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E-Book

Mr. Smiley

AutorHoward Marks
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641185435
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Die Fortsetzung des Millionenbestsellers »Mr Nice«
Howard Marks war der berühmteste Drogenschmuggler seiner Zeit und gleichzeitig Held einer ganzen Generation. Nach seiner Freilassung aus einem der härtesten amerikanischen Gefängnisse schrieb er den Millionen-Bestseller »Mr Nice«. Was kaum einer wusste: Neben seiner Rolle als Bestsellerautor geriet er Mitte der Neunziger in den Strudel der Ecstasyund Clubkultur. Und hatte es plötzlich wieder mit Verbrecherbossen und Gangstern zu tun. »Mr Smiley« nimmt den Leser mit auf eine unglaubliche Reise durch die Drogen-, Clubbing- und Verbrecherszene der Neunziger.

Howard Marks, Jahrgang 1945, war Großbritanniens berühmtester Drogenschmuggler, der sieben Jahre in einem amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis einsaß, bevor er 1995 entlassen wurde und mit seiner Autobiografie Mr Nice einen Weltbestseller landete. Der frühere Oxford-Physikstudent wurde im Laufe der Zeit mit so unterscheidlichen Gruppierungen wie der CIA, IRA, MI6 und der Mafia in Verbindung gebracht. Nach seiner Haftentlassung zog er nach Ibiza, gerade zu dem Zeitpunkt, als dort die Clubszene explodierte. Von dieser Zeit erzählt er in seinem letzten Buch Mr Smiley. Howard Marks starb 2016.

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Leseprobe

KAPITEL 1

Ecstasy hatte mich nie besonders interessiert. Wie viele andere auch, hörte ich von dieser Droge zum ersten Mal in den Siebzigern, als das Gerücht von einer neuen »Liebespille« aufkam, die kalifornische Therapeuten verabreichten, um Paare zusammenzubringen. Ungefähr zu dieser Zeit las ich dazu auch einen Artikel in Newsweek. Außerdem hieß es, Timothy Leary habe seine Frau Barbara geheiratet, nachdem er ein paar dieser Pillen genommen hatte. Er sagte damals voraus, dass diese Liebespille die alles bestimmende Droge der Achtzigerjahre werden würde. Ich schenkte diesem Gerede jedoch keine große Beachtung, da ich das Ganze für ein vorübergehendes Phänomen hielt. Als mir die Droge Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre ein paarmal in New Yorker Clubs angeboten wurde, lehnte ich jedes Mal ab. Ich war nicht sicher, wie lange ihre Wirkung anhielt, und ich verhandelte zu dieser Zeit gerade einen komplizierten Marihuana-Deal mit der Gambino-Familie, die den Flughafen JFK kontrollierte, an dem die Ware eintreffen sollte. Ich hatte das Gefühl, auf der Hut sein zu müssen, und hielt es unter diesen Umständen für zu riskant, mit einer unbekannten Größe zu experimentieren.

In den frühen Achtzigern, als ein schwuler Freund mich eines Abends in die Paradise Garage mitnahm – einen Club in der Nähe des Hudson Square –, wurde die Droge zum ersten Mal als Ecstasy angeboten und nicht mehr unter einem der anderen bis dahin gebräuchlichen Namen wie Adam, love juice oder disco biscuit. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass die Bezeichnung Ecstasy hängen bleiben sollte. Wegen der ständig wechselnden Namen hielt ich die Droge noch immer für etwas Kurzlebiges, eine bloße Modeerscheinung und keinesfalls etwas Dauerhaftes. Aids wuchs sich gerade zur Epidemie aus, und der Club war von der Schließung bedroht. Aus Angst vor immer weiteren Ansteckungsfällen erhielten die meisten Schwulen-Clubs keine Verlängerung ihrer Lizenzen. Ich muss zugeben, dass ich mich in der Paradise Garage ein wenig unwohl fühlte und dass ich angesichts der Panik, die damals überall herrschte, Angst hatte, etwas Neues auszuprobieren. Und so winkte ich auch an diesem Abend ab, als man mir am Eingang die kleinen weißen Pillen hinhielt.

