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Montessori von Anfang an

Ein Praxishandbuch für die ersten drei Jahre des Kindes

AutorLynn Lillard Jessen, Paula Polk Lillard
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783451345593
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Das Buch gibt einen wichtigen, praxisnahen Beitrag zur Erziehung junger Kinder nach Maria Montessoris Konzept für 0-3 Jahre. Auf der Basis langjähriger Erfahrungen erläutern die Autorinnen auf äußerst kenntnisreiche und feinfühlige Weise die Entwicklung der ersten drei Jahre, und erklären, was Eltern und pädagogische Fachkräfte tun können, damit ihr Kind Selbstvertrauen, Unabhängigkeit und positive Beziehungen zu seiner Umwelt aufbauen kann.

Paula Polk Lillard ist eine international anerkannte und geschätzte Kennerin der Montessori-Theorie und -Praxis.

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Leseprobe

Vorwort der Autorinnen


Jeden Morgen begrüßen wir die ankommenden Kinder und ihre Eltern im Korridor. Eines Tages im Frühling verabschiedete eine junge Mutter ihre beiden älteren Kinder an der Tür zum Klassenraum. Dann hielt sie an, um uns zu erzählen, wie viel Freude sie an ihrem dritten Kind hatte, das einige Wochen zuvor zur Welt gekommen war. »Ich möchte Ihnen danken für all das, was Sie uns vermittelt haben. Wenn man sein erstes Baby hat, ist man so ängstlich. Ihnen habe ich zu verdanken, dass ich jetzt mit Freude Mutter sein kann anstatt mit Angst.« Sie machte eine Pause, dachte kurz nach und fuhr dann fort: »Nicht nur mit Freude; es ist auch interessanter und befriedigender. Sie haben mir das Selbstvertrauen gegeben, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können. Mir kommen die Tränen, wenn ich darüber spreche.« Während sie sich zum Gehen wandte, fügte sie noch hinzu: »Sie haben mir gezeigt, was ich tun muss.« Augenblicke wie dieser und ähnliche mit anderen Eltern, die unseren Eltern-Kind-Kurs besucht haben, haben uns zu diesem Buch angeregt.

Wir sind zwei Frauen aus verschiedenen Generationen: Mutter, Paula Lillard, und Tochter, Lynn Jessen. Aber wir teilen eine gemeinsame Aufgabe im Leben: Wir möchten die Kindheit und ihren Sinn verstehen und unser Wissen darüber mit Eltern teilen, damit sie ihre Kinder unterstützen können, die Ziele der Kindheit zu erreichen. Wir sind beide Montessori-Kinderhaus-Pädagoginnen und besitzen ein Ausbildungszertifikat der »Association Montessori Internationale« (AMI) in Amsterdam, das uns berechtigt, Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren zu erziehen. Lynn hat zusätzlich ein Assistants-to-Infancy-Diplom1 der AMI erworben, ist also dafür qualifiziert, Kinder in ihrer Entwicklung von der Geburt bis zum Alter von drei Jahren zu unterstützen. Paula verfügt über einen Master-Abschluss in Montessori-Pädagogik der Xavier University in Cincinnati/Ohio und hat bereits drei Bücher zur Erziehung nach Maria Montessori geschrieben: Montessori: A Modern Approach (erschienen 1972 im Schocken Verlag; es geht darin um die Erziehung der Kinder von drei bis sechs Jahren), Montessori in the Classroom (erschienen 1980 bei Schocken mit dem Ziel, die Umsetzung der Montessori-Prinzipien im Kinderhaus vorzustellen) und Montessori Today (erschienen 1996, ebenfalls bei Schocken. Dieses Buch beschreibt Montessoris Konzept für die Sechs- bis Zwölfjährigen2).

