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Musik und Kulturindustrie aus der Sicht von Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Musiksoziologie und Aufklärung als Massenbetrug

AutorKarl-Heinz Mayer
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl33 Seiten
ISBN9783863419905
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die Arbeit hat zum Ziel, aus dem umfangreichen Werk Adornos einige Aufsätze herauszugreifen, daraus einen Eindruck seines Denkens über Musik und Kulturindustrie zu destillieren und diesen aus der Sekundärliteratur mit einer heutigen Sicht zu konfrontieren. Dies wird einem von Adorno nicht leicht gemacht. Denn der eigentümliche, ungemein dichte Stil dieses Autors wehrt sich nach Kräften gegen jede Zusammenfassung oder Kürzung. Es wurden daher einige wesentliche Gedanken aus der großen Menge dessen herausgegriffen, was Adorno über die Musik und die Musikindustrie verfasst hat. Die Arbeit beginnt mit einem Blick auf die Philosophie Adornos und mit dem Versuch, in der äußerst umfangreichen und komplexen Ästhetischen Theorie Adornos, den Grundlagen seines Kunstbegriffs nachzuspüren. Aus der Musiksoziologie werden die Typen von Musikhörern, die Adorno an seinen hohen Anforderungen gemessen und klassifiziert hat, betrachtet. Aus den gesammelten Schriften wurden einige charakteristische Aufsätze zur Musik ausgewählt und inhaltlich reflektiert. Schließlich wurde aus der Dialektik der Aufklärung das Kapitel über die Kulturindustrie ausgewählt und kommentiert. Adornos ideologische Grundlage war der von Hegel beeinflusste Marxismus, allerdings in seiner pessimistischen Interpretation, ohne noch die Hoffnung auf den Aufstand der Massen zu hegen. Nicht zu vergessen sind auch die Umstände, unter denen die Werke Adornos entstanden: persönlich betroffen von rassischer Verfolgung und Krieg, ins Exil gezwungen, wo seine Arbeit nicht dieselbe Anerkennung fand, wie in seiner Heimat - all dies macht seine abgrundtief pessimistische negative Dialektik verständlicher. Die Erosion dieser ideologischen Basis durch die jüngere Geschichte hat die Rezeption der Werke Adornos beeinträchtigt, ihn aber keinesfalls zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.

Diplomkaufmann Karl-Heinz Mayer, BA, wurde 1943 geboren und hat sich bereits in der Mittelschule für die Philosophie interessiert. Nach einem betriebswirtschaftlichen Studium und einer beruflichen Laufbahn im Management internationaler Konzerne absolviert

