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E-Book

Mythos Fachkräftemangel

Was auf Deutschlands Arbeitsmarkt gewaltig schiefläuft

AutorMartin Gaedt
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl210 Seiten
ISBN9783527683499
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Fachkräftemangel auf der einen und hohe Arbeitslosenzahlen auf der anderen Seite - irgendetwas läuft gewaltig schief auf Deutschlands Arbeitsmarkt. Was, das zeigt Martin Gaedt in diesem Buch: Schonungslos bringt er die Arroganz der Unternehmen bei Bewerbungsverfahren ans Licht und spricht Klartext in Sachen Fachkräftemangel und BrainDrain. Gaedt offenbart an Beispielen, wie Arbeitsagenturen auf Versagen programmiert sind und wie hilflos die Politik wirklich ist. Wenn die Konjunktur den Arbeitsmarkt belebt, mag das vielleicht oberflächlich beruhigen - doch das verhindert nicht, dass Regionen endgültig ausbluten und hochqualifizierte Arbeiter zu Firmen im Ausland abwandern.
Mit seinem Buch nimmt Martin Gaedt das Grundproblem ins Visier: Arbeitsuchende und Arbeitgeber finden einfach nicht zusammen. Und Wirtschaft und Gesellschaft biegen auf die Verliererstraße.
Ein Buch, das Unternehmen die Leviten liest und Politiker aus dem Dornröschenschlaf holt.

Martin Gaedt ist Gründer und Geschäftsführer der YOUNECT GmbH in Berlin, die immer wieder mit innovativen Ideen für den Arbeitsmarkt auffällt. Das von ihm geprägte Empfehlungsrecruiting etabliert sich aktuell zum Standard der Personalakquise. Der Begriff umfasst Social-Media-Recruiting, Mitarbeiterempfehlung sowie den Einsatz regionaler oder branchenspezifischer Talentpools unter dem Namen Cleverheads. Martin Gaedt berät und unterstützt Unternehmen bei der Konzeption ihrer Karriereseite, coacht Personalverantwortliche und Berufssuchende, unterrichtet Dienstleistungsmarketing sowie Innovationsmanagement und unterstützt Politik und Verwaltung mit Lösungen zur Stärkung des regionalen Arbeitsmarktes.
Die YOUNECT GmbH ist Gewinner bzw. Preisträger von 'Land der Ideen 2012' und des HR Excellence Award 2013.

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Leseprobe

Kapitel 1
Greiz ist überall


 

... diese Liste könnte ich endlos weiterführen. Aber ich will Sie nicht langweilen. Ich will Sie nur fragen, was diese Unternehmen alle gemeinsam haben. Bekanntheit? Erfolg? Tausende von Mitarbeitern? Das Gefühl „Wir sind der Stolz der deutschen Wirtschaft“? – Definitiv! Es gibt aber noch etwas, was sie vereint: Sie alle haben ihren Hauptsitz in Berlin, München, Köln oder Hamburg.

Die bekanntesten deutschen Unternehmen sitzen in den größten deutschen Städten. Eine Erkenntnis, die nicht gerade verwundert. In der Großstadt steppt der Bär. Und damit meine ich nicht das Nachtleben, sondern in erster Linie den Arbeitsmarkt. Die Teiche, in denen Unternehmen nach Fach- und Nachwuchskräften fischen können, sind hier am dichtesten bevölkert – und deshalb am ergiebigsten.

Allein in Berlin leben rund 3,37 Millionen Menschen. Davon sind 1,76 Millionen erwerbstätig. Im Grunde hat jede Berliner Firma also 1,76 Millionen mögliche Bewerber direkt vor der Haustür. Sicher, die Zahl ist theoretisch und nicht nach Branchen und Qualifikationen aufgeschlüsselt. Aber verglichen mit der ebenso theoretischen Zahl von ca. 12 000 möglichen Bewerbern in einer Stadt wie Werne (NRW), zeigt sie doch das riesige Potenzial fürs Recruiting (also die Suche nach und Vermittlung von Arbeitskräften) in der Hauptstadt. Eine Statistik von Universum Communications, die im März 2013 in der Computerwoche veröffentlicht wurde, bestätigt dieses Potenzial. 44 Prozent der deutschlandweit befragten Studierenden gaben an, in der Großstadt arbeiten zu wollen, auch wenn sie dafür umziehen müssten. 20 Prozent nannten München als beliebteste Stadt, gefolgt von Berlin und Hamburg. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Großstadt, das attraktive Umfeld und das reichhaltige Kultur- und Freizeitangebot weitere qualifizierte Arbeitnehmer aus der Provinz anlocken.

