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Mordsgifte

Ein Toxikologe berichtet

AutorCornelius Heß, Frank Mußhoff
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl334 Seiten
ISBN9783838753454
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Eine kaltblütige Serienmörderin vergiftet ihre ganze Familie.

Ein Mann wird tot in seinem Wagen gefunden - weder ist er äußerlich verletzt noch sein Fahrzeug beschädigt.

Ein bulgarischer Journalist wird scheinbar zufällig angerempelt - 24 Stunden später ist er tot.

Arsen, Blausäure, Zyankali, Polonium - das Töten mit Gift ist ebenso still wie heimtückisch. Frank Mußhoff ist forensischer Toxikologe und jagt mithilfe moderner wissenschaftlicher Methoden Giftmörder. Er schildert seine kniffligsten Fälle und beleuchtet spektakuläre Verbrechen der Kriminalgeschichte neu.

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Leseprobe

Was macht ein forensischer Toxikologe? Eine persönliche Einleitung


»Suff, Sex, Gewalt und Drogen, damit verdienen wir unser Geld«, meinte einmal ein befreundeter Kollege und hat damit gar nicht so unrecht. Denn wir forensische Toxikologen haben es tagtäglich mit den eher unschönen Auswirkungen des Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenkonsums, mit K.-o.-Mittel-Gaben bei Vergewaltigungen sowie selbstverständlich mit Giftmorden, Selbstmorden mit Gift oder unglücklichen Unfällen mit Gifteinwirkung zu tun.

Wie bin ich da hineingeraten? Im Frühjahr 1990 betrat ich zum ersten Mal ein Institut für Rechtsmedizin. Ich stand an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gerade kurz vor der Fertigstellung meiner Diplomarbeit am Ende meines Biologie-Studiums und nun vor der Frage, wie es weitergehen sollte. Eigentlich wollte ich die Universität verlassen und endlich etwas »Handfestes« tun, wobei mich die Toxikologie bereits da schon sehr interessierte. Dann hörte ich per Zufall, dass in der chemisch-toxikologischen Abteilung der Rechtsmedizin Düsseldorf eine Stelle frei werden sollte, und nach einem kurzen Anruf bekam ich gleich die Einladung, doch einmal persönlich vorbeizukommen. Über das, was dort wirklich gemacht wurde, wusste ich noch nicht viel.

Der Besuch verlief überraschend. Vom Leiter der Abteilung, Prof. Dr. rer. nat. Thomas Daldrup, wurde ich an der Tür empfangen, und dann ging es nicht etwa in sein Büro, sondern ich wurde sogleich durch die Labore und Gänge geführt. Am Ende des Labortraktes befanden wir uns in einem kleinen Flur, in dem es ziemlich stark roch. »Wir haben eben nicht immer mit den frischesten Leichen zu tun«, meinte Thomas Daldrup mit einem Grinsen, und ich erfuhr, dass einer der beiden Sektionssäle des Institutes sich nur durch eine Holztür getrennt auf dem ersten Stock direkt neben dem Laborbereich befand. Natürlich ließ ich mir nichts anmerken und machte auf cool. Ich habe nie erfahren, ob auch das dazu beigetragen hat, dass ich zwei Tage später die Zusage auf eine Stelle mit der Möglichkeit zu einer naturwissenschaftlichen Promotion erhielt. Bis heute habe ich an einigen Leichenöffnungen teilgenommen, und es sind gar nicht die Bilder, sondern vielmehr die Gerüche, die mir immer am meisten zu schaffen machen.

Jedenfalls begann ich im Sommer 1990 in der Düsseldorfer Rechtsmedizin, und von Anfang an war ich Feuer und Flamme für alles, was sich mir dort bot. Ich beschäftigte mich nicht nur mit meiner eigenen Doktorarbeit, sondern versuchte möglichst viel in der täglichen Routine mitzuarbeiten und mitzubekommen. Ich entwickelte erste Methoden zum quantitativen Nachweis von Drogen in Körperflüssigkeiten, las mir die Fallgeschichten durch und diskutierte nach Abschluss der Analysen die Fälle mit meinem Lehrer und heutigen Freund Thomas Daldrup. So bekam ich direkt einen Gesamteinblick in das Fach und konnte von Anfang an reichlich Berufserfahrung sammeln. Und bereits 1996 wurde mir die Leitung des chemisch-toxikologischen Labors der Rechtsmedizin in Bonn angetragen.

