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Morphodynamik in der Osteopathie

Grundlagen und Anwendung am Beispiel der kranialen Sphäre

AutorTorsten Liem
VerlagHaug
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl488 Seiten
ISBN9783830477624
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis107,99 EUR
Morphodynamik in der Osteopathie: Erklärungsmodelle zur Gewebedynamik In diesem Werk finden Sie Antworten darauf, welche Einflüsse, Interaktionen und Gesetzmäßigkeiten die morphologischen Dynamiken bestimmen und wie dieses Wissen in die Praxis umsetzbar ist. Um die Ganzheit des Patienten zu erfassen, müssen neben der körperlichen Ebene auch die innerlichen Bewusstseinskomponenten berücksichtigt werden. Lesen Sie, wie Sie Gewebe-Energie-Bewusstseinsmuster im Patienten erkennen. Denn es reicht nicht aus, ausschließlich auf der körperlichen Ebene therapeutisch zu wirken. Nachhaltige Therapieerfolge erreichen Sie durch die Behandlung der subjektiven Bewusstseinsmuster. Am Beispiel der kranialen Sphäre lernen Sie die osteopathischen Techniken sowie die Entstehung und Bedeutung der Midline in der Osteopathie kennen. Die 2. Auflage ist aktualisiert. Darstellung der Einflüsse der dynamischen Morphologie auf die osteopathische Denk- und Behandlungsweise

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Leseprobe

1 Paradigmen in der Heilkunde


Torsten Liem

„Denn unser Leben ist auf das Unendliche hin gerichtet, und es ist in Bewegung…. Das Übel kann den Lauf des Lebens nicht wie ein Straßenräuber anhalten und es seiner Habe berauben. Denn das Übel muss weiter, es muss zum Guten werden; es kann nicht stillstehen und den Kampf mit dem All aufnehmen. Wenn das geringste Übel irgendwo stehen bleiben und zeitlos verharren könnte, würde es tief hinabsinken und die Wurzeln des Seins selbst zerschneiden. (…) …und Wissen ist nichts anderes als ein ständiger Verbrennungsvorgang des Irrtums, um das Licht der Wahrheit frei zu machen.“

Rabindranath Tagore1

Einleitung


Heilkundliche Verfahren existieren bzw. entwickeln sich nicht im luftleeren Raum. Sie entstehen in einem bestimmten historischem Rahmen eines kulturellen und gesellschaftlichen Umfeldes. Dieses prägende Umfeld wird jedoch meist für so selbstverständlich gehalten, dass die zu Grunde liegenden Glaubensmodelle in der Regel unbewusst bleiben.

Wer die Osteopathie ausschließlich als eine Art Offenbarungslehre versteht, läuft Gefahr kultur-, sozial- und wissenschaftshistorische Bedingtheiten im Entstehungsprozess der Osteopathie zu negieren und sich dadurch evolutionären Potenzialen zu verschließen.

Für ein mündiges Verständnis osteopathischer Diagnostik- und Behandlungsverfahren sind deshalb – unter anderem – Einsichten in die sich historisch wandelnden Paradigmen der Heilkunde und des Körpers unbedingt nötig. Diese Kenntnisse ermöglichen Dynamiken und Glaubensmodelle innerhalb der Osteopathie adäquater zu beurteilen und das Heilungspotenzial mindernde reduktionistische Elemente innerhalb der Osteopathie besser differenzieren zu können. Außerdem versetzt es den Osteopathen in die Lage, bewusst und aktiv an der Weiterentwicklung der Osteopathie mitzuwirken, z. B. durch die Identifizierung postmoderner Elemente in der Behandlung, wie auch durch Differenzierung und Umsetzung integraler Vorgehensweisen in der therapeutischen Interaktion. Hier geht es keineswegs darum Altes zu verwerfen, sondern nur darum, den Absolutheitsanspruch beschränkter Sichtweisen zu negieren und ihre Wahrheiten in ggf. ganzheitlichere Modelle, Sicht- und Vorgehensweisen zu integrieren. Ziel ist es, durch die Verwirklichung osteopathischer Diagnose- und Behandlungsprinzipien das bestmögliche Potenzial im Heilungsprozess des Patienten zu entfalten.

