1 Die Hotelterrasse
Die amerikanische Schauspielerin Whoopie Goldberg hat seinerzeit in einem wunderbaren Film brilliert, in dem sie als dunkelhäutige Geschäftsfrau in der Finanzwelt der Männer keine Chance hatte, ihr jedoch in der Verkleidung eines weißen, erfolgreichen Geschäftsmannes die Welt zu Füßen lag.
Der Film hieß: „Wer ist Mr. Cutty?“, und nach einigen Wirrungen und sehr heiteren Szenen kam der Knalleffekt. Die Täuschung war gelungen, und alle bekamen, was ihnen zustand.
Nun, auch ich musste mir irgendwann die Frage stellen: „Wer oder was ist bloß dieser Mr. Bink?“, nur, dass es zur Beantwortung vieler, verdammt langer Lehrjahre bedurfte. Und ich hatte am Ende leider nur die Erfahrung und ein anderer alles, wofür ich hart gearbeitet hatte und was einzig und allein mir zustand.
Ist Mr. BINK vielleicht ein
B lendend aussehender,
I ntelligent plaudernder,
N atürlich auftretender
K avalier der alten Schule?
Mit diesen Worten jedenfalls hätte ich nach den ersten paar Wochen den neuen Mann in meinem Leben jedem beschrieben, der es hören oder auch nicht hören wollte.
Aber von Anfang an:
Endlich war ich, nach anstrengenden Dreharbeiten und einem fast fertigen Umzug in unser neues Heim, mit meinem Sohn auf Urlaub.
In einem der schönsten Hotels Hollands, endlich Zeit nur für meinen Sohn, meinen Hund Toy und mich. Wir drei genossen die wunderbar unbeschwerten, ruhigen Tage in der Sonne, unternahmen alles gemeinsam und freuten uns jeden Abend auf den kommenden Morgen.
Hier, an diesem Ort und in diesem Hotel, war ich endlich nur Marijke, die glückliche Mutter. Nicht die bekannte Fernsehmoderatorin, über die soeben die Presse herzog, nein, hier war ich nur Mutter eines entzückenden Kindes und Frauchen eines lebhaften Golden Retrievers. Herrlich.
Mein Nickerchen im strahlenden Sonnenschein auf der Hotelterrasse wurde durch das laute Knallen eines Sektkorkens und Gelächter unterbrochen und gestört.
Die zwei Herren im besten Alter, die einander fröhlich zuprosteten, bemerkten offensichtlich erst jetzt, dass sie meinen Schlaf gestört hatten, und baten mich, als nett gemeinte Entschuldigung, sich doch an ihren Tisch zu setzen, um auf den Geburtstag des einen der beiden mit anzustoßen.
Ich zögerte.
Ja, warum eigentlich nicht?
Es war zwar erst kurz vor Mittag, aber ich hatte schließlich Urlaub, mein Sohn spielte ausgelassen am Strand mit dem Hund, und die beiden Männer schienen nett zu sein. Ich hatte nichts vor, keine Termine, keine Hetzerei von einem Ort zum anderen. Also leistete ich der Einladung Folge und tauschte meinen Sonnenliegeplatz gegen einen Stuhl am Tisch der beiden Herren.
Wir stellten einander mit den Vornamen vor, und fortan plauderten wir angeregt über dies und das, eigentlich fast banale, dann wieder anregende Begebenheiten. Ich hatte dabei Gelegenheit, sowohl den einen der Herren als auch den anderen ausgiebig zu beobachten. Ja, mein erster Eindruck bestätigte sich im Laufe der folgenden Stunden. Die beiden waren nett. Jeder auf seine Art charmant, und der eine war es sogar noch ein bisschen mehr als der andere. Und so unbekümmert es begann, nahm nun das Schicksal seinen Lauf.
Es wurde eine zweite Sektflasche entkorkt, und diesmal riss der Knall niemanden aus dem Schlaf, höchstens mich ein wenig aus meinen Betrachtungen.
Ja, der eine Mann, der gefiel mir.
Er war groß, gutaussehend, höflich, zuvorkommend, charmant, ein brillanter Erzähler, anscheinend Kenner der Welt und der Frauen, ein Mann wie für mich geschnitzt. Ich merkte natürlich sofort, dass auch ich ihm nicht gleichgültig war, und trotzdem hatte ich leider sofort die übliche Angst, ach, der kennt mich vom Fernsehen und will mal wissen, wie das so mit mir laufen könnte. (Diesem Gefühl hätte ich folgen sollen, ich hätte meiner Bauchstimme Gehör schenken sollen, statt meinen Hormonen freien Spielraum zu lassen.)
