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E-Book

Münchens vergessene Kellerstadt

Biergeschichte aus dem Untergrund

AutorAstrid Assèl, Christian Huber
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783791760865
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Seit dem Mittelalter kämpften die Münchner Brauer damit, dass sie es mit einem leicht verderblichen Lebensmittel zu tun hatten, das sich schlecht lagern ließ. Das Reinheitsgebot von 1516 schrieb daher nicht nur die zum Bierbrauen zu verwendenden Zutaten - Gerste, Wasser, Hopfen - vor, auch war das Brauen nur noch in der Zeit zwischen 29. September und 23. April erlaubt. Von nun an musste genügend Bier auf Vorrat gebraut und eingelagert werden, damit die Stadtbevölkerung auch im Sommer ein 'pfennig-vergeltliches' Bier bekam - eine große Herausforderung für die Brauer! Damit begann ein fast gänzlich in Vergessenheit geratenes Kapitel der Münchner Geschichte: der Bau der Sommerbier-Lagerkeller an den Isar-Hochufern. Astrid Assél und Christian Huber holen diesen Teil der Biergeschichte aus dem 'Untergrund' und lassen längst Vergessenes wieder zu Tage treten.

Astrid Assél, geb. 1964, und Dr. Christian Huber, geb. 1968, hat München seit dem Studium nicht mehr losgelassen. Ihre Leidenschaft für Bier und Brauer der Stadt schlägt sich seit 2009 in diversen Publikationen nieder. Außerdem leiten sie zusammen das Unt

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Leseprobe

Die ersten Münchner Bierkeller


Nicht nur Münchner kennen und lieben sie, die Traditionsgaststätten „Löwenbräukeller“, „Augustinerkeller“, „Hofbräukeller“ und „Salvatorkeller“. Bayrische Schmankerl, gemütliche Gaststuben und Münchner Lebensart – alles findet sich geradezu bilderbuchmäßig hier vereint.

Wieso aber eigentlich „Keller“? In diesen Wirtshäusern sitzt man entweder im Sommer unter schattigen Kastanien im Biergarten, erfreut sich an einem Bier in der Schwemme oder genießt im prächtigen Festsaal traditionell-bayerische Höhepunkte wie den Starkbieranstich. Auf den ersten Blick also von Kellern weit und breit keine Spur.

Die Namen leiten sich von den früheren Lagerkellern der Brauereien für ihr Sommerbier ab. Erst viel später entstanden dort auch Gaststätten, die nach den Kellern benannt wurden. Die Entwicklung dieser Bierkeller ist untrennbar mit der speziellen Geschichte des Brauens in München verbunden.

Münchens Bier und seine Brauer


Bis zum Bau der ersten Bierkeller in München hatte das Brauwesen bereits eine lange Vorgeschichte durchlaufen. Schon zu Zeiten der Sumerer und der alten Ägypter war die Herstellung von Getränken aus vergorenem Brotteig bekannt. Im Römischen Imperium gab es die „Cervisia“, die nach Ceres, der Göttin der Feldfrüchte, benannt war. In Germanien hat sich das Bierbrauen ungefähr 1500 Jahre vor Christus entwickelt. Die Germanen hatten damals schon erkannt, dass es ausreichte, das gekeimte und anschließend getrocknete Getreide anstatt eines Brotteiges vergären zu lassen. Auch die Technik des Biersiedens scheint ihnen schon bekannt gewesen zu sein.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches gelangte das Wissen über die Kunst des Bierbrauens von Germanien nach Bayern und wurde dort bis ins Hochmittelalter weiterentwickelt. In diese Zeit fällt die Stadtgründung Münchens im Jahr 1158. Auch wenn schriftliche Quellen aus jener Phase fehlen, können wir ein allgemeines, also für jedermann geltendes Hausbraurecht annehmen. Das Bierbrauen war Teil der Hausfrauenarbeit, genauso wie das Brotbacken. Selbst Kinder tranken damals schon Bier, das allerdings im Vergleich zu heute deutlich alkoholärmer war. Vor allem war es durch den Brauvorgang, also das Sieden und anschließende Vergären, wesentlich weniger mit Keimen belastet als das Trinkwasser im damaligen München. Die Ära des Hausbrauens währte allerdings nicht allzu lange. Spätestens Ende des 13. Jahrhunderts wurde das Braurecht von Herzog Ludwig II. „dem Strengen“ nur noch als Lehen exklusiv an eine kleine Schicht vermögender Patrizier vergeben. Diese waren im „Bräuamt“ (officium praxationis) zusammengeschlossen.

