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E-Book

Mögen deine Augen leuchten

Meine Reise durch den Iran

AutorBita Schafi-Neya
VerlagBraumüller Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783991001782
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Ein Land mit Repressionen, hoher Arbeitslosigkeit und Kontrollen durch Sittenwächter einerseits, erwachender Lebenslust und einem relativ gut funktionierenden Alltag andererseits. Die Deutsch-Iranerin Bita Schafi-Neya ist zwischen beiden Kulturen aufgewachsen und erzählt von der Gastfreundschaft der Iraner, von Persisch Neujahr und Haft-Sin, von Taarof - iranischen Höflichkeitsfloskeln - und von ihren Touren durch glitzernde Salzwüsten und blühende Gärten. Und sie gewährt uns Einblicke in das Privat­leben junger Iraner. Sie war zu Gast auf einer illegalen Geburtstagsparty und hat einen der größten Schönheits­salons von Teheran besucht. Während die Mullahs versuchen, das Land zu regieren, nehmen die Jugendlichen sich ihre Freiheit. Sie surfen im Internet, verliebte Pärchen schlendern Hand in Hand durch die Parks und die Frauen sind - trotz Kopftuchzwang - selbstbewusster denn je. Auch auf die jüngere Geschichte Irans, den Kurs des neuen Präsidenten Rohani und die Einigung in der Atompolitik wirft diese Reportage ein neues Licht.

Die Deutsch-Iranerin Bita Schafi-Neya studierte Iranistik und arbeitet seit 25 Jahren als Journalistin. In Hamburg aufgewachsen kam sie der Liebe wegen nach Braunschweig, wo sie bis heute als freie Journalistin überwiegend für den NDR arbeitet und eine Reihe von Features für den WDR, Deutschlandfunk und RBB produziert. Außerdem schreibt sie für mehrere Zeitungen. Im April 2012 hat sie beim staatlichen Sender IRIB in Teheran gearbeitet - später von Deutschland aus. Sie hat unter anderem Umfragen in den großen Parks von Teheran gemacht, Beiträge über die Deutsche Kirche und das Deutsche ­Spracheninstitut.

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Leseprobe

Der Duft von Persien


Als ich nach Jahren mal wieder in Teheran mit dem Flugzeug lande, umfasst mich gleich ein heimisches Gefühl. Der Flughafen Imam Khomeini ist sehr modern und hell. Anders als der alte Flughafen Mehrabad, der eher einer Bruchbude ähnelte. Die Menschentraube bewegt sich Richtung Passkontrolle. Rechts stehen die ausländischen Staatsbürger an, links die iranischen. Alle Passagiere werden zügig abgefertigt. Bald bin auch ich an der Reihe. Der Kontrolleur nimmt meinen Pass entgegen, tippt irgendetwas in den Computer und guckt mich an. Ich bin gespannt, ob alles gut geht. Aber warum nicht, schließlich bin ich schon öfter ohne Probleme nach Iran gereist – was sollte also schiefgehen? Trotzdem fängt mein Herz an zu klopfen. Aber der freundliche Beamte begrüßt mich auf Farsi – der amtlichen Landessprache – und wünscht mir eine schöne Zeit. Ich gehe zur Kofferausgabe und stelle mich neben das Laufband. Die meisten Passagiere sind Iraner. Nur eine kleine Gruppe deutscher Touristen und ein paar Geschäftsleute warten auch auf ihr Gepäck.

Neben mir steht ein älterer Herr mit weißen Haaren, elegant gekleidet. Er spricht mich an und fragt, ob ich seinen Koffer vom Laufband heben kann. „Bale, ba kamale mail. – Ja, gerne“, antworte ich. Ich nehme den schwarzen, großen, schweren Koffer und wuchte ihn auf den Gepäckwagen. Der Mann bedankt sich freundlich und verabschiedet sich. Wenig später kommen auch meine Koffer. Einer von ihnen ist voller Gastgeschenke – Iraner kommen und gehen niemals mit leeren Händen. Ich schiebe meinen Gepäckwagen Richtung Zollkontrolle. Gelangweilt sitzt der Zöllner auf seinem Stuhl und winkt mich durch. Am Ausgang stehen viele Familien mit riesigen Blumensträußen in der Hand und warten auf ihre Angehörigen. Im Iran kommen immer gleich alle Familienmitglieder mit zum Flughafen. So kann es schon mal vorkommen, dass etwa 40 Leute nur eine Person abholen.