Aber zurück zu Suff, Sex, Gewalt und Drogen. Was macht ein forensischer Toxikologe überhaupt, und wie ist ein Institut für Rechtsmedizin in der Regel aufgebaut?

Die Leitung als Institutsdirektor liegt natürlich in der Hand eines Rechtsmediziners, ist das Fach doch auch in aller Regel den Medizinischen Fakultäten einer Universität zugeordnet. In einem Institut für Rechtsmedizin finden sich dann zumeist drei Hauptabteilungen.

Da ist zum einen das, was alle aus vielen Berichten und dem Fernsehen kennen, die Forensische Medizin. Zu den Aufgaben der Forensischen Medizin zählen Obduktionen inklusive Folgeuntersuchungen an Gewebeschnitten (Histologie), Leichenschauen, Leichenfundorteinsätze sowie körperliche Untersuchungen von Geschädigten oder Tätern und die Erstattung medizinischer Gutachten auf Aktenbasis. Als weitere Abteilung gibt es in der Regel die Forensische Genetik. Ihr wichtigstes Arbeitsgebiet ist die Untersuchung biologischer Spuren insbesondere von Fund- beziehungsweise Tatorten und deren Zuordnung zu Personen, um schwere Straftaten aufzuklären. Des Weiteren geht es um die Identifizierung unbekannter Toter sowohl in Einzelfällen als auch bei der Identifizierung von Opfern von Massenkatastrophen (z. B. Naturereignisse, Terroranschläge) und Kriegen. Letztendlich gehört auch der einfache Vaterschaftstest zu den Aufgabengebieten der Forensik.

Als dritte Einheit ist die Forensische Toxikologie zu nennen. Hier sind in der Regel ebenfalls Naturwissenschaftler tätig, also Chemiker, Pharmazeuten, Lebensmittelchemiker oder, so wie ich, Biologen. Der Begriff »Toxikologie« geht auf die griechischen Worte »Gift« (??????? – toxicon) und »Lehre« (????? – logos) zurück; die Toxikologie beschäftigt sich allgemein mit der Erforschung der Wirkungsweise von Giften zur Diagnostik und Therapie von Vergifteten. »Forensisch« leitet sich vom lateinischen Wort »forum« (Marktplatz) ab, da Gerichtsverfahren, Urteilsverkündungen und Strafvollzug im antiken Rom öffentlich und zumeist auf dem Marktplatz durchgeführt wurden. Unter »Forensischer Toxikologie« versteht man dann ganz allgemein die Vergiftungslehre in ihrer Beziehung zur Rechtsordnung, das heißt in strittigen Rechtsfragen im Straf-, Zivil-, Verwaltungs- oder Versicherungsrecht bei Lebenden oder Verstorbenen.

Hier denken die meisten dann natürlich an die Leichentoxikologie nach Giftmorden sowie Tötungen und Selbsttötungen oder Unfällen mit Giften. Das war natürlich unser ursprüngliches Arbeitsgebiet, wenngleich die Leichen heute nur noch einen Teil der Untersuchungsfälle ausmachen.

