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'Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt'. Der Arbeitsmarkt im freien Fall des Shareholder Value?

Eine kritische Betrachtung

AutorElke Schallmey
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl74 Seiten
ISBN9783656585664
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich BWL - Wirtschaftspolitik, Note: 1,0, Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Wiesbaden e.V., Sprache: Deutsch, Abstract: 'Dies ist ein guter Tag für die Arbeitslosen in Deutschland'. Mit diesem Satz verkündete der ehemalige VW-Manager Peter Hartz die historische Wende in der deutschen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik im französischen Dom in Berlin. Bewusst wurde eine prunkvolle Kulisse für die Präsentation der IV. Stufe der sogenannten Hartz-Reform, die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (Hartz IV), gewählt. Die Hartz-IV-Reform löste eine beispiellose Klageflut in der Geschichte der BRD vor den deutschen Sozialgerichten aus, die bis heute als unvereinbar mit dem Grundgesetz der BRD empfunden wird. Deutschland sollte wettbewerbsfähig gemacht werden für den globalisierten Arbeitsmarkt, um mit Wirtschaftsgiganten, wie den USA, China sowie dem Rest der außereuropäischen westlichen Welt, die keine oder nur wenige Sozialstandards haben, konkurrieren zu können, so die Begründung der Politiker. Dass es sich in Wahrheit um eine grundlegende Änderung der Sozial- und Wirtschaftspolitik handelt, die weder die Arbeitslosigkeit senkt, noch das Leben der Menschen verbessert, wurde den Bürgern in diesem Land weitestgehend verschwiegen. Die vorliegende Diplomarbeit will aufzeigen, wie es zu dem Grundgesetz der BRD gekommen ist und welche Personen die Idee der sozialen Marktwirtschaft entwickelt haben. Dies erscheint notwendig, da im Rahmen der Agenda 2010 die soziale Marktwirtschaft zugunsten einer angebotsorientierten Marktwirtschaft aufgeweicht wurde. Aus diesem Grund wird die Entwicklung des deutschen Sozialstaates im 19. Jh. vor Augen geführt, der unter härtesten Bedingungen durch eine entstehende Gewerkschaftsbewegung erkämpft wurde, insbesondere der 8-Stunden-Tag. 100 Jahre später, im Zuge der Arbeitsmarktreform, im Jahr 2000, steigt die Wochenarbeitszeit wieder von mehr als acht Stunden täglich, auch im tarifvertraglichen Beschäftigungsverhältnis. Die Tendenz ist steigend, durch den Verlust der Einflusskraft der Arbeitnehmervertreter. Einen besonderen Stellenwert soll in Kap.4.3.1 der britische Ökonom John Maynard Keynes einnehmen, der als erster Ökonom die neoklassische Theorie der Wirtschaftspolitik vor den beiden Weltkriegen kritisiert und Vorschläge für eine Humanisierung der Wirtschaftspolitik eingeleitet hat, die in Deutschland im Zuge einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik versucht wurde anzuwenden.[...]

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Leseprobe

3 Konzepte und Ansätze in der deutschen Beschäftigungspolitik aus dem englischsprachigen Raum


 

3.1 Die US-amerikanische Sozialhilfepolitik


 

