In diesem Kapitel wird das Zeitmanagement-Seminar beschrieben, auf das ich im weiteren Verlauf der Arbeit jeweils als Praxisbeispiel Bezug nehme. Nach einer tabellarischen Übersicht über den gesamten Seminarverlauf gehe ich zunächst auf die Schritte ein, die als Vorbereitung auf die Selbstreflexion dienen (vgl. Kapitel 2.1). Es folgt eine Beschreibung der Selbstreflexions-Schritte (vgl. Kapitel 2.2).
Tabelle 1: Seminarablauf zum Thema „Zeitmanagement“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Theoretisch könnte auch der Seminarbaustein „Vorbereitung 4“ als Beginn der Selbstreflexion markiert werden, da die Teilnehmer in diesem Schritt überlegen, welches ihr größter Zeitdieb ist. In diesem Moment sind die Teilnehmer aber noch nicht im selbstreflexiven Problemlöseprozess tätig. Die Wahlmöglichkeit bezüglich des persönlichen Seminarthemas in Form eines Zeitdiebs stellt womöglich aber eine wichtige motivationale Voraussetzung für die später folgenden Reflexionsschritte dar.
Reflexionsschritt 1 erfolgt noch innerhalb der vorbereitenden Schritte. Damit bekommen die Teilnehmer einen ersten Eindruck zur Reflexionsarbeit noch bevor wir sie bitten, den weiteren Reflexionsschritten zuzustimmen (Baustein: Vorbereitung 6). Deshalb erfüllt aus unserer Sicht dieser Seminarbaustein eine Doppelfunktion, wird aber in der folgenden Beschreibung der Chronologie folgend Kapitel 2.1 zugeordnet.
Mit der Bezeichnung „wir“ bzw. „uns“ ist der Autor, Jürgen Hampe, und sein Trainerkollege, Christoph Schlegel, bezeichnet. Wir haben das Seminar gemeinsam entwickelt und führen es sowohl einzeln als auch zu zweit als Trainer von inner- bzw. überbetrieblichen Personaltrainings durch. Die Begriffe „Training“ und „Seminar“ benutze ich in dieser Arbeit synonym.
Es folgt eine Beschreibung unserer Aktivitäten im Seminar und der Reaktionen, die wir bei den Teilnehmern beobachten.
Das Seminar beginnt mit der Präsentation der folgenden Powerpointfolie:
Abbildung 1: Powerpointfolie zum Thema „Zeitdruck“ (Quelle: Bestand Eigenarchiv)
Wir lassen den Cartoon einige Sekunden auf die Teilnehmer wirken und bitten um erste Äußerungen. Häufig beobachten wir ein Lächeln oder ein bejahendes Kopfnicken. Manchmal berichten einzelne Teilnehmer über ihre Erfahrungen und Gefühle in Bezug auf das Thema „Zeitdruck“ und bringen die Objekte im Bild mit realen Themen in Verbindung. Zum Beispiel stellt der Zug für einen Teilnehmer ein aktuelles Projekt dar, das bei ihm das Gefühl von Zeitdruck verursacht. Häufig beobachten wir, dass die ironische Darstellung zu einer Lockerung der Atmosphäre beiträgt.
In einem Trainerdialog vor der Gruppe reflektieren wir zunächst darüber, was die Teilnehmer veranlasst haben könnte, unser Seminar aufzusuchen. Wir sprechen an, dass der persönliche Zeitdruck und die Aufgabenfülle ein Grund für die Seminaranmeldung sein könnte. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass viele Teilnehmer ihre Arbeit auch vorher schon optimiert haben und einige Prinzipien des Zeitmanagements bereits kennen. Wir thematisieren, dass der Vorgesetzte im Rahmen eines Mitarbeitergespräches den Vorschlag gemacht haben kann, das Seminar zu besuchen.
Dann sprechen wir darüber, dass die meist schwierigen Rahmenbedingungen für effektives Zeitmanagement am Arbeitsplatz, z. B. durch Aufgabenfülle, Termindruck und Informationsflut oft als nur schwer beeinflussbar erlebt werden. Wir drücken den Teilnehmern unseren Respekt aus, dass sie in einem derart schwierigen Umfeld erfolgreich agieren.
Schließlich betonen wir unser Anliegen, trotz all der widrigen äußeren Bedingungen hier im Seminar den Fokus auf solche Veränderungen zu richten, die jeder einzelne auch tatsächlich beeinflussen kann.
Im nächsten Schritt setzen wir uns mit einer von uns häufig beobachteten Erwartung der Teilnehmer auseinander, im Seminar mit möglichst vielen "Tipps & Tricks", Techniken und Methoden für ein "erfolgreiches" Zeitmanagement durch die Trainer versorgt zu werden. Wir bereiten sie mit folgenden Worten darauf vor, dass sie statt allgemeiner Verhaltensrezepte individuelle Veränderungsprozesse erwarten.
