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E-Book

Möglichkeiten und Grenzen des Sports bei Adipositas

AutorNico Scheibelhut
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl206 Seiten
ISBN9783638009218
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Gesundheit - Sport - Sportmedizin, Therapie, Prävention, Ernährung, Note: 1,0, Georg-August-Universität Göttingen, 281 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Dem Menschen, der Nahrung zu sich nimmt, kann es nicht gut gehen, wenn er nicht gleichzeitig seinen Körper durch sportliche Ertüchtigung beansprucht.' (Hippokrates von Kós, 460-370 v. Chr.) 'Essen ist ständig um uns herum: auf der Straße, im Fernsehen, bei unseren Freizeitaktivitäten - überall ist es ein Thema. Eigentlich kein Problem, solange sich Essen und Bewegung die Waage halten. Da wir uns aber immer weniger bewegen und mehr essen, entsteht ein Ungleichgewicht.' (Bundesverbraucherministerin Renate Künast, Mai 2004) Als die Bundesregierung am 09.05.2007 Fit statt fett, den viel beachteten 5-Punkte-Plan gegen Fettleibigkeit, vorlegte, ging es um eine Thematik, die seit Hippokrates - seit 2500 Jahren also - die Fachwelt beschäftigt. Bei genauerem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass die Regierungskoalition auf eine gesundheitliche Entwicklung reagieren musste, die es vor 20 Jahren noch nicht gab: Rund 2 Drittel der Männer und 53% der Frauen in Deutschland gelten als zu dick. Es sind aber auch schon 15 % der 3 bis 17 Jahre alten Kinder übergewichtig, 6,3 % sogar fettleibig. Im Vergleich mit den Jahren 1985 bis 1999 hat der Anteil der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen laut einer Studie des Robert Koch Instituts aus dem Jahre 2006 um die Hälfte zugenommen. Bei Fettleibigkeit registrierte man sogar eine Verdoppelung. (Vgl. JOURNAL MED, 2007) Da mit dieser rasanten Entwicklung jährlich viele Milliarden Euro an Kosten verbunden sind, muss nun ein Nationaler Aktionsplan her, mit dem die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 das Übergewicht der Deutschen bekämpfen will. Denn man ist vor allem zu der Erkenntnis gelangt, dass 'in unserer Gesellschaft zu wenig Bewegung im Alltag stattfindet' (SZ, 2007b). (Vgl. SZ, 2007b) Verbraucherminister Seehofer und Gesundheitsministerin Schmidt schlagen vor, neben einem Schulfach Ernährung eine Mindestanzahl von 3 Sportstunden an Schulen festzulegen. Für Ganztagsschulen ist mittelfristiges Ziel sogar die tägliche Sportstunde. Außerdem sollen finanziell schlechter gestellte Familien bei der Deckung von Vereinskosten staatliche Unterstützung erhalten. Bedauerlicherweise handelt es sich bei diesem Programm nicht um gesetzlich verankerte Maßnahmen, sondern lediglich um Vorschläge. (Vgl. TAGESSCHAU, 2007b) Auf dem Hintergrund dieser aktuellen politischen Vorgänge dürfte es also lohnenswert sein, sich eingehend mit der Frage zu befassen: Welche Möglichkeiten und welche Grenzen hat Sport bei Adipositas?

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Leseprobe

4. Ätiologie[15] der Adipositas


 

Die Ursachen, die zu Adipositas im Kindes- und Jugendalter führen, sind multifaktoriell. Bei der Ursachenforschung müssen u.a. genetische, soziale, kulturelle und psychosoziale Einflüsse berücksichtig werden. (Vgl. Reinehr et al., 2003, 8; Hebebrand et al., 2005a, 28)

 

Abb. 3 zeigt Faktoren, die Einfluss auf die Entstehung und Förderung einer Adipositas haben können.

 

 

Abb. 3: Ätiologie der Adipositas: Beeinflussende Faktoren

 

(Ehrsam/Melges, 2004, 282)

 

Der Einfluss genetischer Faktoren auf den BMI und somit auch Adipositas wird allgemein recht hoch angesehen[16] (Vgl. Wirth, 20002, 64; Richter, 2000, 23ff.; Wabitsch, 2004, 832), soll im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht behandelt werden. Zudem kommen genetische Störungen mit einer Adipositas als Folge extrem selten vor. Eine kurze Abhandlung dazu findet sich in Anlage 4.