Auch die Nichte meines Freundes Reza und ihre Mutter stehen schon am Ausgang hinter der Glasscheibe. Sie begrüßen mich freudestrahlend auf typisch iranische Art und Weise, mit Küsschen rechts, links und rechts.

Wir gehen zu ihrem Auto und machen uns auf den Weg nach Teheran. Der Flughafen liegt etwa 40 Kilometer außerhalb der Stadt. Obwohl es schon fast Mitternacht ist, herrscht auf den Straßen immer noch reges Treiben. So dauert die Fahrt in die Hauptstadt fast zwei Stunden. Ich bin müde und möchte eigentlich ins Hotel. Aber Firouzeh und Layla überreden mich, mit ihnen nach Hause zu kommen. Es ist fast unmöglich, die Gastfreundschaft der Iraner auszuschlagen. Sie lassen es einfach nicht zu. Wer es versucht, muss sich auf ein Wechselspiel an Höflichkeiten einlassen. „Nein danke, das kann ich nicht annehmen.“ – „Doch, kommen Sie bitte mit.“ – „Nein danke, wirklich nicht.“ – „Keine Widerrede.“ Taarof heißt dieses Ritual, welches Iraner bei jeder Möglichkeit anwenden. Jeder versucht, es dem anderen so recht wie möglich zu machen und ihn an Höflichkeit zu überbieten. Dabei kommt es manchmal zu Missverständnissen, denn sogar Iraner wissen oft nicht, welche Einladung von Herzen kommt und welche man unbedingt ausschlagen muss. Ich nehme die Einladung schließlich an. Firouzeh und Layla sind voller Freude. Sie wohnen im Norden von Teheran, in einem Wohnblock mit zehn Parteien. Laylas Bruder Ramin empfängt uns unten an der Haustür und schleppt meine beiden schweren Koffer hoch in den fünften Stock. Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. Vor der Tür ziehen wir alle unsere Schuhe aus. Ein Haus oder eine Wohnung wird traditionellerweise niemals mit Schuhen betreten. In größeren Städten ist diese Sitte allerdings schon fast verloren gegangen.

Firouzeh fragt mich, ob ich Hunger habe. Ich sage Nein, aber trotzdem macht sie mir etwas zu essen: Hähnchen mit Safran und dazu den typisch iranischen Reis. Es duftet herrlich nach verschiedenen Kräutern – wie bei uns zu Hause in Deutschland, wenn mein Vater gekocht hat. Minuten später ist der Tisch mit Köstlichkeiten gedeckt: iranischer Tee aus dem Samowar, Obst, Pistazien, Datteln und natürlich Shirini (Süßigkeiten). Die Wohnung ist typisch iranisch eingerichtet: mit Ornamenten verzierten, schnörkeligen Möbeln – die Stühle sind mit Plastikfolie bedeckt.

Die Iraner lieben es, alles in Folie einzuwickeln, denn es könnte ja etwas schmutzig werden. Selbst die Tischdecken und die Fernbedienung werden mit Folie überzogen. Manche gehen sogar so weit, dass sie die Folie in ihrem Neuwagen dran lassen. Sonnenschutz auf den Sitzen oder dem Schaltknüppel; jeder soll schließlich glauben, der Wagen sei nagelneu.

Wir sitzen alle um den Tisch herum und unterhalten uns. Es ist schon spät, eigentlich möchte ich nun endlich ins Hotel, aber das kommt natürlich nicht infrage. Layla räumt extra ihr Zimmer für mich. So verbringe ich meine erste Nacht bei Rezas Familie. Am nächsten Morgen gibt es Frühstück: Spiegeleier, Schafskäse, Honig, Karottenmarmelade, Gurken und Lavash – dünnes iranisches Fladenbrot.

