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Möglichkeiten und Probleme der Verwirklichung von Inklusion im kanadischen Schulsystem

AutorThomas Zigahn
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl94 Seiten
ISBN9783640237135
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Schulwesen, Bildungs- u. Schulpolitik, Note: 1,3, Technische Universität Dortmund, 62 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Begriff Inklusion ist in der pädagogischen Fachliteratur, insbesondere in der englischsprachigen, in aller Munde. Inklusion, Exklusion und Behinderung sind jedoch keine einheitlichen Kategorien. Ich werde in dieser Arbeit auch keine lineare Vorgehensweise zu einer bestimmten Sichtweise dieser Schlüsselwörter hin vornehmen. In Kapitel 2 werde ich einige grundlegende Begriffe aus der englischen Fachliteratur erläutern und anschließend in Kapitel 3 den Begriff der Inclusion und dessen Aspekte erklären. Ich werde dort das Verständnis von Inklusion, welches als Grundlage für die späteren Kapitel verwendet wird, näher beschreiben. Kapitel 4 bietet dann ausgewählte Informationen über die Rahmenbedingungen des kanadischen Schulwesens sowie über die verschiedenen Schulsysteme der einzelnen Provinzen und Territorien. Weiterhin werde ich in diesem Kapitel auch die schulgeschichtliche Entwicklung Kanadas kurz anreißen. Im darauffolgenden Kapitel 5 wird dann der Blick auf das Abschneiden Kanadas bei internationalen Leistungstests gelegt. Außerdem wird die Bedeutung von Leistungsstanderhebungen in Hinblick auf eine inklusive Pädagogik näher dargestellt. In den Kapiteln 6 und 7 werden dann exemplarisch einige Aspekte der Schulsysteme von den Provinzen Alberta und New Brunswick vorgestellt. Im anschließenden Kapitel 8 werde ich dann kurz die momentanen Entwicklungen, Möglichkeiten und Probleme von Inklusion in Kanada darstellen. Als Abschluss werde ich im letzten Kapitel noch einmal die Möglichkeiten und Probleme der Verwirklichung von Inklusion zusammenfassen. In der Arbeit werden an einigen Stellen Vergleiche zu sowie Auszüge aus der Praxis von anderen Ländern herangezogen. Dies findet unter der Berücksichtigung statt, dass man diese Daten nicht ohne weiteres übertragen kann. Diese Vergleiche dienen zur Veranschaulichung.

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Leseprobe

2. Grundlegende Definitionen

 

Vorangehend möchte ich einige Begriffe und Termini klären, welche im angloamerikanischen Raum Verwendung finden und nicht ohne weiteres ins Deutsche übernommen werden können. Weiterhin sollen einige grundlegende Sichtweisen von Behinderung und Lernbehinderung näher dargestellt werden. Dies kann nur marginal und ohne Anspruch auf Vollständigkeit im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt werden.

 

2.1 Learning Disabilities

 

Einleitend möchte ich die Einführung von Crealock and Kronick (1993) zitieren:

 

„Specific learning disabilities have been recognized in some countries for much of the 20th century, in other countries only in the latter half of the century, and yet not all in other places. Even where they have been recognized, the amount of help available varies from no services to their universal provision. This uneveness in intervention services is tragic since most persons with learning disabilities who receive sufficient, knowledgeable remediation can proceed through school system, and attain jobs that range from professor to laborer. Conversely, if they are not helped, the possibility of adjustment problems arising are considerable. As our world becomes more complex, the knowledge base increases and the concepts more abstract, an increasing number of people will experience difficulty and be assumed to have a learning disability.” (Crealock and Kronick, 1993).

 

Diese einleitende Definition von learning disabilites enthält bereits eine Menge Aspekte, auf die ich im Folgenden noch etwas näher eingehen möchte, da es keineswegs ein einheitliches Verständnis von Lernbehinderung bzw. learning disabilities gibt.

 

„Learning disabilities are formally defined in many ways in many countries. However, they usually contain three essential elements: a discrepancy clause, an exclusion clause, and an etiology clause” (Crealock and Kronick, 1993, S.5)

 

Schröder (2002) sagt, dass Lern- und Verhaltensauffälligkeiten sich im schulischen Raum manifestieren und allein „die Identifizierung von “Auffälligkeiten“ in der bunten Vielfalt von Verhaltensformen, sodann ihre terminologische Erfassung und Klassifizierung“ (ebd., S.24)  kontextabhängig sind.

 

Zunächst möchte ich mich mit dem Konzept learning disabilities befassen, welches nach Schröder ein Füllbegriff ist, der SchülerInnen „mit gravierenden Lernschwierigkeiten  ohne deutliche Intelligenzminderung“ (ebd., S.38) erfasst.

 

Wong (1996) beschreibt die kanadische Definition von Lernbehinderung[1] (welche auf der amerikanischen Definition des National Joint Committee on Learning Disabilities von 1981 aufbaut).