„Nutzen Sie hier die Zeit, um über Ihre Arbeitsabläufe und Zeitdiebe in Ruhe nachzudenken. Durch die genauere Analyse bestimmter Umstände erkennt man oft eine neue Möglichkeit, eine kleine Veränderung, die es sich lohnt auszuprobieren. Wir möchten Sie hier dazu einladen sehr strukturiert und ergebnisorientiert darüber nachzudenken, wie Sie Ihre individuellen Ressourcen noch besser nutzen können, um in Zukunft besser mit den schwierigen Arbeitsbedingungen zurecht zu kommen."
Da nicht alle Teilnehmer unser Seminar aus eigener Motivation besuchen, sondern auf Weisung ihres Vorgesetzten, bieten wir an, auch "private" Themen, wie z. B. die Doppelbelastung durch Beruf und Familie, in die Seminararbeit einzubeziehen.
Wir weisen darauf hin, dass im weiteren Verlauf des Seminars immer wieder Gelegenheit sein wird, Themen diskret in Form der "kollegialen Beratung"[1] mit anderen Teilnehmern zu besprechen.
Zum Schluss dieses Trainerdialogs fassen wir das Seminarangebot mit den wichtigsten Zielen noch einmal zusammen.
„Der individuelle Ansatz in unserem Seminar ist auch deshalb sinnvoll, weil das Hinschreiben der „10 goldenen Regeln des Zeitmanagements“ so nicht reicht. Sie kennen vielleicht einen der vielen Ratgeber zu unserem Thema. Wenn es so einfach und schnell funktionieren würde, wären Sie nicht hier. Es braucht Zeit, Dinge umzuorganisieren oder neu zu bewerten. Dies funktioniert dauerhaft nur, wenn die Lösungen zu meiner Persönlichkeit und zu meinen Möglichkeiten, Grenzen und Gewohnheiten passen. Ihr Engagement vorausgesetzt, haben Sie hier die Gelegenheit, sich in aller Ruhe Zeit zu nehmen, um über Ihre Zeit nachzudenken und individuelle Lösungen zu erarbeiten, damit Sie Ihre Zeit in Ihrem Sinne gut nutzen. “
Es folgt ein Trainer-Vortrag in Form einer Powerpointpräsentation. Die Folien fassen die Aussagen und Tipps verschiedener Bestseller-Autoren zum Thema Zeitmanagement zusammen, z. B. von Seiwert (2000) und Covey (2006), die wir zusätzlich interpretieren. Exemplarisch sei hier eine dieser Folien abgebildet:
Abbildung 2: Sieben Grundregeln der Tagesplanung (Quelle: Seiwert (2000, S. 182f.))
Nach rund 30 Minuten geben wir zu bedenken, dass wir das Referieren zwar fortsetzen könnten, das Einverständnis der (inzwischen oft schon etwas ermüdeten) Teilnehmer vorausgesetzt, aber nun doch lieber in die interaktive Form der Seminararbeit zur individuellen Bearbeitung des Themas einsteigen wollen. Einen humorvollen Ausstieg aus diesem Theorieblock bildet der zweiminütige Film „Der Tempomann“, eine Kurzsatire, in der ein Mann seinen Tagesablauf durch Anwendung von Zeitmanagement-Regeln in übertriebener Weise zu optimieren versucht.
Danach bitten wir die Teilnehmer, in Kleingruppen ihre eigenen Zeitdiebe zu benennen. Dies können Situationen, Arbeitsprozesse, Personen oder Gedanken sein. Wir empfehlen den Teilnehmern sowohl innere als auch äußere Zeitdiebe einzubeziehen. Bezüglich der im Seminar geäußerten Themen sichern wir unsere Verschwiegenheit gegenüber nicht anwesenden Personen aus der Organisation zu und bitten auch die Teilnehmer um Vertraulichkeit. Wir bitten sie bewusst zu entscheiden, was sie im Seminar thematisieren wollen und was nicht.
Die folgende Folie zeigt konkrete Beispiele zum Thema "Zeitdiebe":
Abbildung 3: 10 typische Zeitdiebe und Stressoren (Quelle: Seiwert (2000, S. 182))
Die Bearbeitung erfolgt in zwei Gruppen in ca. 15 Minuten Bearbeitungszeit, mit der Zielstellung, die Ergebnisse auf Moderationskärtchen zu schreiben.
Nach der Gruppenarbeit werden die Ergebnisse von je einem Gruppensprecher vorgestellt. Da aus Zeitgründen nicht alle Themen im Seminar bearbeitet werden können, erklären wir einige Prioritätensysteme, welche die Teilnehmer im Anschluss zur Auswahl ihres wichtigsten Zeitdiebs anwenden.
In ca. 10 Minuten schriftlicher Einzelarbeit treffen die Teilnehmer ihre Auswahl, wobei wir auf Wunsch diejenigen unterstützen, die sich mit einer Festlegung schwer tun. Dazu dient folgender Hinweis auf dem Flipchart:
Abbildung 4: Flipchart Arbeitsauftrag „Zeitdiebe“ (Quelle: Bestand Eigenarchiv)
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