 

Auch die sekundäre Adipositas, die durch eine andere Krankheit oder durch bestimmte Medikamente hervorgerufen wird, soll nicht Thema dieser Arbeit sein. In Anlage 5 befindet sich eine kurze Auflistung solcher Krankheiten und Medikamente.

 

Da die übrigen Variablen Ernährung, psychosoziale Aspekte und körperliche Aktivität jedoch beeinflussbar sind, wird das Hauptaugenmerk im Folgenden darauf gerichtet sein.

 

4.1. Ernährung und Adipositas (Alimentäre[17] Adipositas)


 

In der Frühzeit verbrauchte der Mensch bei der Nahrungsbeschaffung ein hohes Maß an Energie, da große Strecken zurückgelegt werden mussten. Diese konnte nach erfolgreicher Jagd dem Körper in Form von Nahrung wieder zugeführt werden. Aber auch bei erfolgloser Nahrungssuche sicherte die Fähigkeit des menschlichen Körpers, Fettdepots anlegen zu können, das Überleben. Diese Zeit der Nahrungsknappheit prägte die genetische Grundausstattung, die heute in den westlichen Ländern auf konträre Lebensbedingungen stößt: Bewegungsmangel bei gleichzeitigem Nahrungsüberfluss. Diese Inkompatibilität führt dazu, dass ein relativ großer Teil der Bevölkerung Übergewicht und Adipositas entwickelt. Aus dem Vorteil, Energie speichern zu können, ist ein Nachteil geworden. (Vgl. Zapf, 20062, 444; Hebebrand et al., 2005a, 28; Kersting, 2005a, 62) Schusdziarra/Erdmann (20032) formulierten dies treffend: „In dieser Situation haben wir das über 5 Millionen Jahre gültige Prinzip `Bewegung garantiert – Essen vielleicht´ konvertiert zu dem Prinzip `Essen garantiert – Bewegung vielleicht´“ (Schusdziarra/Erdmann, 20032, 27).

 

Entscheidend für die Regulation des Körpergewichtes ist also die Relation von Energieaufnahme und Energieverbrauch.

 

4.1.1 Der Energieverbrauch


 

Der Gesamtenergieverbrauch von Frauen liegt unter Alltagsbedingungen durchschnittlich bei etwa 2200 und bei Männern etwa bei 2600 kcal/Tag. (Vgl. Laessle et al., 2001, 13; Wirth, 20002, 98) Er setzt sich aus den Komponenten Grundumsatz, nahrungsbedingte Thermogenese[18] und aktivitätsbedingte Thermogenese zusammen.

 

4.1.1.1 Grundumsatz

 

Der Grundumsatz bezeichnet den Energieverbrauch in völliger körperlicher Ruhe nach nächtlichem Fasten. (Vgl. Wirth, 20032, 46) Sein Anteil am Gesamtenergieverbrauch wird in der Fachliteratur mit 50-90% angegeben.[19] „Er ist in hohem Maße von Alter, Geschlecht[20], Körpergröße und Körpergewicht sowie hormonellen Einflüssen abhängig“ (Graf/Dordel, 2007, 67). Also lässt er sich in weiten Teilen nicht beeinflussen, lediglich „z.B. durch die Ab- oder Zunahme der Muskelmasse“ (Graf/Dordel, 2007, 67). Dies trifft auch für Adipöse zu, denn nimmt eine Person 10kg Gewicht zu, so sind davon etwa 3kg Muskelmasse. (Vgl. Jéquier/Schutz, 1988, 538)

 

Der Grundumsatz ist aber auch genetisch bedingt. Ein niedriger Grundumsatz kann schon innerhalb weniger Jahre Übergewicht und sogar Adipositas zur Folge haben. (Vgl. Wirth, 20032, 49) So zeigten Ravussin et al. (1988) in einer Studie, dass Personen mit niedrigem Grundumsatz in einem Zeitraum von 4 Jahren 8 mal häufiger 10kg Gewicht zunahmen als Menschen mit hohem Grundumsatz. (Vgl. Ravussin et al., 1988, 468f.)