Später fahren Layla und ich in die Stadt in Richtung deutscher Botschaft. Wir nehmen ein Taxi, denn durch die vielen Autos auf den Straßen sind einige Viertel der Innenstadt nur eingeschränkt befahrbar. An einem Tag sind nur Fahrzeuge mit gerader Kennzeichen-Endziffer zugelassen, am nächsten Tag die mit ungerader Endziffer. Registrierte Taxifahrer unterliegen keinen Beschränkungen. Wer beruflich zu tun hat oder Anwohner ist, muss sich jedoch ausweisen. Taxis gibt es auf den Straßen reichlich zu sehen, weiße, gelbe, grüne oder schwarze. In einigen sitzen auch Frauen am Steuer – Taxis extra für weibliche Fahrgäste. Wir halten ein Taxi an und steigen ein. Der Fahrer hat das Radio eingeschaltet. Aus den Lautsprechern ertönt amerikanische Popmusik. Während der Fahrt erfahren wir viel über Iran, wie es den Menschen geht, was sie sich wünschen und wie sie über Politik denken. Ali, der Taxifahrer, steuert seinen Paykan – eine iranische Automarke – die Straße entlang. Es ist schwül an diesem Tag, schwarze Wolken hängen über der Stadt. Die Teheraner mögen den Regen, weil er so selten ist. Ali kommt ins Plaudern; „Viele Iraner haben drei, vier Jobs, um sich über Wasser halten zu können“, erzählt er. „1 Liter Benzin kostet 700 Tuman, das sind etwa 20 Cent. Taxifahrer bekommen einen Zuschuss, doch der ist nach ein, zwei Wochen aufgebraucht, und dann müssen wir den normalen Preis bezahlen. Außerdem hat die Regierung die Subventionen für Strom, Wasser und Brot gekürzt. Das Geld reicht also hinten und vorne nicht.“ Ali hat eine Frau und zwei Kinder zu versorgen. Manchmal weiß er nicht, wie es weitergehen soll. „Wenn die Regierung nicht bald etwas tut, wird es mit der Wirtschaft im Iran weiter den Bach runtergehen“, beklagt Ali. Wer keinen Job hat, hat es schwer in diesem Land. Offiziell liegt die Inflationsrate bei 15 Prozent, gefühlt weit darüber. Zwischen umgerechnet 250 und 400 Euro beträgt ein durchschnittliches Monatseinkommen. Eine Wohnung zu mieten, kostet um die 150 Euro.

Nach einer halben Stunde sind wir an der deutschen Botschaft angekommen. Ali möchte für die Fahrt 30.000 Tuman, das sind umgerechnet etwa neun Euro. Taxifahren ist im Iran im Vergleich zu Deutschland sehr günstig. Allerdings muss man als Tourist aufpassen, dass der Taxifahrer einen nicht übers Ohr haut.

Vor dem Eingang stehen iranische Jugendliche Schlange. Layla hat mich gefragt, ob ich ihr ein Visum für Deutschland besorgen kann – eine oft an mich gerichtete Frage. Wir kommen ins Gespräch mit den anderen, die auch warten.

Viele von ihnen – vor allem junge Menschen – haben keine Lust mehr, sich dauernd alles vorschreiben zu lassen. Payam steht auch in der Reihe: „Ständig mischt sich die Politik in unser Leben ein. Ich kann keine Party machen, keine Ausstellung organisieren – nichts, ohne dass ich mich hundertmal anmelden muss und ständig kontrolliert werde“, sagt der 24-jährige Kunststudent. Er und seine Freunde – Physiker, Mathematiker, Informatiker sind darunter – wollen weg. Und Deutschland ist derzeit jenes westliche Land, in dem junge Iraner die vergleichsweise besten Chancen auf ein Visum und einen Studienplatz sehen. Meine Freundin Layla hat gerade ihr Abitur bestanden und möchte auch gerne in Deutschland studieren. Doch eines der begehrten Visa zu bekommen, ist nicht leicht. 60 Millionen Tuman, das sind umgerechnet etwa 18.000 Euro, müssen bei der deutschen Botschaft hinterlegt werden. Kaum einer kann es sich also leisten, das Land zu verlassen. Meist schaffen es nur die Reichen oder diejenigen mit guten Beziehungen.

Immerhin spielt jeder dritte Junge aus dem Mullah-Staat ernsthaft mit dem Gedanken, seine Heimat zu verlassen – und das in einer Gesellschaft, in der mehr als 70 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt sind. Weil sie eine Zukunft haben wollen, die ihnen dieses Land immer weniger bieten kann. Die Sanktionen des Westens haben „die chronische...

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