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Mythos Übergewicht

Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung

AutorAchim Peters
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783641098315
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Schluss mit allen Diäten: Übergewicht macht nicht krank!
Dicksein macht nicht krank, sondern schützt sogar vor Krankheit. Der wahre Grund für das Dickwerden ist Stress. Diäten sind sinnlos, gefährlich und nur ein milliardenschweres Geschäft. Diese provokanten Thesen stehen im Zentrum des neuen Buches von Achim Peters. Er zeigt auf, dass es kein Übergewicht gibt, sondern nur ein aus der individuellen Lebenssituation erwachsendes Gewicht, das exakt dem Energiebedarf des Gehirns entspricht. Wenn Menschen sich unterdrückt, unverstanden, bedroht fühlen, reagiert das Gehirn mit einem Überlastungsschutz. Aber dieser ist energetisch kostspielig und verlangt: essen! Nur so kann der Gehirnstoffwechsel und das Stresshormon Kortisol, das uns auf Dauer krank macht, ausgeglichen gehalten werden. Dicken Menschen gelingt das leichter, Dünne sind viel gefährdeter.
Achim Peters wendet sich entschieden gegen die Diskriminierung von dicken Menschen und zeigt, wie jeder sein persönliches Stresssystem in ein gesundes Gleichgewicht bringen kann.

Professor Dr. med. Achim Peters, geboren 1957, ist Hirnforscher, Endokrinologe und Diabetologe. Er leitet die interdisziplinäre Forschergruppe 'Selfish Brain' an der Universität Lübeck. 2011 erschien sein Bestseller 'Das egoistische Gehirn'.

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Leseprobe

Leben dicke Menschen länger?

Wer die schönste Frau der Renaissance besuchen möchte, muss nach Florenz reisen, begibt sich am besten direkt in die Via della Ninna 5. Hinter dieser Adresse verbirgt sich die Galeria degli Uffizi – eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Die dritte Etage des Gebäudes ist Werken der italienischen Renaissance-Malerei vorbehalten. Dort befindet sich eines der anmutigsten Frauenbildnisse, das je gemalt wurde: Im Format 172,5 cm mal 278,8 cm wird der Betrachter Augenzeuge der Geburt der Venus. Sandro Botticelli hielt diesen Moment 1485 für die folgenden Jahrhunderte fest und schuf mit seinem Gemälde eine der bedeutendsten Ikonen weiblicher Schönheit in der Kunstgeschichte des Abendlandes: In einer Muschel stehend, lässt sich Venus von göttlichem Atem ans Ufer wehen, um dort in Empfang genommen zu werden. Botticelli stellt die Grazie einer Göttin in Gestalt des nackten Körpers einer jungen Frau dar. Ohne Zweifel, diese Venus spiegelt das Ideal weiblicher Schönheit in der Renaissance wider; aber mehr noch, sie prägte ein Schönheitsideal weit über die Epoche hinaus.

Schauen wir uns dieses Idealbild einmal etwas genauer an: Die Venus des Sandro Botticelli ist nicht dick, verfügt aber auch nicht über das, was wir im 21. Jahrhundert unter einer gertenschlanken Figur verstehen würden. Ihre Hüften sind zu rundlich und ausladend, ihr Bauch wölbt sich, Oberarme und Oberschenkel würde man heute, freundlich formuliert, als etwas »moppelig« bezeichnen. Botticelli und seine Zeitgenossen hätten diese Kritik wahrscheinlich anmaßend und unverständlich gefunden. Für sie verkörperte dieses Traumbild einer Frau überirdische Schönheit – ganz sicher aber auch Sinnlichkeit und Gesundheit. Eine deutlich schlankere Frau wäre den Menschen der Renaissance wohl abgehärmt und ausgehungert, also in ihrer Vorstellung eher ungesund erschienen.