Anhand der Untersuchung der Geschichte in der Wissenschaft konnte Kuhn gewisse wiederkehrende Prozesse feststellen.2 Bestehende Paradigmen in der Wissenschaft haben eine gewisse Selbsterhaltungstendenz. Diese führt dazu, dass die akzeptierten Ideen bedingen, welche Hauptrichtung in der Forschung eingeschlagen wird, mit dem hauptsächlichen Ziel das gegenwärtige Paradigma zu legitimieren und zu stützen. Abweichungen, Anomalien bzw. Studien und Hypothesen, die nicht in das gängige Paradigma passen, werden zunächst weit gehend behindert, dann ignoriert sowie im Weiteren zu beheben und zu entkräften versucht. Schließlich mit zunehmender Häufung von Anomalien, erfährt das Paradigma gewisse Anpassungen/translative Veränderungen, um die Erkenntnisse der Anomalien zu integrieren. Ab einem gewissen Punkt jedoch ist das bestehende Paradigma nicht mehr in der Lage, alle diese Anomalien zu integrieren, die inneren Widersprüche und Erklärungsdefizite des Paradigmas werden unüberbrückbar. In diesem Stadium der Krise, des Chaos und der Instabilität entwickelt sich schließlich eine Revolution bzw. Transformation, die mit einer fundamentalen Änderung in der Sichtweise der Dinge einhergehen wird. Ein neues Paradigma ist entstanden. Dieses existiert wiederum solange, bis zunehmende Anomalien schließlich zu einer erneuten revolutionären Veränderung führen. Diese Art der dialektischen Entwicklung kennzeichnet nicht nur die Evolution der Paradigmen der Heilkunde, sondern ist auch ein Merkmal für alle Arten von Holons (s. u.).

Entwicklung der Paradigmen in der Heilkunde


  • Archaisch: Symbolhaftes Vorgehen (prärationale symbolhafte Sichtweise); Mensch, Geist und äußere Wirklichkeit/Natur sind noch verschmolzen und nicht differenziert.
  • Magisch (noch weit gehend prärational-magische Sichtweise): noch relativ undifferenziertes Geist- und Körper-Ich, Geist und Natur noch weit gehend gleichgesetzt und diesseitsorientiert; in der Frühzeit des Menschen werden die durch äußere Ursachen nicht erklärbar scheinenden Krankheiten als das Werk blind waltender Dämonen angesehen.3 Heilung erfolgt durch Zauber (-mittel), Beschwörungsformeln, Voodoo, ekstatische Tänze und Fetischkulte sowie durch Vertreiben des bösen Geistes im befallenen Körper. Indem der Therapeut z. B. Zauberei praktiziert, induziert er Heilung. In der magischen Entwicklungsstufe besitzen physische Objekte Attribute des Lebenden und des Persönlichen, und die Natur ist intentional auf uns ausgerichtet (Anthropozentrik); innere Bilder und Symbole werden mit der physischen Wirklichkeit verwechselt. Durch diese Sichtweise entsteht ein unrealistisches Allmachtserfahren im Menschen. Die magisch-mythische Übergangsphase ist durch die Anwendung magischer Rituale gekennzeichnet, mit dem Ziel, Wesen oder Gottheiten dazu zu bewegen, Heilung hervorzurufen.
  • Mythisch (analoge, mythische, mythisch-rationale Sichtweise): Konstruktion eines Zusammenhangs von Analogien. Anhand von Ähnlichkeitsbeziehungen von Dingen werden Wesens- und Ursachenverwandtschaften formuliert (z. B. Walnuss ist gut für das Gehirn, weil seine Form dem Gehirn ähnlich ist). Das Wissen von Krankheiten und deren Behandlung ist noch stark mit religiösen bzw. mythischen Vorstellungen vom Einfluss der Gottheiten vermischt. Während im magischen Paradigma die Macht, Wunder zu vollbringen, einzelnen Menschen, wie z. B. Zauberern zugeschrieben wurde, wird diese im mythischen Paradigma einer Gottheit oder einem anderen Größeren zugeordnet. Dementsprechend werden z. B. in der Sklavenhaltergesellschaft Krankheiten als Strafe gerechter Götter für begangene Sünden angesehen. Priesterärzte versuchen, „beleidigte“ Gottheiten durch Gebete, Sühneleistungen und Bußopfer gnädig zu stimmen.3 Ein Beispiel aus der frühen griechischen Heilkunde: Apollon schickte die Pest in das Lager der Griechen. Die Menschen reagierten mit Opfergaben sowie auch bereits mit empirisch gewonnenen Mitteln.