Bräuamt

Das officium praxationis war die Standesvertretung der mittelalterlichen Brauer in München. Im Gegensatz zu den übrigen Handwerkern waren die Bierproduzenten im Mittelalter also nicht als Zunft (diese Bezeichnung taucht erst im 17. Jahrhundert auf) organisiert, sondern in der Form des Bräuamtes direkt dem Herzog Rechenschaft schuldig. Sie wurden durch gewählte „Vierer“ nach außen gegenüber Stadtrat und Herzog vertreten. Als Gegenleistung für die Belehnung mit dem Braurecht war das Bräuamt als Gesamtorganisation verpflichtet, dem Herzog jährlich eine Abgabe in Höhe von 50 Pfund Münchner Pfennige zu leisten. Dieser Einnahmeposten wurde erstmals 1280 im sog. Urbar, einem Verzeichnis der Besitzrechte des Herzogs und der ihm geschuldeten Leistungen seiner Untertanen, aufgeführt. Hinzu kamen noch Wachslieferungen für das Fest Mariä Reinigung sowie Abgaben an den Viztum und den Stadtrichter. Außerdem musste das Bräuamt jährlich 32,5 Scheffel (7221,5 Liter) Malz an den Hof abführen.

Die 21 Stadtadeligen, die sich zu ihren sonstigen Privilegien nun also auch das Recht des Brauens gesichert hatten, ließen das Bier in mehreren Bräustadeln von angestellten „Prewmaistern“ brauen. Hauptberuflich gingen die mit dem Braurecht belehnten Bürger aber anderen Geschäften nach; die meisten dieser Patrizier waren Händler und Kaufleute.

Der Bierpreis („Biersatz“) wurde von der Obrigkeit verbindlich festgesetzt. In der nachfolgenden Zeit stiegen aber die Preise für die Rohstoffe, wie zum Beispiel die Braugerste, wegen Missernten drastisch an, ohne dass der Bierpreis erhöht wurde. Dadurch versprach das Brauen bald keine ausreichenden Gewinne mehr. Nach und nach wurden deshalb die Braustätten von den Patriziern wieder stillgelegt und die Abgaben ans Bräuamt eingestellt. Damit brachen auch die Einnahmen des Herzogs weg. Die Bevölkerung Münchens hatte sich parallel hierzu innerhalb von nur 75 Jahren auf 10 000 Einwohner verdoppelt. Um den damit stetig steigenden Bierbedarf zu decken, begannen die Münchner – nun allerdings illegal – erneut, selbst daheim zu brauen.

Diese frühe Krise im Brauwesen veranlasste Herzog Stephan II. „mit der Hafte“ zu einer grundlegenden Braureform. Zusammen mit seinen Söhnen Friedrich, Johann und Stephan erließ er 1372 eine neue Brauverfassung, nach der fortan unverändert über mehr als vier Jahrhunderte gebraut werden sollte. „Jeder, den es gelüstet“, durfte von nun an Bier brauen. Allerdings war die Berechtigung hierzu weiterhin von der Belehnung durch den Herzog abhängig, die sich dieser gut bezahlen ließ. Für die Verleihung des Braurechts selbst waren fünf Gulden an ihn sowie ein weiterer Gulden an den Viztum zu entrichten. Diesem Kanzler, der den Landesherrn in München als Statthalter vertrat, unterstand auch das Brauwesen. Das Braulehen konnte dabei weder vererbt noch veräußert werden, das heißt: Die Nachfolger eines Brauberechtigten mussten es immer wieder neu beantragen – und bezahlen. Außerdem war das Bräuamt weiterhin verpflichtet, jährlich die bereits früher vereinbarte Abgabe von 50 Pfund Pfennigen an den Herzog zu entrichten, von nun an unabhängig von der Zahl der tatsächlich brauenden Betriebe.