Gemeinsam mit Jane Linari, einer früheren Kollegin von Paula an der Lake-Forest-Country-Day-School, gründeten wir 1982 die Forest-Bluff-School, in der heute Kinder von achtzehn Monaten bis zu vierzehn Jahren nach dem Montessori-Konzept unterrichtet werden. Zusätzlich haben wir in den letzten sechs Jahren in Forest-Bluff Eltern-Kind-Kurse gehalten, deren Schwerpunkt auf den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder von der Geburt bis zum Alter von drei Jahren liegt. Auf einen solchen Kurs bezog sich die Mutter, die uns an jenem Frühlingstag im Korridor ansprach.

Jede von uns kam auf einem anderen Weg und zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt im Leben zu Montessori. Um Ihnen einen genaueren Einblick in die Erfahrungen zu geben, die uns zu Montessori führten, möchten wir kurz auf unsere Biografien eingehen. Paula, Mutter von fünf Töchtern und Großmutter von acht Enkelkindern, damals vom Neugeborenen bis hin zu einem 21-Jährigen, erzählt ihre Geschichte:

Ich habe bald nach meiner Graduierung vom Smith College geheiratet und in den 1950er und 1960er Jahren meine Kinder großgezogen. In jener Zeit, bevor Betty Friedans Buch The Feminine Mystique erschien, wollten die Frauen am liebsten als Ehefrauen und Mütter zu Hause bleiben. Allerdings übernahm man in meiner Generation in beträchtlichem Maß ehrenamtliche Aufgaben, und in dieser Rolle kam ich erstmals in Kontakt mit der Montessori-Pädagogik. Die Montessori-Schule, die meine damals sechsjährige Tochter Lynn und ihre ältere Schwester Lisa besuchten, begann mit der Einrichtung einer Kinderhaus-Gruppe. Ich war gegenüber diesem »alt-neuen« pädagogischen Konzept mit seinem Schwerpunkt auf »Freiheit« für Kinder skeptisch. Als die Schulleitung meinen Mann und mich fragte, ob wir unsere Tochter Pamela, die damals drei Jahre alt war, nicht dafür anmelden wollten, meldete ich mich freiwillig als Assistentin der Klassenlehrerin. Ich war unsicher, wie meine Tochter auf diese ganz andere Art der Erziehung reagieren würde und meine Anwesenheit in der Klasse sollte mir Gelegenheit geben, aus erster Hand zu erfahren, wie es ihr damit erging. Auch wollte ich sehen, inwieweit Kinder von nur drei Jahren in der Lage sein würden, mit der »Freiheit« in einer Montessori-Klasse umzugehen. Ich war ehemalige Lehrerin an einer öffentlichen Schule und keine meiner früheren Erfahrungen deutete darauf hin, dass man junge Kinder »frei« lassen sollte, um ihre eigene Erziehung mitzubestimmen.

In den darauffolgenden Monaten entdeckte ich, dass Montessori-Pädagogik von viel mehr handelt als von der Freiheit für Kinder: Sie setzt eine vorbereitete Erzieherin voraus, die die Entwicklung des Kindes kennt und versteht und die Erfahrung mit der Einrichtung einer strukturierten, vorbereiteten Umgebung hat, die den Entwicklungsbedürfnissen jeder der aufeinanderfolgenden Altersstufen entspricht. Die Kinder sind nicht in dem Sinne frei, dass sie tun, »was sie wollen«, wie ich angenommen hatte. Sie sind stattdessen frei, um zu »arbeiten«: Das heißt, frei, um sich für nachhaltige, konstruktive Aktivitäten zu engagieren, während sie gleichzeitig lernen, wie man sich in einer Gemeinschaft mit anderen verhält.3

Mit der Zeit begann ich etwas zu erkennen, das ich nur erahnt hatte, als ich mit zweiundzwanzig Jahren mein erstes Kind bekam: dass Muttersein nämlich mehr ist als nur Babys oder Kleinkinder zu stillen, zu baden, zu kleiden, mit ihnen zu spielen und sie zu lieben. Diese Kleinen unter sechs Jahren sind keine Miniaturwesen, die einfach wachsen, wie ein Same zu einer voll erblühten Pflanze heranwächst. Sie befinden sich in einem Prozess, in dessen Verlauf sie sich durch eine Reihe vorhersagbarer Entwicklungsstufen selbst zu neuen Wesen aufbauen. Mutter zu sein verwandelte sich für mich von einer vorwiegend bewachenden, wenn auch liebenden Fürsorge hin zu der stimulierenden, konstruktiven Entdeckung eines neuen Wesens in seinem Aufbau und seiner Unterstützung dabei. Ich fand mich inmitten einer intellektuellen und wissenschaftlichen Aufgabe von immensen Ausmaßen und großer Bedeutung.