Im oberen Stockwerk legte der legendäre Larry Levan auf, den ich bereits vom Studio 54 kannte. Mit seinem schlabberigen weißen Hemd ohne Kragen oder Aufschläge stellte er seinen üblichen Piraten-Look zur Schau. Um ihn herum hatte sich eine andere Szene als im Studio versammelt. Wegen der Hitze, die trotz des Winters hier drinnen auf der Tanzfläche herrschte, trugen die Menschen leichte Sommerkleidung, und obwohl kein hochprozentiger Alkohol ausgeschenkt wurde, sahen alle auf eine Weise zugedröhnt aus, die ich so noch nie gesehen hatte. Das waren nicht die rhythmischen Bewegungen von Tänzern auf Kokain oder Quaaludes, damals die beiden beliebtesten Disco-Drogen. Stattdessen machten die Leute einen eher selbstvergessen und tranceartigen Eindruck auf mich. Anders als im Studio, wo man vor allem Freunde treffen und jemanden abschleppen wollte, schienen die meisten der Gäste hier nichts Sexuelles im Sinn zu haben; diese Party wirkte mehr wie irgendeine religiöse Zusammenkunft. Ein Laufsteg, in den zahllose funkelnde weiße Lichter eingelassen waren, führte hinunter in die wogende Menge. Ich fühlte mich wie auf einem Kreuzfahrtschiff, das sich auf eine letzte Reise mit geplant tödlichem Ausgang begeben hatte. Und die Musiker hörten nicht auf zu spielen.

Der Freund, mit dem ich an diesem Abend unterwegs war, hieß Ed Miles. Er war in der Szene als Ed von Nirgendwo bekannt und gehörte zu einer neuen Generation von Dealern, die in den Clubs groß geworden waren. Er war noch nicht wirklich erwachsen und sah mit seinem wilden blonden Schopf und seiner hoch aufgeschossenen Figur wie ein Strichmännchen aus. Das ganze Jahr über trug er Sommerklamotten und Sonnenbrillen in grellen Farben, wie ein Entertainer in Kindershows. Aber trotz seiner komischen Erscheinung war Miles ein gewiefter Geschäftsmann. Ein paar Jahre lang war er der Liebling von Susan Dee gewesen, der Haus- und Hofdealerin der New Yorker Society; über sie hatte er Kontakt zu Juan Royal in Texas geknüpft – dem einzigen Ecstasy-Großhändler zu jener Zeit –, von dem Miles seine Ware beinahe zum Erzeugerpreis bezog. Jetzt, da die Clubs in Manhattan einer nach dem anderen dichtmachten, begann er seine Geschäfte nach England zu verlagern: im Flugzeug schmuggelte er kleine Mengen Ecstasy, die er als Vitamintabletten ausgab, und verkaufte sie im Limelight, Legends, Browns, Haven und anderen Clubs im Londoner West End.

Die Kundschaft dort konnte sich Preise von bis zu fünfundzwanzig Pfund pro Pille leisten, und da Miles damals noch die einzige ernsthafte Quelle war, verlangte er Höchstpreise. Mit den Drogen, die er bei Royal erwarb, strich er in der britischen Hauptstadt ungefähr tausend Prozent Gewinn ein – doppelt so viel, wie er zu Hause gemacht hatte. Aber da London im Vergleich zu New York ein relativ kleiner Markt war, dauerte es nicht lange, bis er auch in andere Städte expandierte – solche, in denen es bereits Club-Szenen mit einem Netzwerk von Dealern gab, die er anzapfen und versorgen konnte; so wie etwa Manchester im Norden Englands, wo seit der Post-Punk-Ära eine aktive Underground-Musikszene entstanden war.

Das nächste Mal, dass ich von Miles hörte, war im Jahr 1986. Ich hielt mich gerade in England auf, wo ich mich um eine Lieferung Thai-Gras kümmerte, die in einem Frachtschiff voller Kokosmatten aus Laos im Hafen von Liverpool eintreffen sollte.