Diese dauerhafte Festschreibung der Abgabe war kein freundliches Entgegenkommen des Herzogs in dem Sinne, dass er sich bei einer Vermehrung der Braustätten mit einer dennoch gleichbleibenden Summe begnügen würde. Vielmehr baute er damit dem Umstand vor, dass im Falle eines erneuten Rückgangs der aktiven Brauereien weiterhin eine konstante Einnahme für den Hof erhalten bliebe. Denn anfangs lief das neue Brauwesen nur schleppend an. Die Brauer, die im Gegensatz zu den früheren angestellten „Prewmaistern“ jetzt „Prewen“ genannt wurden, waren anfangs Quereinsteiger. Sie hatten zuvor gänzlich andere Berufe wie zum Beispiel das Schneiderhandwerk ausgeübt und wollten ihr Glück nun einmal mit dem Brauen versuchen. Parallel aber bildete sich eine Aufsteigerschicht heraus: Ehemalige Bräuknechte dienten sich zunächst zu „Zuschenken“ hoch, die das Bier in der Gaststätte eines Brauers ausschenkten. Anschließend übernahmen sie dann eine eigene Brauerei.

Nur wenige Neugründungen sind in dieser Frühzeit dokumentiert; zu ihnen zählt der 1397 gegründete Spatenbräu. Aber auch diese Gründung fand erst 25 Jahre nach der Braureform statt. Es kam eben anfänglich keineswegs zu einem „Run“ auf das Braugewerbe. Im Jahr 1400 gab es nur elf, 50 Jahre später gerade einmal 16 Brauereien. Die ersten Prewen arbeiteten unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Oft musste der Braubetrieb zeitweilig wieder eingestellt werden, weil auf Grund von Missernten nicht genug Getreide für das Brauen zur Verfügung stand. In solchen Zeiten nutzten die Brauer das mit dem Braurecht verbundene Bewirtungs- und Beherbergungsrecht und führten die Brauereien als Gaststätte weiter.

Das Braurecht war schon seit der Zeit des Patrizierbrauens auf dem jeweiligen Grundstück radiziert, also dort verwurzelt, wo es ausgeübt wurde (lat. radix = Wurzel). Eine willkürliche Vermehrung von Braustätten war dadurch nicht möglich. Nur wer das Lehen erhalten hatte und den Besitz einer Braustätte nachweisen konnte, durfte das Brauhandwerk ausüben. Starb ein Prew, so konnte die Witwe oder Tochter die Brauerei aber dann auch an andere Brauer verpachten.

In der Anfangsphase der Münchner Braugeschichte muss die Qualität des Bieres katastrophal gewesen sein. Das Hauptproblem für die Brauer war die geringe Haltbarkeit von Bier, weshalb dem Sud bereits von vornherein alle möglichen Dinge beigemischt wurden – von aromatischen Kräutern über unappetitliche Zutaten wie Ochsengalle, Pech und Asche bis hin zu hochtoxischen Halluzinogenen wie Tollkirsche und Bilsenkraut.

Bilsenkraut

Die Samen des schwarzen Bilsenkrautes (Hyoscyamus niger), auch „Hexenkraut“ genannt, sind hochgiftig. Sie enthalten Alkaloide wie Atropin und Scopolamin, die zu Atemlähmung führen können. Im Mittelalter war die Pflanze jedoch wegen ihrer halluzinogenen Wirkung geschätzt und wurde zur Verstärkung der Rauschwirkung beim Biersieden benutzt. Da die berauschende und die toxische Dosis sehr nahe beieinander liegen, kam es durch die Verwendung der Samen immer wieder zu Todesfällen nach Bierkonsum.

Die Herzöge waren deshalb bemüht, durch diverse Verordnungen die Qualität des Bieres zu verbessern. Davon ist das 1487 von Herzog Albrecht IV. „dem Weisen“ erlassene „Münchner Reinheitsgebot“ sicherlich das bekannteste und darf den Titel des ältesten, weil bis heute gültigen Verbraucherschutzgesetztes der Welt für sich in Anspruch nehmen. Es schrieb den ausschließlichen Gebrauch von Gerste, Hopfen und Wasser zum Brauen vor: Bier soll „… auch aus nichts anderem, denn hopfen gersten und wasser gesotten werden und nicht vorher ausgeschenkt werden, bevor es geschaut und gesetzt ist.“

Die hierin nicht erwähnte Hefe (das „Bierzeug“), die für die Gärung zuständig ist,...

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