In den darauffolgenden Jahren bestätigte die moderne Wissenschaft, dass das kindliche Gehirn tatsächlich eine außerordentliche Meisterleistung des Aufbaus vollbringt und dass die äußere Umgebung zu einem großen Teil bestimmt, wie dieser Aufbau vonstatten geht. Das sind ermutigende Nachrichten. Eltern wissen jetzt, dass ihre Aufgabe nicht nur wichtig, sondern sogar der entscheidende Faktor für die Zukunft ihres Kindes ist. Allerdings hat diese Erkenntnis eine Schattenseite – und damit kommen wir zu dem Grund, weshalb mir so sehr daran gelegen ist, die Informationen dieses Buches anderen zugänglich zu machen. Während unsere Generation nur über ein einziges Buch verfügte, nämlich die erste Ausgabe von The Common Sense Book of Baby and Child Care von Dr. Benjamin Spock, das uns sagte, was zu tun sei (und ehrlich gesagt nahmen wir uns die Freiheit, vieles davon zu ignorieren, da wir die Weisheit und die Erfahrungen unserer eigenen Mütter und Großmütter mit auf den Weg bekommen hatten) –, werden heutige Mütter mit tausenden von Büchern zur Erziehung von Kindern überschüttet, geschrieben von Psychologen und anderen Autoren. Diese Fülle an Büchern, die die Meinung so vieler Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen widerspiegelt, führt mit ihren einander widersprechenden Ratschlägen allzu oft dazu, dass Mütter in Rollenkonflikte geraten. Fügt man zu dieser Verwirrung darüber, welchem Rat zu folgen sei, noch das Schuldgefühl hinzu, das erwerbstätige Mütter so häufig empfinden, so ändert sich die Aufgabe der Erziehung von Kindern von einer freudvollen, wenn auch herausfordernden Entdeckungsreise hin zu einer ermüdenden und schwierigen Erfahrung.

Was ist zu tun? In diesem Buch kehren wir zurück zu den Entdeckungen, die die junge Ärztin und Erziehungspionierin Maria Montessori um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert machte. Ihre Beobachtungen und ihre »Entdeckung des Kindes« gründen sich auf der Weisheit der Vergangenheit, tragen uns aber ebenso vorwärts in das einundzwanzigste Jahrhundert. Die heutige Forschung bekräftigt jede einzelne ihrer Empfehlungen zur Erziehung von Kindern, angefangen mit dem Neugeborenen.4

Bevor wir einen Überblick über die Kapitel geben, die die Entdeckungen von Maria Montessori behandeln, wollen wir noch Lynn, 2003 Mutter von drei Kindern im Alter von zehn, fünfzehn und neunzehn Jahren, ihren Weg zu Montessori schildern lassen:

Das erste, was mir im Zusammenhang mit Montessori in Erinnerung ist, sind die Sandpapierbuchstaben. Ich ging in die erste Klasse und meine kleine Schwester in ein Montessori-Kinderhaus. Ich erinnere mich, dass mir diese Buchstaben magisch zu sein schienen. »Durch das bloße Nachfahren ihrer Linien«, so dachte ich, »konnten sie in meinen Kopf gelangen.« Von Anfang an hatte Montessori für mich etwas Einzigartiges und Geheimnisvolles. Dennoch beruhte es auf einer praktischen, realen Erfahrung: Es war etwas, das man sah und fühlte.

Meine nächste Erinnerung ist, dass...

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