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E-Book

Mythos Fremdenlegion

Mein Einsatz in der härtesten Armee der Welt

AutorMartin Specht, Stefan Müller
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783843711517
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Die französische Fremdenlegion umgibt ein Mythos. Bewerber aus aller Herren Länder wollen dazugehören - und sie werden streng ausgesiebt. Denn die Ausbildung ist brutal, die Strafen sind drakonisch, der Einsatz des Lebens ist Geschäft. Stefan Müller war fünf Jahre lang dabei. Er war an Operationen an der Elfenbeinküste, im Senegal und in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt. Müller zeichnet erstmals ein realistisches und auch kritisches Bild von dieser sagenumwobenen Eliteeinheit.

Stefan Müller, geboren1985, diente in der Division Spezielle Operationen der Bundeswehr, bevor er sich für fünf Jahre bei der Fremdenlegion verpflichtete, die er regulär als Caporal verließ. Er spricht Deutsch, Englisch, Französisch sowie Russisch und arbeitet jetzt als Personenschützer.

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Leseprobe

Wüstensand


Hitze. Endlose, schier unerträgliche Hitze. Hier draußen in der Wüste war es so heiß, dass mir das Atmen schwerfiel. Und dann noch der verdammte Wüstensand überall. Der Stoff meiner verschwitzten Kampfuniform war voll davon, mein Gesicht und meine Maschinenpistole ebenso. Ich nahm einen großen Schluck aus meiner Wasserflasche. Sand knirschte zwischen meinen Zähnen – und erfrischend war das warme Gesöff auch nicht. Am liebsten wäre ich jetzt kopfüber in einen eiskalten See gesprungen. Stattdessen war ich in der verflixten Wüste auf todlangweiliger Mission. Absolut zero action hier.

Nur ein Gecko kroch langsam auf einen Stein, der neben dem Fahrzeug lag. Sonst bewegte sich hier nichts. Auch wir vermieden jede unnötige Bewegung, die nichts brachte außer Schweißausbrüche.

Wir hatten eine kurze Pause eingelegt, um auf neue Anweisungen zu warten. Über dem weitläufigen Gebiet vor uns kreisten Helikopter. Wenn sie etwas Verdächtiges bemerken würden, wäre es unsere Aufgabe, hinzufahren und uns das Ganze mal genauer anzusehen. Wir waren mehrere Stunden Autofahrt vom nächstgelegenen Stützpunkt entfernt. Außer dem Brummen des Motors im Leerlauf war nur das Heulen des Windes zu hören. Ein heißer Wind aus nordwestlicher Richtung blies Sand und Dreck vor sich her. Ich zog mein Tuch, das ich mir zum Schutz gegen den Staub vors Gesicht gebunden hatte, jetzt wieder über den Mund. Ich stand in der offenen Luke des Geländewagens. Nirgendwo gab es Schatten in dieser Ebene, die sich scheinbar endlos bis zum Horizont erstreckte. Außer einem gleißenden weißen Himmel und hellem Sand und Geröll war weit und breit nichts zu sehen. Keine Farben, kein Grün, keine Wolken, nichts. Alltag in Mali.

Ich befand mich in der Sahelzone im Norden des Landes – eine Gegend, in der Steppe und Savanne in die sandigen Weiten der Sahara übergehen. Vereinzelt gab es in dieser Einöde schwarze Gesteinsbrocken und trockene Dornbüsche.

Im Januar 2013 hatte Frankreich mit der Operation Serval begonnen und Truppen nach Mali geschickt. Islamisten hatten große Teile Nordmalis unter ihre Kontrolle gebracht und rückten in Richtung Süden auf die Hauptstadt Bamako vor. Frankreich – einstige Kolonialmacht – griff ein und führte Krieg gegen sie. Daran waren von Anfang an auch Einheiten der Fremdenlegion beteiligt.

Innerhalb weniger Wochen gelang es, die Aufständischen zurückzudrängen. Timbuktu, Gao und weitere Städte im Norden wurden befreit. Die Islamisten zogen sich in die Wüste zurück und versteckten sich.