Dass eine Großstadt Arbeitnehmer anzieht, zeigt auch der Vergleich mit dem Umfeld der 1,7-Millionen-Metropole Hamburg. Während 2011 der Wanderungssaldo – also Zuzüge minus Fortzüge – in Hamburg mit 12 200 Menschen positiv ausfällt, liegt er in den Landkreisen Nordwest-Mecklenburg und Ludwigslust bei minus 1 000 Einwohnern. Seit 2005 haben diese beiden Landkreise 4,1 Prozent der Einwohner verloren. Und Hamburg freut sich über den Zuzug.

Für die Region Nordschwarzwald sagt das Statistische Landesamt Baden-Württemberg bis 2030 einen Bevölkerungsrückgang um insgesamt rund 30 000 Menschen auf 566 000 voraus. Die Region wird dann mit 5,3 Prozent weniger Einwohnern fertigwerden müssen. Zwei Drittel aller ländlichen Gemeinden haben zwischen 2003 und 2008 mehr als ein Prozent ihrer Bewohner verloren. In der Summe gehen Prognosen davon aus, dass bis 2050 mindestens zwölf Millionen Menschen ihren Dörfern den Rücken kehren könnten. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung schlägt sogar vor, die Landflucht gezielt zu fördern. Dörfer ohne Arbeitsplätze und abgeschnitten von der Infrastruktur sollten strategisch geplant aufgegeben werden. Sonst erledigen das die Zeit und der Zufall.

Die Großstädte hingegen haben eine so große Anziehungskraft, dass sie nicht nur Bewerber anziehen, sondern auch Unternehmen. Die Otto Bock HealthCare GmbH aus Duderstadt bei Göttingen baut ein neues Forschungszentrum in Berlin. 45 Millionen Euro investiert der Sponsor der Paralympics. Das Ottobock Future Lab soll 200 Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing, Design und Digitalisierung beherbergen. Dort soll auch Platz sein für Start-ups von Partner-Universitäten wie der TU Berlin. Außerdem sind eine orthopädische Werkstatt und eine gläserne Rollstuhlmanufaktur geplant. Das Future Lab ist die zweitgrößte Investition von Ottobock in Berlin, nach dem futuristischen Science Center an der Ebertstraße in Sichtweite vom Brandenburger Tor. Berlin, nicht Duderstadt!

Meine Vermutung: Die Forscher und Spezialisten, die das Unternehmen sucht, glaubt es eher in Berlin als in Duderstadt zu finden. Wenn man die Zahl der Fachbereiche und Institute der Universitäten in Berlin mit der Zahl der Uni-Institute in Duderstadt vergleicht, spricht in der Tat einiges dafür, dass die Rechnung aufgehen wird. Eine innovative Hochschullandschaft gekoppelt mit dem Arbeitskräftepotenzial der Großstadt, der guten Logistik, einem funktionierenden Transportnetz und nahegelegenen Absatzmärkten sind alles gute Gründe für Unternehmen, sich dort anzusiedeln. Und das tun sie.

Um bei Berlin zu bleiben: In keiner anderen deutschen Stadt gibt es so viele Existenzgründungen. 44 228 Unternehmen wurden 2012 in der Hauptstadt neu gegründet; das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung. Berlin wird unter Investoren als nächstes Silicon Valley gehandelt.

In einer Zeit, in der die gesamtdeutsche Bevölkerung schrumpft, legen die Metropolen zu. Die Einwohnerzahl in den Großstädten ist im letzten Jahrzehnt um drei Prozent gestiegen. Trotzdem kann der Bedarf an Arbeitskräften in den prosperierenden Unternehmen nicht gestillt werden. In München blieben im April 2013 laut dem Statistischen Landesamt München 7 124 Stellen unbesetzt. In Hamburg gab es 2013 der Arbeitsagentur zufolge sogar gut 15 000 offene Stellen. Wer auf dem Land keinen Job findet, sieht, dass in der Großstadt Bedarf ist. Da gibt es 15 000 Möglichkeiten! Worauf also noch warten? Mit dem nächsten Zug auf nach Hamburg! Ein schlauer Unternehmensgründer stellt sich auch nicht mehr die Standortfrage. Es gibt ja Erfahrungswerte: Wer Rang und Namen hat, sitzt in der Großstadt.