 

Learning Disabilities:

 

“is a generic term that refers to a heterogeneous group of disorders due to identifiable or inferred central nervous system dysfunction. Such disorders may be manifested by delays in early development and/or difficulties in any of the following areas: attention, memory, reasoning, coordination, communicating, reading, writing, spelling, calculation, social competence, and emotional maturation

are intrinsic to the individual, and may affect learning and behaviour in any individual, including those with potentially average, average, or above average intelligence.

are not due primarily to visual, hearing, or motor handicaps: to mental retardation, emotional disturbance, or environmental disadvantage; although they may occur concurrently with any of these. Learning disabilities may arise from genetic variation, bio-chemical factors, events in the pre- to post-natal period, or any other subsequent events resulting in neurological impairment” (Wong 1996, S.40-41).

 

Diese Definition ist stark von einer medizinischen Sichtweise geprägt. Sie schreibt die negativen Eigenschaften sowie die Behinderung alleinig der Person zu. Es wird kein Blick auf das Umfeld gelegt. Die Learning Disabilities Association of Canada (LDAC) modifiziert die Definition von learning disabilities[2] 2002 erneut:

 

“Learning Disabilities refer to a number of disorders which may affect the acquisition, organization, retention, understanding or use of verbal or nonverbal information. These disorders affect learning in individuals who otherwise demonstrate at least average abilities essential for thinking and/or reasoning. As such, learning disabilities are distinct from global intellectual deficiency. […] Learning disabilities may also involve difficulties with organizational skills, social perception, social interaction and perspective taking” (LDAC, 2002).

 

Anhand dieses Auszuges könnte man meinen, dass die Definition dem allgemeinen deutschen Begriff der Lernbehinderung entspricht, später aber heißt es: “These disorders are not due primarily to hearing and/or vision problems, socio-economic factors, cultural or linguistic differences, lack of motivation or ineffective teaching, although these factors may further complicate the challenges faced by individuals with learning disabilities. Learning disabilities may co-exist with various conditions including attentional, behavioural and emotional disorders, sensory impairments or other medical conditions” (ebd. 2002). Schröder (2002) beschreibt diese Definition als ungenau, da das Ausmaß der schulischen Minderleistungen nicht festgelegt und überwiegend über die Exklusion nicht akzeptierter Faktoren (wie geistige Retardierung) bestimmt wird, was in das Konzept der learning disabilities hinein gehört und was nicht. Insgesamt läuft die Umsetzung dieses Konzeptes in der schulischen Praxis darauf hinaus, dass learning disabilities ein Sammelbehälter für SchülerInnen ist, bei denen die Ursache für Lernschwierigkeiten ungeklärt bzw. unbelegt bleibt. Ungeachtet der Kritisierbarkeit diesen oder jenen Etiketts, ist die Problemlage dieser Kinder in schulischen Angeboten zu berücksichtigen.

 

(vgl. ebd., S.28ff).

 

Eine viel allgemeinere Sicht von Behinderung bietet die Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), vereinfacht zusammengefasst von Porter (2002): „Another cluster of terms comprises the triumvirate of impairment, disability and handicap. [...] an impairment (Schädigung) is a discrete loss of mental or physical functioning, such as brain damage; a disability (Beeinträchtigung) refers to the effect of this on the individual, such as the movement difficulties associated with cerebral palsy; while a handicap (Behinderung) is the social stigma and environmental restrictions that are often imposed on those with disabilities but which are not usually an inevitable feature of their condition” (ebd., S.5, Hervorhebungen im Original). Diese Definition legt mehr Gewicht auf den Aspekt der Umwelt. Die Person hat nur eine Behinderung (handicap) aufgrund der Umweltfaktoren, wie z. B. Stigmatisierung, die aber nicht unvermeidbar sind. Dies legt also nahe, dass man die Umwelt dahingehend verändern könnte, dass diese Behinderung nicht existieren würde.

 

„At the other end of the spectrum of abilities is the equally numerous group of children with advanced development. In the UK these children are referred to as highly able but elsewhere they are usually known as gifted” (vgl. ebd. 2002).

 

Das Problem bei dem Begriff gifted ist, dass der Fokus auf die Kinder gelegt wird, die schon erfolgreich Lernen und nicht auf die Kinder, bei denen das Potential besteht, welches aber aufgrund von sozialen, individuellen oder schulischen Umständen beeinträchtigt wird und sich nicht entfalten kann.

 

Explizit sonderpädagogische Betrachtungsweisen zum Thema Hochbegabung sind in Deutschland eher selten, während die Hochbegabten als exceptional students ein übliches Klientel der special education anderer Länder darstellen. (vgl. Urban 2006). An dieser Stelle möchte ich einen Blick auf den international gebräuchlichen Begriff special education werfen, der sich mit Sondererziehung, Sonderpädagogik oder auch Spezialpädagogik übersetzen lässt (vgl. Bleidick 2006).

 

2.2 Special Education

 

Nach Bleidick (2006) wird der Terminus special education länderspezifisch in dreifachem Sinne gebraucht:

 

Als Oberbegriff für Behindertenpädagogik,

Als Begriff für Sonderschulung im Gegensatz zur Regelschulung,

Als Begriff für den besonderen Förderbedarf (special educational needs).

 

In Kanada sowie in den USA werden Hochbegabte ebenfalls zu den „exceptional students gezählt und der Sondererziehung bedürftig angesehen“ (vgl. Bleidick 2006,  Hinz 2006).[3]

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