Doch mittlerweile überwiegen Untersuchungen an Proben von Lebenden eindeutig. Da haben wir zum einen die Personen, die unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss am Straßenverkehr teilnehmen und damit eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begehen können. Deren Blutproben werden in forensisch-toxikologischen Laboren, zumeist in einer Rechtsmedizin, untersucht. Dann haben wir die Personen, die unter dem Einfluss von solchen zentral wirksamen Substanzen Straftaten begehen, aber vielleicht so stark beeinträchtigt sind, dass zu prüfen ist, ob ihre strafrechtliche Verantwortung noch (vollständig) gegeben war oder sie als (vermindert) schuldfähig anzusehen sind. Ferner gibt es die Verabreichung von K.-o.-Mitteln, um Personen gefügig zu machen oder außer Gefecht zu setzen. Ein stetig wachsendes Feld sind die Eignungsuntersuchungen. So bedarf es zum Beispiel nach einer Drogenfahrt des Nachweises einer Drogenabstinenz über einen bestimmten Zeitraum, um den Führerschein zurückzubekommen. Manche Institutionen untersuchen auch sichergestellte Drogen auf ihre Wirkstoffe beziehungsweise Wirkstoffgehalte, obwohl dies vornehmlich Aufgabe der Kriminalämter ist. Aufgrund der vorhandenen instrumentellen Ausstattung und der Fachkenntnis werden in forensischen Laboratorien gerade der rechtsmedizinischen Universitätsinstitute häufig auch die chemisch-toxikologische Analytik und die fachspezifische Beratung für die Klinische Toxikologie durchgeführt. Per Kurier erhalten wir aus Kliniken Proben von Personen mit Verdacht auf eine Vergiftung und analysieren sie im Rahmen eines Notfallprogramms, um behandelnde Ärzte schnell bei ihrer Diagnose und Behandlung zu unterstützen.

Unsere Arbeit ist ungeheuer vielfältig, und das macht das Spannende daran aus. Früher hielten sich Rechtsmediziner nicht selten Naturwissenschaftler quasi als Messknechte, um die im Labor erhaltenen Befunde dann als Arzt nach außen zu vertreten. Zum Glück bin ich auf keiner meiner Stationen in so eine Situation geraten. Ich kenne rechtsmedizinische Institute so, dass Ärzte und Naturwissenschaftler auf Augenhöhe in der täglichen Fallarbeit miteinander umgehen und gerade dieses Interdisziplinäre ein rechtsmedizinisches Institut ausmacht. Medizinische und naturwissenschaftliche Aspekte werden so gleichermaßen berücksichtigt, man arbeitet Hand in Hand an einem Fall zusammen, und man lernt dabei täglich voneinander.

Bei der forensischen Toxikologie steht natürlich zunächst die Analytik von biologischen Proben im Vordergrund. Dazu bedarf es eines gewissen chemischen wie technischen Verständnisses. Zu bedienen sind modernste Analysesysteme, und man hat sich ständig auf dem aktuellen Stand zu halten, was neue Möglichkeiten und Methoden betrifft. Aber unsere Arbeit ist bei weitem nicht mit dem Abschluss der Analysen beendet. Denn dann gilt es, die erhaltenen Befunde in ihren ganz individuellen Zusammenhang einzuordnen, zu interpretieren und schließlich ein Sachverständigengutachten zu verfassen. Wir erhalten daher nicht nur irgendwelches Probenmaterial, sondern zusätzlich umfangreiche Informationen zum gesamten Fall. Das können polizeiliche Berichte sein oder auch die gesamte Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft. Wir haben sämtliche Anknüpfungspunkte und Hintergründe zu berücksichtigen und in unser Gutachten einfließen zu lassen. Zunächst wird in der Regel ein schriftliches Gutachten verfasst, nicht selten müssen wir die Befunde aber auch bei einer späteren Gerichtsverhandlung als Sachverständige vertreten. Dann sitzen wir neben der Staatsanwaltschaft, haben wie das Gericht, die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft ein Fragerecht bei der Anhörung Beschuldigter wie auch der Zeugen und erstatten dann nach Abschluss der Beweisaufnahme unser mündliches Sachverständigengutachten. Im Anschluss daran stehen wir noch dem Gericht, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft für Fragen zur Verfügung, bevor es zu den Plädoyers und schließlich zum Urteil kommt.

Und das ist das, was mich so begeistert. Man hat nicht nur die Laborarbeit, sondern lernt die Hintergründe und...

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