Lassen Sie uns an dieser Stelle gemeinsam ein Gedankenspiel versuchen: Was wäre, wenn sich Botticellis Venus – ins Jahr 2013 katapultiert und durch ein Wunder zum Leben erweckt – als junge Frau bei einer Model-Agentur bewerben würde? Die Agenten würden sich ihre Figur kritisch anschauen und der Venus in etwa sagen: »Du hast eine ganz tolle Ausstrahlung, aber du musst mindestens 10 Kilo abnehmen, dann hast du beim nächsten Casting eine reelle Chance …« Nehmen wir weiterhin an, die Venus ist 19 Jahre alt und 1,75 Meter groß (um den Mindestanforderungen fürs Modeln zu entsprechen) – dann hätte sie bei ihrer Statur ein Körpergewicht von geschätzt 77 Kilo. Wenn wir jetzt also anhand dieser Masse den Body Mass Index (BMI)1 von Botticellis Venus berechnen, kämen wir auf einen Wert von 25.

Der BMI ist heute medizinisch die relevante Größe, um Körpergewicht in ein Verhältnis zu Gesundheitsrisiken zu stellen; zu hohe oder zu niedrige BMI-Werte werden als gefährlich eingestuft. Für eine 19-jährige Frau gilt nach der heutigen »Klassifikation« ein BMI von 20 bis 25 als normal gesund. Der BMI der Venus liegt nach dieser Einstufung also genau auf der Grenze zwischen »normal« und »krank«. BMI 25, das ist zwar noch keine Adipositas (BMI größer als 30), aber immerhin würden manche Ärzte schon von leichtem »Übergewicht« sprechen. Da die Venus noch sehr jung ist, würden sie Bedenken äußern, dass sie in späteren Jahren an Gewicht zunehmen könnte. Spätestens dann würde auch der Hausarzt ihr empfehlen, etwas abzunehmen. Denn dick zu sein, gilt nicht nur als wenig attraktiv, sondern auch als gesundheitsgefährdend. Doch stimmt das überhaupt? In der Intensivmedizin haben viele Ärzte an dieser Art der Risikobewertung schon lange erhebliche Zweifel.

Das Gewichtsparadoxon – Haben dicke Menschen beim Herzinfarkt bessere Überlebenschancen als dünne?

Jörg P. hat einen Body Mass Index von 23, bei einer Körpergröße von 1,81 Meter wiegt er 75 Kilogramm. Sein Gewicht hat er seit Jahren gehalten, obwohl sein Bauch etwas gewachsen ist. Dafür sind seine Arme und Beine weniger muskulös als früher. Auch fühlt sich die Haut dünner an. Doch insgesamt wirkt seine äußere Erscheinung schlank, und der Hausarzt bescheinigt ihm eine gute körperliche Verfassung. Erst vor Kurzem wurden P.’s Blutwerte im Rahmen einer ärztlichen Routine-Untersuchung bestimmt. Alle sind unauffällig: Leber, Blutzucker, Entzündungsmarker – alles im grünen Bereich. Lediglich das Cholesterin ist leicht erhöht, aber nicht bedenklich. Sein leicht erhöhter Blutdruck ist mit einem medikamentösen Blutdrucksenker sehr gut eingestellt. P. raucht nicht, trinkt nur mäßig Alkohol und absolviert dreimal pro Woche sein Lauftraining. Das ist ihm als Ausgleich wichtig, weil er in seinem Job als Leiter einer Berufsschule sehr eingespannt ist und auch das Familienleben mit zwei Kindern im Jugendlichenalter ihn viel Energie kostet. Müsste Jörg P. ein Protokoll seines täglichen Befindens anfertigen, würden darin Sätze stehen wie: »Ich habe das Gefühl, den ganzen Tag unter Strom zu stehen. Abends fühle ich mich müde und erschöpft. Ich grüble viel und wälze Probleme, deren Lösung mir schwer vorstellbar erscheint.« Vor drei Wochen wurde Jörg P. 51 Jahre alt – jetzt befindet er sich auf einer Trage in einem Notarztwagen. Verdacht auf Herzinfarkt. Es ist sein erster, doch der wird von den behandelnden Ärzten in der Notaufnahme der Uniklinik gleich als besonders schwer erkannt. P. wird auf die Intensivstation verlegt und sofort mit einem Herzkatheter-Eingriff behandelt. Er liegt in einem Zimmer mit Sven Z., der am Morgen desselben Tages eingeliefert worden ist – ebenfalls mit einem Herzinfarkt. Auch Z. ist 51, doch sein Body Mass Index beträgt 32. Er ist 1,76 Meter groß, wiegt 99 Kilo. Sein Arzt hatte ihn bereits mit 35 Jahren vor den Folgerisiken seines Körpergewichts für Herz und Gefäße gewarnt. Z. ist aber dick geblieben. Jetzt fürchtet er um sein Leben. Doch bereits Stunden später können die Ärzte Entwarnung geben, und fünf Tage später kann Sven Z. die Intensivstation verlassen. Er beginnt bald danach eine Reha-Maßnahme. Sein Herz hat sich vom Infarkt einigermaßen erholt und ist stabil. Jörg P., der schlanke Mann, der am gleichen Tag wie Sven Z. ins Krankenhaus kam, hat es hingegen nicht geschafft. Er ist noch in derselben Nacht auf der Intensivstation gestorben.