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 5.3, Dissonanzen: In diesem Band schreibt Adorno über die Musik in der verwalteten Welt, welch letztere er gleich in der Vorrede für einen Verlust an künstlerischer Freiheit und Spontaneität und für 'Deformationen, die sie allenthalben durchmacht' (GS 14, 9), verantwortlich macht. 5.3.1, Der Fetischcharakter in der Musik: Der Begriff des Fetischcharakters (der Ware) wurde von Karl Marx geprägt und verleiht einem Kapitel seines Hauptwerkes, Das Kapital, den Namen 'Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis'. Darin schreibt er dem Arbeitsprodukt einen mystischen Charakter zu, der nicht aus seinem Gebrauchswert entspringe, sondern seiner Form als Ware (vgl. Marx 1968, 16). Adorno überträgt nun diesen marxistischen Warenbegriff auf die Musik, soweit sie als Massenware gehandelt wird. Bei Schlagern zum Beispiel sei die Bekanntheit das einzige Kriterium für ihren Wert geworden: 'ihn mögen, ist fast geradewegs dasselbe wie ihn wiedererkennen' (GS 14, 14 f). Man müsse sich fragen, wen eigentlich die Unterhaltungsmusik noch unterhalte. 'Sie bewohnt die Lücken des Schweigens, die sich zwischen den von Angst, Betrieb und einspruchsloser Fügsamkeit verformten Menschen bilden.' (ibid., 15). Der Begriff des Kunstgenusses erscheint Adorno nur noch komisch - das musikalische Bewusstsein der Massen sei gekennzeichnet durch Genussfeindschaft im Genuss und wer sich noch an den schönen Stellen eines Schubertquartetts delektiere, der rangiere 'als vermeintlicher Bewahrer der Kultur unter den Schmetterlingssammlern' (GS 14, 19). Hand in Hand mit der Entwicklung der Musik zur Ware sieht Adorno den Starkult sich ausbreiten, der sich nicht nur auf Personen beschränke, sondern auch die Werke der ernsten Musik erfasse. Gespielt und verkauft werde, was bekannt ist und durch diese Selektion in einem Teufelskreis immer bekannter werde, während die Vielfalt in einem Schrumpfungsprozess auf der Strecke bleibe (vgl. GS 14, 22). Bei den Singstimmen zähle nur noch das stimmliche Material, also das Volumen und die Höhe, nicht mehr aber die technische Virtuosität. Die Stimmen sind heilige Güter gleich einer nationalen Fabrikmarke. Als wollten sich die Stimmen dafür rächen, beginnen sie eben den sinnlichen Zauber einzubüßen, in dessen Namen sie gehandelt werden. Meist klingen sie wie Imitationen der arrivierten, auch wenn sie selber arriviert sind. (GS 14, 23). Besonders übertrieben findet Adorno den Starkult bei den Meistergeigen von Stradivari oder Amati. Nur das Spezialistenohr könne wirklich deren Klang von dem einer modernen Geige unterscheiden, aber die Konzentration auf den Fetisch des Klanges - bei der Geige ebenso wie bei der Singstimme - verstelle den Blick für den Sinngehalt des Musikstückes. Dabei sei der Begriff des musikalischen Fetischismus nicht psychologisch herzuleiten, sondern Ausdruck des Warencharakters, welcher der Musik in der bürgerlichen Gesellschaft zugewiesen worden sei. In Amerika diene Musik überwiegend der Reklame für Waren, die man zum Hören von Musik benötigt. In der ernsten Musik werde diese Funktion noch 'sorgfältig abgeblendet' (GS 14, 24), umso mehr sei dies im Jazzbetrieb der Fall. Dieser unterwerfe sich ganz dem Diktat des Tauschwertes, sodass der Fetischcharakter der Ware Musik ungehindert zum Vorschein komme. Was der Konsument eines Konzertes eigentlich anbete, sei das Geld, das er für die Konzertkarte ausgegeben hat. Der Kulturbereich scheine zwar - oberflächlich gesehen - von der Macht des Tauschwertes ausgenommen zu sein, tatsächlich unterliege er jedoch unerbittlich dessen Zwang (vgl. GS 14, 25). Die Fetischisierung habe verhängnisvolle Auswirkungen auf die ihr unterliegenden Werke, die der beziehungslose Konsum zerfallen lasse. Durch die Verdinglichung verwandle sich die Struktur der Musik in ein bloßes Konglomerat von Einfällen. 'Je verdinglichter die Musik, um so romantischer klingt sie den entfremdeten Ohren. Gerade damit wird sie zum >Eigentum<.' (GS 14, 27). Kein gutes Haar lässt Adorno an der Praxis des Arrangements: einerseits reiße sie verdinglichte Einfälle aus ihrem Zusammenhang heraus, andererseits verunstalte sie unter jämmerlichen Vorwänden die alte Musik. Adorno vermutet dahinter Motive sui generis, wie zum Beispiel, dass die Musik leichter konsumierbar gemacht werden soll, damit sie 'ihre Reklamepflicht' (GS 14, 29) erfüllen könne. Eine eigene Form der Fetischisierung sieht Adorno in der Aufführungspraxis der großen Dirigenten, von denen er Toscanini namentlich erwähnt. Hier herrsche eiserne Disziplin. 'Der neue Fetisch ist der lückenlos funktionierende, metallglänzende Apparat als solcher, in dem alle Rädchen so exakt ineinanderpassen, dass für den Sinn des Ganzen nicht die kleinste Lücke mehr offenbleibt. Die im jüngsten Stil perfekte, makellose Aufführung konserviert das Werk um den Preis seiner definitiven Verdinglichung.' (GS 14, 31). Die Aufführungen klängen dann wie ihre eigene Grammophonplatte, mit zu Tode nivellierten Spannungen (wie sie bei der damaligen Tontechnik wahrscheinlich noch üblich waren). Die Herrschaft der arrivierten Dirigenten gemahne an die totalitärer Führer, sie seien der eigentliche moderne Typ des Virtuosen. Adornos Theorie vom Fetischcharakter der Musik ist nicht unumstritten. Richard Schwarz, der Herausgeber eines philosophischen Internet-Magazins, sieht das so: Das Problem liegt [...] darin, dass die Phänomene, die in ihm [dem Aufsatz zum Warenfetischismus] als Effekte des Warenfetischismus in der Musik ausgewiesen werden, jeweils auch mit ganz anderen Begriffen und dann vielleicht sogar viel genauer beschrieben werden können als mit den pseudoökonomischen Kategorien Adornos. (Schwarz, 17). Zum Beispiel sei der Zerfall der klassischen Werke im beziehungslosen Konsum nicht unbedingt auf einen Warenfetischismus in der Musik zurückzuführen, sondern könnte auch darin begründet sein, dass sie als kanonisierte und deshalb dekontextualisierte Klassiker gar nicht mehr anders konsumiert werden können.
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