Um ehrlich zu sein, hatte ich Miles vermisst, seit ich wieder in Europa war – seinen Humor, seinen unverfälschten Blick auf die Welt und seinen beeindruckenden Geschäftssinn. Und so freute ich mich sehr, als er sich bei mir meldete. Er war wieder mal geschäftlich in Manchester unterwegs, einem Ort, von dem er während seiner Zeit in den New Yorker Clubs vermutlich noch nicht mal gehört hatte und der so fernab von der glamourösen Welt Manhattans lag, wie man es sich überhaupt nur vorstellen konnte. Doch überraschenderweise klang er am Telefon ganz begeistert: »Komm mich besuchen«, sagte er. »Ich werde dir die Zukunft zeigen.« Eine solche Einladung konnte ich nur schwer ausschlagen. Also verließ ich am nächsten Abend Liverpool, wo ich bei Freunden gewohnt hatte, und machte mich auf den Weg zu ihm.

Miles holte mich vom Bahnhof ab und brachte mich zu einer Siedlung namens Hulme, einer der schlimmsten Wohngegenden von Manchester. Er hatte sichtlich Schwierigkeiten mit dem Linksverkehr und damit, ein Auto mit Schaltgetriebe zu fahren. Immer wieder schlingerte er zwischen den Spuren hin und her und wechselte krachend die Gänge. Wahrscheinlich hatte er niemals Fahrstunden genommen. Zwar besaß er Führerscheine aus mehreren Ländern – die waren aber alle ebenso falsch und unehrlich erworben wie seine Sonnenbräune.

Nachdem Miles sich immer wieder verfahren hatte, parkten wir schließlich in Hulme und gingen auf einen halb verfallen aussehenden Wohnturm zu. Dabei passierten wir ein paar Möchtegernräuber, die am anderen Ende eines Durchgangs lauerten. Die Jugendlichen starrten Miles fasziniert hinterher. Wie gewöhnlich trug er Strandklamotten und eine Sonnenbrille. Zielsicher lotste er mich durch ein Labyrinth aus unbeleuchteten Wegen.

Die Wohnung, in die wir schließlich eintraten, sah aus, als hätten sie Hausbesetzer in Beschlag genommen. Ein paar der Zimmer waren zu Tanzflächen umgewandelt worden, und mir war auf den ersten Blick klar, dass ich etwas völlig Neues vor mir hatte. Es spielte zwar die gleiche Musik wie in der Paradise Garage, aber hier waren nicht nur Männer. Kaum einer trank etwas, und der vorherrschende Kleidungsstil bestand aus Schlabber-Klamotten und Chucks. Die Tänzer bewegten sich unbeholfen und abgehackt, und jeder schien seinem eigenen Rhythmus zu folgen. Es war das erste Mal, dass ich Mädchen sah, die ohne Make-up ausgegangen waren und beim Tanzen schamlos schwitzten. Und es war auch das erste Mal, dass ich einen ganzen Raum voller Menschen vor mir hatte, die alle gleichzeitig bis über beide Ohren grinsten. Als ich mich umschaute, sah ich immer wieder die Smiley-T-Shirts, die mir schon in den Clubs von New York aufgefallen waren.

Miles’ Zukunftsprognose schien sich zu bewahrheiten, als die Szene innerhalb nur weniger Monate die Mainstream-Clubs von Manchester erreichte – zuerst das Hacienda, in dem bald so viel Ecstasy konsumiert wurde, dass niemand mehr Alkohol bestellte. Vom Hacienda sprang der Funke auf Londons größten Schwulen-Club, das Heaven, über. Dann folgten das Clink in South Bank und schließlich die Partys im Ministry of Sound. Damit begannen die Großveranstaltungen, die die nächsten Jahre bestimmen sollten und bei denen nicht mehr Alkohol und Abschleppen, sondern Fahrgeschäfte, Gast-DJs und Lichtshows für die Unterhaltung sorgten.

Als die Szene bereits im folgenden Sommer zu gewaltiger Größe anschwoll, mit Acid-House-Abenden in Clubs wie dem Limelight und in Pubs an der Portobello Road, trugen die Partygäste bald überall die gleichen Smiley-Shirts und schlabberigen, übergroßen Strandklamotten, die ich in jener Nacht in Hulme gesehen hatte. Es war, als ob Miles selbst diesen neuen Dresscode inspiriert...

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