2.1.Aussagen des österreichischen Lehrplans in Musikerziehung
In den zuvor beschriebenen Kapiteln wurden die anthropologischen Zusammenhänge zwischen Mensch und Musik, Kind und Musik erklärt. Diese Erkenntnisse finden auch Berücksichtigung im österreichischen Lehrplan in der Primarstufe. Die darin enthaltenen Inhalte werden von Zeit zu Zeit den gesellschaftspolitischen Veränderungen angepasst und durch Überarbeitungen aktualisiert. Das Konzept hat einen sogenannten Rahmencharakter und ermöglicht damit den Lehrkräften Entscheidungsfreiräume in Bezug auf Auswahl, Gewichtung und zeitlicher Verteilung, sowie Konkretisierung und Strukturierung der Lehrstoffe. Gleichzeitig wird angeführt, dass für eine Ausgewogenheit der sozialen, emotionalen, intellektuellen und körperlichen Bildung Sorge zu tragen ist und die Persönlichkeitsentwicklung unter Berücksichtigung des Lernstandes des Kindes vorrangig ist und Berücksichtigung finden muss.[39] Die im Lehrplan angeführten Lerninhalte orientieren sich am Entwicklungsstand der Kinder. Das Bildungsziel wäre an diesem anzuknüpfen. Das Kind ist also dort abzuholen, wo es steht. An diesem bestehenden Bildungsstand ist allgemeinbildend anzusetzen. In Folge ist das Kind mit Fähigkeiten auszustatten, die es ihm ermöglichen, sich aktiv am gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben zu beteiligen.
Es soll zu einem selbstständigen Bildungserwerb hingeführt werden.
2.1.1. Der Lehrplan für Musikerziehung in der Primarstufe
Der Grundschullehrplan teilt den Lehrstoff in dieser Altersstufe in Grundstufe I und Grundstufe II auf. Inhaltlich sollten im Unterricht in beiden Stufen die Kinder in folgenden Bereichen Kompetenzen erreichen und zum eigenständigen Musizieren geführt werden.
Im Lehrplan der Grundschule sind in der Musikerziehung fünf Gestaltungsprinzipien verankert:[40]
Singen
Musizieren
Hören
Bewegen
Kreatives musikalisches Gestalten
Diese fünf Prinzipien sind genau erläutert und inhaltlich ausgeführt. Es werden Inhalte mit Beispielen erklärt, die die Lehrkräfte bei der Planung und Durchführung unterstützen. Methodische Hinweise runden die inhaltlichen Vorgaben ab und begleiten Unterrichtsinhalte.
2.1.2 Der Lehrstoff für Musikerziehung in der Grundstufe 1 (6 bis 8 – Jährige)
SINGEN
Kinderlieder (Volkslieder, Lieder aus anderen Ländern) vor-und nachsingen; Erfinden eigener Melodien;
Unterschiedliche Formen der Liederarbeitung kennenlernen
Situationsbedingte Rufe (Rufterz) Atemübungen und stimmbildende Übungen
Klangexperimente mit Sprech-und Singstimme, z. B.: Nachahmen von Tierstimmen
MUSIZIEREN
Zu einem Text entsprechende Instrumente und Klänge auswählen können; Metrum und einfache rhythmische Ostinati kennenlernen, Akzentuierungen
Klangmöglichkeiten von Körperinstrumenten und Orff-Instrumenten erforschen und erleben
Klangexperimente; Einfache Handlungsabläufe klanglich darstellen können.