Im Mai 2013 kam ich mit meinem Regiment – dem 2e Regiment étrangère d’infanterie – nach Gao. Die Patrouillen der Fremdenlegion hatten die Aufgabe, die Islamisten in dem riesigen und schwer zugänglichen Gebiet – ungefähr so groß wie die Bundesrepublik Deutschland – aufzuspüren. Ein schwieriger und langwieriger Job. Denn unsere Gegner blieben in ihren Verstecken und griffen nur gelegentlich aus dem Hinterhalt an.

Außer mir saßen an diesem Tag noch ein Sergent und der Fahrer in dem Geländewagen. Ich hatte die beiden erst am Tag vorher kennengelernt. Sie gehörten einer anderen Einheit an und brauchten einen dritten Mann für die Mission. Da ich gerade meine Malaria auskuriert hatte und meine Kompanie – während ich noch im Lazarett lag – zu einer zweiwöchigen Patrouillenfahrt aufgebrochen war, stand ich zur Verfügung. Alles war besser, als blöd rumzusitzen. Ich war seit drei Tagen wieder gesund und hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich untätig war. Außerdem wollte ich endlich wieder raus und was erleben, ich sehnte mich nach Action. Leider war es unmöglich, dass ich zu meiner Kompanie stieß. Sie befand sich mitten im Nirgendwo und war nur per Helikopter zu erreichen. Die Helis flogen aber keinen einzelnen Legionär »mal eben« mitten ins Kampfgebiet, nur um ihn bei seiner Einheit abzuliefern.

Stattdessen hatte man mich mit einer Ladung Wasser, Bier, irgendwelchen Fahrzeugteilen und Munition mitten in der Wüste und mehr als fünf Stunden von meiner Kompanie entfernt abgesetzt. Dort war ich auf die Einheit der Fremdenlegion gestoßen, mit der ich nun seit sechs Uhr morgens auf Aufklärungsmission war. Der Sergent, ein sportlicher Typ, hatte das Kommando. Er war Jugoslawe, um die dreißig Jahre alt, schätzte ich. Wenn er lachte, leuchtete eine Reihe strahlend weißer Zähne aus seinem sonnengebräunten Gesicht. Eine längliche Narbe zeichnete sich deutlich auf seiner rechten Wange ab. Der Fahrer, ein Rumäne, war jünger. Er hatte einen beeindruckenden Bizeps, eng beieinanderstehende Augen und – wie die meisten Legionäre – einen kahlgeschorenen Schädel.

Mittlerweile war es elf Uhr, wir waren schon seit fünf Stunden unterwegs. Bisher war rein gar nichts passiert. So langsam bekam ich echt miese Laune. Von Action keine Spur. Ich stand auf dem Rücksitz, streckte den Oberkörper durch die Luke im Dach und checkte gelangweilt die Umgebung. Meine Maschinenpistole lag vor mir. Niemand sprach, die sengende Hitze setzte uns allen gleichermaßen zu. Ich sah durch mein Fernglas: vor Hitze flimmernde Luft, sonst nichts.

Der Sinn und Zweck solcher Aufklärungsmissionen ist ja, den Feind aufzuspüren und ihn zum Kampf zu stellen. In Mali wurde das dauernd gemacht. Die Kompanien waren dabei tage- und wochenlang unterwegs. Jeder von uns hoffte, dass es endlich einmal zum Kampf kommen würde. Dafür waren wir ausgebildet und nach Mali geschickt worden. Aber in neunzig Prozent aller Fälle ereignete sich nichts. Die Islamisten tauchten lieber ab, wenn sie uns kommen sahen.

Auf einmal meldete sich der Sergent: »Seht ihr das auch? Schräg rechts vor uns.«

Ich blickte in die Richtung. Ja, da war vielleicht etwas, in ein bis zwei Kilometern Entfernung. Ich schaute durch ein Fernglas und sah, dass dort eine große Staubwolke aufstieg. So viel war sicher. Und sie bewegte sich gegen die Windrichtung. »Kann sein, dass dort etwas fährt«, meldete ich. In der Wüste erkennt man Fahrzeuge schon aus großer Distanz, weil sie eine ziemliche Staubfahne hinter sich herziehen.

