

 

Definition 2: Für jede Mobilität sind Ressourcen, Instrumente und Hilfsmittel notwendig. "Verkehr" wird definiert als Gesamtheit aller Instrumente, die für Mobilität benötigt werden, also die Verkehrsmittel, Verkehrswege, Verkehrsregeln, Verkehrsinfrastrukturen etc. Kurz: Verkehr ist das Instrument, das Mobilität ermöglicht.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Begriff „Mobilität“ immer dann angebracht ist, wenn es um die Bedürfnisse geht, der Begriff „Verkehr“ hingegen dann, wenn es um die technische Umsetzung geht. Das Ziel von Verkehr liegt damit offensichtlich in der Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen.[70] Anders ausgedrückt: „Das Ziel von Verkehr ist bedürfnisgerechte Mobilität für alle “ (BECKER et al., 1999, S. 6).

 

3.2 Das Angebot: Verkehrsträger im Personenverkehr


 

Wie im vorangegangenen Abschnitt herausgestellt wurde, bedarf es zur Umsetzung von Mobilitätsbedürfnissen eines Instruments, welches unter dem Begriff „Verkehr“ zusammengefasst werden kann und es wurde verdeutlicht, dass die Individuen bei der Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse immer auch nach dem Angebot entscheiden, das die Gesellschaft zur Verfügung stellt. Doch wie gestaltet sich dieses Angebot konkret? Und welche spezifischen Anforderungen stellen die Individuen an dieses Angebot? Existieren Angebotslücken, die mit neuen Verkehrskonzepten, wie bspw. dem Carsharing evtl. geschlossen werden können? Diesen und weiteren Fragen widmen sich die vorliegenden beiden Kapitel.

 

In Anlehnung an Abbildung 3 lässt sich der Verkehr grundsätzlich in zwei Bereiche, den Güter- und Personenverkehr, aufteilen.

 

Abb. 3: Verkehr

 

 

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT (Hrsg.) (2006): Im Blickpunkt: Verkehr in Deutschland 2006,Wiesbaden, S. 13

 

Während der Güterverkehr auf Grund der Themenstellung im Folgenden nicht näher betrachtet werden soll, findet im Bereich des Personenverkehrs eine weitere Unterteilung in Individualverkehr und öffentlichen Personenverkehr statt. Zum Individualverkehr zählen in diesem Zusammenhang der motorisierte (Pkw, Krafträder und Leichtkrafträder) und der nicht-motorisierte (Fahrrad und Fußweg) Individualverkehr. Der öffentliche Personenverkehr setzt sich dagegen aus dem Bus- und Bahnverkehr, der noch einmal in die Bereiche Nah- und Fernverkehr unterschieden wird, dem Seeverkehr, der Binnenschifffahrt und dem Luftverkehr zusammen.

 

Eine weitere Möglichkeit der Systematisierung findet sich bei ECKEY und STOCK (2000).[71] Hier werden die Verkehrsträger im Personenverkehr je nach genutztem Verkehrsweg unterschieden, d.h. in Straßen-, Schienen-, Luft- und Wasserverkehr untergliedert. Zum Straßenverkehr zählen dabei die Verkehrsträger Fahrrad, Motorrad, Auto und Bus, während man von Schienenverkehr spricht, wenn die Verkehrsträger auf Gleisen fahren (Straßen-, U- und Eisenbahnen). Auch hier findet eine weitere Unterscheidung in Nah- und Fernverkehr statt: Während Straßen- und U-Bahnen nur zur Befriedigung der Bedürfnisse im Nahverkehr (Entfernungen unter 50 km) eingesetzt werden, sind Eisenbahnen sowohl im Nah-als auch im Fernverkehr (Entfernungen über 50 km) tätig. Dem Wasserverkehr ist im Bereich des Personenverkehrs insgesamt nur eine geringe Bedeutung beizumessen, weshalb er im Folgenden vernachlässigt werden soll.

 

3.3 Charakteristika der Verkehrsträger im Personenverkehr und Nutzeranforderungen


 

Die Wahl eines entsprechenden Verkehrsträgers hängt dabei von unterschiedlichen Faktoren ab. Jeder Verkehrsträger besitzt unterschiedliche Merkmale und erfüllt gewisse Anforderungen der Nutzer besser oder schlechter bzw. ist zur Befriedigung eines individuellen Mobilitätsbedürfnisses mehr oder weniger geeignet. ECKEY und STOCK (2000) haben zu diesem Zweck acht Anforderungen der Nutzer an die Verkehrsträger formuliert[72], auf die sich unter anderem auch SCHUBERT stützt[73] und die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

 

Erfordernis von Zertifizierung

 

Die erste Anforderung stellt in diesem Zusammenhang das Erfordernis von Zertifizierung dar. Während die Nutzung von Fahrrad, Flugzeug, Straßenbahn, Bus und Eisenbahn jedermann möglich ist[74], kann der Pkw nur...

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