Nähern wir uns bereits brasilianischen Verhältnissen? Dort wohnen die meisten Menschen in Millionenstädten – 2001 lebten 81,5 Prozent aller Einwohner Brasiliens in Städten, 2011 waren es bereits 84,6 Prozent. Und von den 200 Millionen Brasilianern leben über elf Millionen allein in São Paulo.

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Zwei Drittel der Deutschen leben in Kleinstädten und ländlichen Regionen.
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Bereits kurz nach der Wende sagten Experten Berlin ein Wachstum auf sechs Millionen Einwohner voraus. London und São Paulo, wir kommen. Dazu kann ich nur sagen: Es kam wie immer anders. Den Trend der Urbanisierung in Deutschland will ich gar nicht abstreiten: Auch bei uns ziehen immer mehr Menschen in die Großstädte. Aber bei allen Trends dürfen wir die absoluten Zahlen nicht übersehen. Und die sind nach wie vor so stabil wie die Brücken, über die Sie täglich fahren. Zwei Drittel der Deutschen leben in Kleinstädten und ländlichen Regionen. In Deutschland mit rund 80 Millionen Einwohnern gibt es nur vier Millionenstädte: Berlin, Hamburg, München und Köln. Selbst die Finanzmetropole Frankfurt am Main und die schwäbische Fleiß-Metropole Stuttgart haben jeweils nur zwischen 600 000 und 700 000 Einwohner.

Moment einmal! Wenn die Unternehmen und die Arbeitsplätze aber hauptsächlich in den Großstädten versammelt sind, wovon leben dann die restlichen 72,8 Millionen Deutschen, die nicht in Berlin, Hamburg, München und Köln wohnen? Allein die Badener, Kurpfälzer und Schwaben sind etwa elf Millionen Menschen. Offensichtlich leben sie ganz gut, sonst wäre ihr Bundesland nicht neben Bayern das große Geber-Land im Länderfinanzausgleich.

Wie alle anderen Deutschen leben auch die Baden-Württemberger von ihrer Arbeit – natürlich. Und Arbeit gibt es im „Musterländle“ reichlich. Zum Beispiel in Grafenhausen. Auch wenn Ihnen der Ortsname nichts sagt, haben Sie vielleicht schon mal etwas aus Grafenhausen getrunken. Ein Bier zum Beispiel. Dort kommt das Tannenzäpfle her. Rund 230 Arbeitsplätze bietet die Rothaus Brauerei in dem 2 300-Seelen-Dorf im tiefsten Schwarzwald. Nun mögen Sie einwenden, es gibt größere Brauereien in Deutschland. Das stimmt. Aber außer Rothaus und den romantischen Gasthöfen gibt es in Grafenhausen noch viel mehr. Neben der Brauerei hat auch ein beeindruckender Weltmarktführer dort seinen Sitz: die Firma Rühle. Mitten zwischen Kühen und Wald, auf 1 000 Metern Höhe, unweit von Schluchsee und Feldberg. 165 Mitarbeiter beschäftigt die Firma Rühle in Grafenhausen und in zehn weiteren Ländern. Sie stellt Lebensmittel- und Fleischereimaschinen auf höchstem Niveau her. Vielleicht wurde die Wurst auf Ihrem Frühstücksbrötchen auch mit einer Rühle-Maschine geschnitten. Jedenfalls wurde Rühles Innovationspotenzial mehrfach mit dem Bundesinnovationspreis und dem Bayerischen Staatspreis für Innovationen im Handwerk prämiert. Das Familienunternehmen liefert weltweit, von Alaska bis Tasmanien und Neuguinea, am wenigsten in den Schwarzwald.

Rühle in Grafenhausen – ein Einzelfall ?


Nein, kein Einzelfall, die Regel!

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Unternehmen wie Rühle im Schwarzwald sind Hidden Champions, versteckte, heimliche Weltmarktführer!
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