Traditionell setzt die amerikanische Gesellschaft auf den engumgrenzten Begriff der Familie. Diese „Familientradition“ begründet sich auf einer religiösen Grundhaltung der vielen religiösen Sekten, wie z.B. Mormonen, Baptisten, Methodisten, um einige der bekanntesten Gruppen zu nennen. Deren Mitglieder sitzen oft in bedeutenden Positionen in Politik und Wirtschaft. Eingewandert sind sie zu Zeiten der Gründerjahre Amerikas (Einwanderungswellen im 19. Jh.) vorwiegend aus europäischen Ländern und bilden immer noch den Kern der politischen Gesellschaft Amerikas. Während im späten 19. und frühen 20. Jh. einige europäische Staaten staatliche Sozialprogramme einführten, war und ist es bis heute in Amerika Tradition, dass ausschließlich private Wohltätigkeitsorganisationen und Gemeinden den Armen helfen. Man war davon überzeugt, dass durch die schnelle Industrialisierung und durch das überall verfügbare Ackerland, jeder der arbeiten will, auch eine Tätigkeit findet. Die gesellschaftlichen Bedingungen für neu ankommende Einwanderer waren hart. Sie mussten allein auf die Nachbarn vertrauen, meistens Landsleute, oder sie waren mehr oder weniger gezwungen, einer der christlichen Vereinigungen beizutreten, die ihnen dann mit „Gottes Hilfe“ halfen, ein neues Leben aufzubauen. Die Würde des Menschen, wie von Kant formuliert, der auf Descartes aufbaute „ich denke, also bin ich“, hat in den USA damals wie heute keinen Wert. Das Wort „Glück“ steht zuvorderst in der Verfassung und nicht die Würde des Menschen, die unabhängig von Reichtum, Macht und Religionszugehörigkeit ist und keinen Preis hat. Durch die Depression von 193310 und der damit einhergehenden Massenarbeitslosigkeit wurde mit der Verabschiedung des „Social Security Act“ (SSA) auch bekannt unter dem Namen „New Deal“ (neue Vereinbarung), erstmals ein staatliches Programm zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit aufgelegt. Präsident Roosevelt baute eine minimale Unterstützung für Arbeitslose auf, sowie zusätzliche Einkommenshilfen für unterstützungswürdige Alte, Behinderte und Kinder in Familien ohne männliche Ernährer. Dies waren allerdings reine Ermessenentscheidungen, da nicht jeder als unterstützungswürdig anerkannt wurde. Für unverheiratete Frauen und Männer ohne Kinder besteht damals wie heute keine Rechtssicherheit für Einkommenshilfen. Roosevelt schaffte ein Versicherungssystem nur für den Fall der späteren Rente oder einer Behinderung. Roosevelt organisierte einen Arbeitsdienst, damit sich die vielen Arbeitslosen etwas verdienen konnten. Teilweise mussten völlig sinnlose Arbeiten geleistet werden, z.B. Löcher ausgraben und sie wieder zuschütten, wer dazu nicht bereit war, bekam keine Unterstützung. Für Industriearbeiter wurden Mindestlöhne eingeführt und die Gewerkschaften gestärkt. Diese Minimalleistungen brachte Roosevelt große Kritik ein, weil angeblich durch die Übernahme sozialistischer Vorstellungen die traditionellen amerikanischen Werte verraten würden11.

 

Durch die massive Steigerung der Kriegswaffenproduktion und deren Belieferung an England und Frankreich konnte sich die amerikanische Wirtschaft zusehends erholen, bis die USA selbst in den 2. Weltkrieg einstiegen. Durch die Rückzahlung von Kriegskrediten durch Frankreich und England und den Reparationsleistungen, die der deutschen Bevölkerung durch die Entfachung des 2. Weltkrieges der Hitleradministration auferlegt wurde, erlebte die amerikanische Wirtschaft einen enormen Wirtschaftsboom.

 

Mit der Sozialhilfereform der Amerikaner im Jahr 199612 unter Präsident Clinton (1993 bis 2001) wurde ein radikaler Arbeitszwang eingeführt. Große Lohnspreizungen wurden in Deutschland als erfolgreiche Anpassung an weltmarktbedingte Herausforderungen gefeiert und gleichzeitig die Sozialsysteme hierzulande medial verunglimpft. Die Effektivität sozialer Hilfen wurde nunmehr daran gemessen, je weniger Geld ausgezahlt wurde. Allerdings hat ein amerikanisches Sozialsystem nie existiert. Amerika versteht sich auch nicht als einen demokratischen und sozialen Bundesstaat, wie es in Art.20, Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes nachzulesen ist und Ewigkeitscharakter besitzt, d.h., heißt unter keinen Umständen verändert, ersetzt oder abgeschafft werden darf.

 

Der von 2001 bis 2009 amtierende Präsident G. W. Bush erließ 2006 neue nationale Richtlinien zur staatlichen Unterstützung für bedürftige Familien. Diese Kürzung von Fürsorgeleistungen wurde in der amerikanischen Öffentlichkeit als Wendepunkt in der Nachkriegspolitik der US-amerikanischen Sozial- und Armutspolitik aufgefasst. Der Markt wurde jetzt endgültig zum allumfassenden Erlöser ernannt. Die Eliminierung eines Rechtsanspruches für arme Familien aus dem Jahre 1930 für staatliche Unterstützung stand im Focus dieser als „Weiterentwicklung“ gefeierten Politik. Mittellose Erwachsene müssen ihre Arbeitskraft, wenn sie für sich und/oder ihre Kinder Sozialtransfers im Rahmen von dezentralisierten Hilfsprogrammen erhalten wollen, dem Markt sowie dem Staat zur Verfügung stellen und jede erdenkliche Arbeit annehmen. Vom aufrechten Gang, der die Würde im Arbeitsleben repräsentiert, ist in den USA keine Rede. Spätestens nach 5 Jahren sind jegliche Ansprüche erloschen. In Bundesstaaten mit konservativen Mehrheiten und einer hohen Armutsquote in der Bevölkerung, werden Sozialhilfeleistungen nach spätestens zwei Jahren endgültig eingestellt13.