Fallgeschichten wie diese ereignen sich täglich in deutschen Kliniken. Immerhin erleiden in Deutschland jährlich etwa 280000 Menschen einen Herzinfarkt – Frauen und Männer, dicke Menschen und dünne. Und doch wirken die Verläufe der Erkrankungen bei Jörg P. und bei Sven Z. irritierend. Dass Sven Z. wahrscheinlich eines Tages einen Infarkt erleiden würde, hat ihm der Arzt lange vorher angekündigt. Doch Jörg P.? Schlank und sportlich, zählte er eigentlich gar nicht zur Risikogruppe – und doch hat er nicht nur im gleichen Alter wie Sven Z. einen Infarkt erlitten, sondern ist sogar daran gestorben. Und das ist keineswegs ein ungewöhnlicher Einzelfall.

Unangenehme Frage: Ist Gewichtszunahme überhaupt ein Risikofaktor für die Gesundheit?

Um die Jahrtausendwende begannen Nierenspezialisten, weltweit über ein Phänomen zu diskutieren, dem sie die Bezeichnung »Gewichtsparadoxon« gaben. Ihnen war aufgefallen, dass – wider Erwarten – dicke Patienten, die mit Hilfe der »künstlichen Niere« (Dialyse) dauerhaft behandelt wurden, deutlich bessere Überlebenschancen haben als dünne. Schnell stellte sich heraus, dass diese Beobachtung nicht nur für Erkrankungen wie Nierenversagen gilt, sondern auch für Schlaganfälle oder Hirnblutungen, Herzinfarkte, Herzschwäche, Lungenversagen, Leberversagen, Blutvergiftungen und Typ 2 Diabetes mellitus. Bis heute wurde das Phänomen in zahlreichen Studien untersucht, die die Vermutung der Nierenspezialisten bestätigten: Unabhängig von der Erkrankung, sei es Herzinfarkt oder Schlaganfall, haben dicke Patienten im akuten Fall ein deutlich niedrigeres Sterberisiko als dünne. Aber warum?

Eine plausible Antwort wurde zunächst nicht gefunden. Anfängliche Vermutungen, unerkannte Krebserkrankungen, Rauchen oder der Schweregrad der Erkrankung könnten eine Rolle spielen und die Statistik gewissermaßen »verfälschen«, bestätigten sich nicht. Der Verdacht, dass Patienten mit einem unauffälligen Gewicht im Fall einer akuten Herzerkrankung wesentlich gefährdeter sind, erhärtete sich – und grundlegende medizinische Lehrsätze waren plötzlich in Frage gestellt:

Haben dicke Menschen tatsächlich ein erhöhtes Infarktrisiko – oder ist ein hohes Körpergewicht unter bestimmten Umständen sogar ein Schutz vor dieser Erkrankung?

Werden bei Routine-Untersuchungen die richtigen Werte bestimmt, um ein aussagekräftiges Profil der Herzgesundheit zu erstellen, oder wird ein entscheidender Risikofaktor übersehen?

Was ist mit der Empfehlung, abzunehmen, um die Gefahr von Herz- und Gefäßverkalkungen zu senken – oder verschärfen Diäten sogar das Risiko, ernsthaft zu erkranken?

Ich werde im Folgenden detailliert auf diese Kernfragen eingehen. Zunächst möchte ich aber noch einmal verdeutlichen, wie bis heute im Gesundheitswesen dicke Menschen häufig beurteilt und...

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