Und leider erst viele Jahre später fielen mir die Worte meiner heiß-geliebten Großmutter ein, die immer sagte; „Mein Kind, der erste Eindruck eines Mannes ist später meist der Scheidungsgrund. Wenn Dich sein Charme bezaubert hat, dann denk daran, dass er den vielleicht mal auch bei anderen Frauen einsetzt.“
Ja, aus heutiger Sicht war es genau dieser Satz meiner Großmutter, der den Nagel auf den berühmten Kopf traf.
Der andere Mann, sein holländischer Freund, fand ganz plötzlich Gefallen daran, zu meinem Sohn und meinem Hund an den Strand zu gehen, um Stöckchen zu werfen. So blieben der Charmeur und ich alleine auf der Terrasse zurück. Verdammt, wieso begann mein Herz wie verrückt zu klopfen?
Wir plauderten immer angeregter, immer intensiver.
Hörte ich eigentlich richtig zu, oder lauschte ich nur dem Klang seiner Stimme? Zu viele verrückte Gedanken gingen zeitgleich in meinem Kopf umher.
Irgendwie kam das Gespräch auf unsere Berufe, und da bemerkte ich, dass er mich offenbar gar nicht kannte.
Himmel, so was gibt es auch noch? Hat bestimmt keine Kinder, schoss es mir sofort durch den Kopf.
Und da meine Fernsehsendung nur in Deutschland ausgestrahlt wurde, war es auf der anderen Seite wiederum nicht so verwunderlich, wenn man mich eben in Holland nicht sofort erkannte.
Ich hätte mit Kindern zu tun, antwortete ich deshalb nur.
Diese Notlüge benutzte ich, weil ich in der Vergangenheit einige enttäuschende Erfahrungen erlitten hatte. Deswegen nahm ich mir vor, erst mal auszutesten, wie die Sache denn so weiterlaufe. Dann könnte ich ja immer noch die volle Wahrheit sagen. Ich wollte nur der Presse und meinen Arbeitgebern nicht neuerlich Stoff für eine Story liefern, deren Ausgang ich zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise vorhersehen oder einschätzen konnte.
Zu kurz erst war es her, dass die Presse über mich hergefallen war, nachdem das Kindermädchen meines Sohnes gemeint hatte, ihr ohnehin recht üppiges Gehalt durch Geschichten über mich und mein Privatleben aufbessern zu müssen, indem sie diese an Zeitungen lieferte. Widerliche Lügen und Verdrehungen begleiteten mich wochenlang, und nur durch den damals noch interessanteren Lebenswandel von Lady Diana kamen meine Zeitungsberichte Gott sei Dank schön langsam ins Vergessen.
Ein klein wenig hatte mein Urlaub mit meinem Sohn deswegen auch etwas von einer Flucht.
Nur weg, hatte ich gedacht.
Weg, an einem Ort sein, wo niemand eine deutsche Zeitung liest. Gesagt und nahe gelegt hatte es mir mein Management. Es sei nun mal besser, eine Zeit lang aus der Schusslinie zu sein. Und ich möge nur bloß ja kein neues „Material“ liefern.
Deshalb meine Notlüge.
Deshalb mein Abwarten.
Denn, die beiden netten Herren hätten ja auch Reporter sein können!
Mal antesten, wie schnell die Amado auf Männergeplänkel anspringt.
Mal schauen, was an den Geschichten über ihr Privatleben so alles dran war.
Mal probieren, was so alles mit der passieren kann.
Der eine Mann, dieser seit über 30 Jahren in Holland lebende Deutsche, der seit Stunden mein Herz und meine Gefühle in Turbulenzen brachte, fragte mich sehr höflich und charmant, ob er mich für den Abend zum Dinner in das Hotelrestaurant einladen dürfe.
Tja, warum denn eigentlich nicht? Ich war mir sicher, dass ich bei dieser Gelegenheit durch geschickt gestellte Fragen schnell herausbekommen würde, ob der Herr an mir oder an einer Story interessiert sei.
Er war an mir interessiert, aber anders, als ich damals ahnen konnte.
Aus heutiger Sicht gesehen wäre es verdammt nochmal tausendmal besser für mich und meine Finanzen gewesen, wäre der nette Herr auf dieser Terrasse der schlimmste aller Sensationsreporter gewesen!
Aber hinterher ist man immer schlauer, und deshalb saß ich am Abend desselben Tages mit dem Charmeur im Hotelrestaurant an einem Tisch, wo wir unsere nur kurz unterbrochenen Gespräche fortsetzten.
Und weiterhin war ich wie verzaubert, spürte das Kribbeln der Verliebtheit als lang entbehrtes Gefühl in mir hochsteigen.
Nur einer störte die romantische Stimmung. Mein Sohn!
Nicht, dass er das getan hätte, was Kinder sonst...