 

3.2 Denkschulen neoliberaler Politik


 

3.2.1 Friedrich von Hayek


 

Friedrich August von Hayek wird als einer der einflussreichsten Ökonomen und Vordenker des Liberalismus des 20. Jh. bezeichnet. Hayek wurde 1899 in Wien als Kind wohlhabender Eltern mit akademischer Tradition geboren. Er war zunächst als Artillerieoffizier in der Kaiserlich-Königlichen-Armee (KUK) 1917/18 tätig und studierte dann Rechts- und Staatswissenschaften in Wien, wo er stark von den Theorien Ludwig von Mises14 beeinflusst wurde. Von Mises Theorien propagierten den absoluten Rückzug des Staates aus allen wirtschaftlichen Bereichen, einschließlich des Bereichs der Zahlungsmittel, also der jeweiligen Währungen. Hayek behauptete, dass der Staat abgeschafft werden müsse, weil der Markt alles regeln und sogar heilende Kräfte hervorbringen würde. Er sprach vom „Markt“, wie von einer Person, den böse Menschen in Ketten gelegt hätten. Beide Personen, Mises und Hayek, wurden Ende des 19. Jh. in einer Zeit großer Umbrüchen geboren. In dieser Zeit war es in Wiener Kaffeehäusern modern, Sozialist oder Nationalist zu sein. Mises und Hayek begannen ihre intellektuelle Karriere als Sozialisten - sie brachten aber den Liberalismus nach Amerika. „Ich bin Ökonom geworden, weil ich Sozialist war“, schreibt Hayek: „weil ich die menschliche Vernunft überschätzt habe wie die meisten anderen: Wir sind doch intelligent genug, um uns eine bessere Welt zu schaffen“,15 meinte er.

 

Hayek vergötterte den klassischen Liberalismus vergangener Tage, wie er von Adam Smith (1723-1790) vertreten wurde und vermochte nicht zu erkennen, dass der Liberalismus als Freiheitsbestrebung die Wirtschaftsordnung der absolutistischen Herrscher im 16., 17. und bis zum 18. Jh. ablöste. Das bekannteste war das Wirtschaftssystem des Merkantilismus16, besonders in Frankreich in der Zeit Ludwigs XIV und dessen Finanzminister Colbert. Der klassische Liberalismus, dem Hayek immer noch nachhing, vertrat die Idee, dass das eigennützige Streben des Einzelnen dem Gemeinwohl diene. Dieses gewinnorientierte Streben des Einzelnen am Marktgeschehen, der zuvor weitgehend ausgeschlossen war, wurde als „unsichtbare Hand“ bezeichnet. Die „sichtbare“ Hand der absolutistischen Herrscher wurde nun durch die „unsichtbare Hand“ eines Marktmechanismus ersetzt. Hayek, der von sich behauptete, das Wort neoliberal erfunden zu haben, predigte die Evolution der Märkte, einer spontanen Ordnung (anarchischer Markt) und vom „Markt“ als einer moralischen Instanz. Die menschliche Moral, also das Verantwortungsbewusstsein eines menschlichen Geschöpfs, lehnte er ab und verhöhnte sie. Die Menschen waren ihm egal, wer arbeitslos war, war arbeitsscheu, wer arm war, selbst daran schuld. Hayek sagte: „Ich weiß nicht, was sozial ist“, oder „wer das Wort „soziale Gerechtigkeit“ benutzt, soll sich schämen.“ Diese Ideologie stieß auf großes Interesse in den USA, u.a. aufgrund einer religiösen-paternalistischen Grundhaltung und der Nichtanerkennung des Würdegrundsatzes, wie bereits in Kapitel 3.1 beschrieben.

 

3.2.2 Milton Friedman


 

Der Amerikaner Milton Friedmann, ein Schüler von Hayek, wurde durch radikale Thesen bekannt und verdiente damit Millionen. Seine Thesen sind bis heute Teil des politischen und ökonomischen Mainstreams: Der Staat ist für alles Übel verantwortlich, für steigende Arbeitslosigkeit, für schlechte Schulen und damit verbunden für sozialistische Denkweisen. Ebenfalls lehnt er einen staatlichen Militärdienst ab. Friedman wollte in den sechziger Jahren den Führerschein abschaffen, war gegen Ärztelizenzen, staatliche Altersvorsorge und den sozialen Wohnungsbau und natürlich gegen gesetzliche Mindestlöhne. Für die Freigabe der Prostitution, sowie die...

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