Graphische Notationen auf unterschiedlichen Instrumenten in den Klang bringen
HÖREN
Geräusche aus dem unmittelbaren Lebensbereich der Kinder wahrnehmen, differenzieren und interpretieren
Geräusche und Klänge grafisch notieren
Hörbeispiele mit selbst gebauten Instrumenten; Klänge unterscheiden; Klangrichtungen; subjektive Höreindrücke beschreiben; Tonhöhe, Tondauer, Tempo, Lautstärke, Klangfarben…. unterscheiden
Anknüpfen an Hörerlebnisse der Kinder
BEWEGUNG
Grunderfahrungen mit Musik und Bewegung
Spannung und Entspannung spüren
Freie Bewegungsabläufe zur Musik, einzeln und in Gruppen
Bewegungsgestaltungen und szenische Darstellung zu Stegreifspielen, Versen und Bildern
Spiel-und Tanzlieder, Tanzformen: Kreistanz
2.1.3. Lehrstoff für Musikerziehung in der Grundstufe 2 (8 bis 10-Jährige)
SINGEN
Lieder aus dem Jahres-und Lebenskreis der Kinder (Volkslieder, Lieder aus anderen Ländern, Bundeshymne; Kanons und mehrstimmige Lieder)
Verschiedene Formen der Liederarbeitung; Atem-und stimmbildende Übungen
Melodiefindung zu selbst gestalteten Texten
Experimentieren mit Sprech-und Singstimme; Stimmungen ausdrücken, mit Stimme spielen
MUSIZIEREN
Rhythmische Begleitungen zu Liedern; Ostinati, Bordun; Vor-, Zwischen- und Nachspiele
Einfache Notationen festlegen und danach einzeln oder in Gruppen musizieren
Mit Klängen experimentieren, sie vergleichen, einordnen; Stimmbilder und Texte verklanglichen
HÖREN
Hörbeispiele verschiedener Musikrichtungen; Musikinstrumente benennen und differenzieren; Höraufgaben zur Wahrnehmung und Differenzierung von Formverläufen (Wiederholung, Wiederkehr); Tonhöhen, Lautstärke, Tempo, Klangfarben
Subjektive Höreindrücke beschreiben und vergleichen, Körper in Bewegung setzen, graphisch darstellen
Musik zu verschiedenen Anlässen – ordnen
Werkausschnitte verschiedener Komponisten im Kontext kennen lernen
BEWEGUNG
Bewegungserfahrungen mit Musik, Tempo, Tondauer
Freie Bewegungsabläufe zur Musik im Raum; freies Bewegen im Kreis; Metrum, Takt, Rhythmus, … in die Bewegung übertragen
Szenisches und musikalisches Gestalten von Märchen, Reimen, Stegreifspielen, Bildgeschichten
Erlernen von Tänzen; verschiedene Tanzformen (Kreistanz, Gruppentanz, Paartanz); Tänze aus anderen Kulturen und historische Tänze
Im Schulorganisationsgesetz ist der Lehrstoff der Grundschule nach Unterrichtsgegenständen gegliedert. In den dafür vorgesehenen Stundentafeln werden diesen Fachbereichen Zeitrichtwerte zugeordnet.
Damit werden die Pädagoginnen und Pädagogen verpflichtet, den Kindern Bildungsangebote aus allen angeführten Lernbereichen bereitzustellen. Der Unterricht erfolgt in einer Art Gesamtunterricht, da eine strikte Unterteilung in einzelne Gegenstände in der Grundstufe zu vermeiden ist. Das gibt Kindern, Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit einen Gegenstand in den anderen einfließen zu lassen oder sich länger mit einem Thema zu beschäftigen.
Auch eine Themenverarbeitung in einem Projekt bietet sich als gemeinsames Bildungsangebot an. In der sogenannten Projektarbeit finden alle Gegenstände Platz und können über ein gemeinsames Thema miteinander verknüpft werden. Das Kind erfährt so pädagogisch gestaltete Inhalte ganzheitlich, kann dadurch rascher Zusammenhänge erkennen und erlebte Themen auf den Alltag übertragen. Diese Form bietet auch für den Musikunterricht und seine Inhalte eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf andere Gegenstände. Somit werden Lerninhalte anderer Gegenstände in Verbindung mit der Musik wirksamer. Der kontinuierliche Umgang mit Musik und die Auseinandersetzung mit musikalischen Themen führt ein...