    Geist und Natur werden als getrennt und ontologisch verschieden erfahren; jenseitsorientiert. Die mythisch-rationale Übergangsphase ist gekennzeichnet durch Rationalisierung von traditionell mythologischen Inhalten und stellt den Übergang zu rationalen Sichtweisen dar, die fähig sind, mythologische Inhalte zu hinterfragen.

  • Rational:
    • Moderne (logisch-kausale rationale Sichtweise): Begonnen mit Kopernikus und weitergeführt von Kepler, Galileo und Descartes begann die Moderne vor etwa 500 Jahren (und wurde erst kürzlich der Übergang zur Postmoderne eingeleitet). Die Welt erscheint hier als vorgegeben, unpersönlich, objektiv und messbar. Dieses Paradigma war in hohem Maße in der Lage, mechanische Aspekte des Lebens und der Natur durch unsere Sinne und technologisch erweiterten Sinnen zu entschlüsseln und manipulierbar zu machen, negierte jedoch größtenteils innere Erkenntniswege. Die Aufklärung im 18. Jahrhundert mit dem Paradigma der Autonomie des Denkens stellt eine konsequente Fortsetzung der von Bacon (1561–1626) formulierten Prinzipien wissenschaftlicher Erkenntnisbildung dar.4 Sie ist gekennzeichnet durch Empirismus und Rationalismus, eine „objektive“ Sichtweise, systematisches Beobachten und Experimentieren, Mechanismus, Animismus, Vitalismus, strikte Trennung von Priester und Arzt, Religion und Medizin.

      Hoffmanns (1660–1742) iatromechanische Sichtweise – in Kontinuität zu Descartes Ideen – versteht Lebensvorgänge als Erscheinungen eines von Gott geschaffenen und vom kosmischen Äther als bewegender Ursache abhängigen Mechanismus. Gestalt und Größe, Bewegung und Zusammenspiel der Bestandteile des Organismus sind bestimmende Faktoren für Gleichlauf oder Defekt, Funktion oder Dysfunktion des Mechanismus.

      Stahls (1659–1734) animistischer bzw. psychodynamischer Ansatz sieht – im Gegensatz zur mechanischen Lebensdeutung – den menschlichen Körper nicht als kartesianische Maschine, sondern als einen vitalen beseelten Organismus an, dessen Teile durch die empfindende, erkennende, wollende und steuernde Seele vitalisiert und regiert werden. Essenziell ist hier die Wirkung der Affekte (Freude, Trauer, Zorn, Hoffnung, Liebe) auf die Funktionsfähigkeit der Organe und Gewebe. Krankheiten und Dysfunktionen werden hier vor allem als psychogen angesehen. Die Seele erkennt und heilt diese selbst.

      Deutlich erkennbar sind die Kennzeichen osteopathischer Prinzipien in den iatromechanischen Sichtweisen Hoffmanns (Modell der somatischen Dysfunktion) ebenso wie in den vitalen animistischen Sichtweisen Stahls (z. B. Selbstheilungstendenz des Organismus), wiewohl die psychogene Ätiologie deutlich weniger Berücksichtigung im diagnostischen und therapeutischen osteopathischen Vorgehen erlangte. Obwohl Still die mentalen Aspekte nicht hinreichend integrierte, sah er dennoch die Notwendigkeit, in der osteopathischen Behandlung ein Verständnis für diese Aspekte zu erlangen.5

      Die Medizin der Aufklärung entwickelt sich – beeinflusst durch die Veränderungen im Rahmen der...

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