Es war definitiv ungewöhnlich, dass sich jemand so tief in der Wüste aufhielt. Die Nomaden beschränkten ihre Wanderungen wegen der Kämpfe mit den Islamisten auf belebtere Gebiete. Hier gab es nichts außer der algerischen Grenze, die ein paar hundert Kilometer weiter nördlich verlief. »Das schauen wir uns mal aus der Nähe an!«, entschied der Sergent.

Ich hielt meine Maschinenpistole fest, das Fahrzeug fuhr ruckartig an. Ich stellte mich breitbeinig auf den Sitz, um das Gleichgewicht zu halten. Auch unser Wagen zog nun eine meterhohe Staubwolke hinter sich her. Wer immer da draußen unterwegs war, konnte uns also jetzt ebenfalls leicht entdecken. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich daran, dass wir nur zu dritt und relativ schwach bewaffnet waren. Wir waren die Vorhut einer Gruppe von sieben Fahrzeugen, die mehrere hundert Meter hinter uns fuhren. Bei den Aufklärungsmissionen ist Schnelligkeit ein entscheidender Faktor, deshalb wird auf schwere Waffen verzichtet. Scheißegal, jetzt war endlich was los!

Die Staubfahne am Horizont bewegte sich immer noch in die gleiche Richtung. Unser Fahrer trat aufs Gas. Solange der andere uns nicht entdeckte und die Richtung beibehielt, hatten wir eine Chance. Wir näherten uns seitlich und holten schnell auf. Ich sah, wie der Schatten unseres Fahrzeugs auf dem Boden neben uns herflitzte. Das VBL hat eine gedrungene Silhouette: vier Räder, kantige Form. Ein schnelles, geländegängiges Aufklärungsfahrzeug, 90 Stundenkilometer fix. Als ich es das erste Mal sah, musste ich an eine Wüsten-Rallye denken.

Ich schob das Tuch fester vor meine Nase und zog den Kinnriemen meines Helms nach. Der heiße Fahrtwind blies mir ins Gesicht, die Sandkörner fühlten sich an jeder unbedeckten Stelle an wie tausend Nadelstiche. Ich kniff die Augen zusammen, denn selbst meine Sonnenbrille konnte mich nicht vor ihnen schützen, und hob mein Gewehr. Jedes Mal, wenn wir über eine Bodenwelle oder einen Stein rasten, machte das Fahrzeug einen ordentlichen Satz. Ich wurde in meiner Luke hin und her geworfen und stemmte mich gegen den Rand, um nicht herausgeschleudert zu werden.

»Und? Was siehst du?«, wollte der Sergent von mir wissen. Für einen kurzen Augenblick glaubte ich, durch mein Fernglas einen schwarzen Punkt im wehenden Sand zu sehen. Es fiel mir schwer, das Gewehr ruhig zu halten, und jedes Ruckeln des Geländewagens veränderte mein Blickfeld. Plötzlich sah ich etwas aufblitzen – wie aus Metall. »Irgendetwas ist da …«, sagte ich.

Mit einer scharfen Drehung steuerte das VBL unvermittelt nach links und ich schleuderte mit Karacho mit dem Becken gegen den Rand der Luke.

»Verdammt!«, schrie ich den Rumäne an. »Pass doch auf!«

»Sorry, Felsen!«, meldete der Fahrer knapp zurück. »Musste ausweichen.« Wir rasten weiter.

Zum Glück hatte ich den Haltegurt meines Gewehrs an einem Karabinerhaken meiner Weste befestigt – sonst wäre es in hohem Bogen weggeflogen und läge jetzt irgendwo im Wüstenstaub.

Als ich wieder festen Stand hatte, unterdrückte ich den Schmerz und konzentrierte mich voll auf meine Aufgabe. Die Staubwolke war inzwischen viel größer geworden, wir hatten ordentlich aufgeholt. Ich schaute noch einmal durch das Fernglas und schob den Sicherungshebel meiner MP zurück. Man weiß ja nie.

»Da ist …«, sagte ich mehr zu mir selbst als zu den anderen. Ich glaubte, für den Bruchteil einer Sekunde etwas Schwarzes gesehen zu haben. Aber dann...

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