 

4.1.1.2 Nahrungsbedingte Thermogenese

 

Die nahrungsbedingte Thermogenese ist kaum von Schwankungen betroffen und geschlechtsunabhängig. (Vgl. Wirth, 20032, 49) Sie beträgt allgemein etwa 10-15% des gesamten Energieverbrauchs (vgl. Graf/Dordel, 2007, 67; Wirth, 20032, 47; Laessle et al., 2001, 14; Hauner/Berg, 2000, 770; Schutz, 20032, 108) und wird wie der Grundumsatz von komplizierten Stoffwechsel- und hormonellen Prozessen gesteuert. (Vgl. Wirth, 20032, 49)

 

Das Ausmaß der nahrungsbedingten Thermogenese, die nach einer Mahlzeit einsetzt, wird hauptsächlich von „Alter, Geschlecht, Körperzusammensetzung, Ernährungszustand, [dem] autonome[n] Nervensystem, Hormone[n] und genetische[n] Faktoren“ (Schutz, 20032, 108) beeinflusst. (Vgl. Schutz, 20032, 108)

 

Einigen Forschern zufolge ist sie bei adipösen Menschen vermindert. Verantwortlich dafür ist eine Störung bei der Umwandlung von Glukose[21] in Glykogen[22], der durch körperliche Aktivität begrenzt entgegengewirkt werden kann.[23] (Vgl. Segal, 1985, 1107f.; Ravussin et al., 1983, 893ff.)

 

Der Ausprägungsgrad dieser Form des Energieumsatzes ist auch abhängig von der Nahrungszusammensetzung. Nach eiweißreicher[24] Nahrung fällt sie um ein Mehrfaches stärker aus als beispielsweise nach einer fettreichen Mahlzeit. (Vgl. Schutz, 20032, 108)

 

Zusammenfassend scheint es so zu sein, dass eine Adipositas über Grundumsatz und nahrungsbedingte Thermogenese nur begrenzt beeinflussbar ist.

 

4.1.1.3 Aktivitätsbedingte Thermogenese

 

Die aktivitätsbedingte Thermogenese[25] hingegen kann „extrem variabel“ (Graf/Dordel, 2007, 67) sein. Nach Laessle et al. (2001) beträgt die aktivitätsbedingte Thermogenese bei Nicht-Sportlern nur etwa 15%. Ein Mittelstreckenläufer hingegen könne in Trainingsphasen sogar 4000-5000 kcal/Tag verbrauchen, also das Mehrfache des Grundumsatzes. (Vgl. Laessle et al., 2001, 14) Andere kommen zu ähnlichen Ergebnissen.[26]

 

Aufgrund dieser Erkenntnisse wird die aktivitätsbedingte Thermogenese zur „wesentlichen Einflussgröße[n] für Veränderungen des Energieumsatzes“ (Graf/Dordel, 2007, 69). Hier lässt sich ihre Relevanz für eine Adipositastherapie vermuten.

 

Martinez-Gonzáles et al. (1999) konnten in einer 15 europäische Länder umfassenden Untersuchung an 15239 Menschen zeigen, dass zwischen der Entstehung von Übergewicht und Adipositas und einer mangelnden körperlichen Aktivität ein enger Zusammenhang besteht (Abb. 4). Je mehr Sport (bei mittlerer Intensität) getrieben und je weniger gesessen wurde, desto geringer fiel die Prävalenz der Adipositas aus. (Vgl. Martinez-Gonzáles et al., 1999, 1192ff.)

 

 

Abb. 4: Häufigkeit der Adipositas in Abhängigkeit von körperlicher Aktivität.

 

Die Aktivität wurde in METs angegeben wobei 1 Stunde Sport etwa 4 METs entspricht. (Wirth, 20032, 49 nach Martinez-Gonzáles et al., 1999)

 

4.1.2 Regulation von Appetit und Sättigung


 

Das Sättigungsgefühl wird durch ein komplexes Zusammenwirken von Magen-Darm-Trakt und Zentralnervensystem hervorgerufen. Rezeptoren in den Magenwänden nehmen Dehnungsreize auf, senden diese Erregungen zum Zentralnervensystem, was wiederum im Hypothalamus[27] eine Herabsetzung der Nahrungsaufnahme veranlasst. Im Hypothalamus ist das Zusammenwirken einer Vielzahl von Neurotransmittern[28] (z.B. Leptin[29] und Insulin[30]) an der Regulation beteiligt. (Vgl. Wirth, 20032, 35f.; Krude, 2005, 122ff.;...

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