Der Begriff der Nachhaltigkeit ist nicht eindeutig definiert. Der englische Begriff dafür lautet Sustainability, abgeleitet von dem Adjektiv sustainable, welches neben nachhaltig auch tragbar, umweltverträglich oder zukunftsfähig bedeutet. Der geschichtliche Grundstein der Nachhaltigkeit in Deutschland stammt aus der Forstwirtschaft. Dort versuchte man Anfang des 18. Jahrhunderts die ökonomischen Belange mit der Natur in Einklang zu bringen.[24] Hier wird häufig der Oberberghauptmann Carl von Carlowitz (1645 bis 1714) genannt. Er schrieb zum nachhaltigen Umgang mit den Waldressourcen die Werke ,Sylvicultura oeconomica' oder die ,haußwirthschaftliche [sic!] Nachricht und Naturmäßige [sic!] Anweisung zur wilden Baum-Zucht'.[25] Man kam nach einiger Zeit des Raubbaus an den Wäldern zu der Erkenntnis, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder von Vorteil wäre. Fortan wollte man von den Erträgen leben und dabei nicht die Substanz schmälern. Nach diesem Ansatz ging der Begriff der Nachhaltigkeit, maximum sustainable yield, Anfang des 20. Jahrhunderts auch in die Fischereiwirtschaft ein, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte.[26]
„Die Wurzel des Nachhaltigkeitsbegriffs findet sich in der deutschen Forstwirtschaft des frühen 18. Jahrhunderts. Unter einer nachhaltigen Forstwirtschaft wurde die Einhaltung des Grundsatzes verstanden, in einem bestimmten Zeitraum nur so viel Holz zu schlagen, wie in demselben Zeitraum nachwachsen kann" [27]
Es dauerte gute 200 Jahre, in denen bei Nachhaltigkeit überwiegend von land- und forstwirtschaftlichen Belangen gesprochen wurde. Erst ab den 1960er Jahren und mit der Ölkrise kam ein Verständnis dafür auf, dass die für den Menschen lebensnotwendige Umwelt durch ihn selbst, seine Technik und Wirtschaft bedroht ist. Man sah durch Bevölkerungswachstum, Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung einen ökologischen Kollaps bevorstehen. Dieses Bewusstsein führte dazu, dass diese Themen zukünftig als Bestandteil der Weltpolitik öffentlich diskutiert wurden.[28]
Zudem wurde deutlich, dass der steigende gesellschaftliche Konsum und die damit verbundene Ausbeutung der Natur „[...] an gewisse Grenzen stoßen könnte [...]". Entgegen bisheriger Theorien fand man begünstigend heraus, dass der gesellschaftliche Wohlstand nicht allein vom Wachstum abhängig ist. Ab einem gewissen Punkt ist der Wohlstandsgrad gesättigt und der Mensch strebt nach nichtmaterialistischen Zielen.[29]
Zum aktuellen Zeitpunkt existiert kaum ein Bereich, in dem, wenn es um eine langfristige Zielvorstellung geht, nicht von der Nachhaltigkeit gesprochen wird.
Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) prägt und definiert 1987 den Begriff der Nachhaltigkeit neu. Sie fordert in ihrem Bericht, dem so genannten Brundtland-Bericht, ein „Wirtschaften innerhalb der Restriktionen durch die Natur, nach einer Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen und [...] Bemühen um einen Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern innerhalb der gegenwärtigen Generationen." [30] Seit der Enquete-Kommission 1998 des 13. Bundestages zum „Schutz des Menschen und der Umwelt" wird das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (s. Abb. 4) propagiert. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit gehen auf Diskussionen aus Umwelt und Wirtschaft zurück und fragen nach einer angemessenen Entwicklung unter ressourcenschonendem Eingriff in die Natur.[31] Somit ist die Nachhaltigkeit die Summe aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Faktoren.
Jede dieser Dimensionen basiert auf eigenen wissenschaftlichen Disziplinen mit ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten, so dass eine Gleichbehandlung keine leichte Aufgabe ist. Es existieren keine einheitlichen Messskalen zwischen den drei Säulen, so dass dies auch ein Angriffspunkt für Skeptiker darstellt - die Gewichtung der Einflussgrößen kann beliebig ausfallen. So gibt es beispielsweise in der Politik Zielkonflikte der unterschiedlichen Ressorts.[32]
Abb. 4: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Das Modell der drei Säulen wird oft als Ansatz in Politik und Wirtschaft herangezogen, wenn es um nachhaltige Entwicklung geht. Die Säulen sind nicht als klar definierte Systeme zu verstehen, sondern als Handlungsbereiche. Die Quantifizierbarkeit jeder Säule soll dadurch gegeben sein, dass sie als Kapitalart zu betrachten ist. Mit jedem Kapital ist so sorgfältig umzugehen, dass ein Erhalten oder Wachstum für nachfolgende Generationen gesichert ist. Kapital ist hier nicht der monetäre Wert gemeint, sondern ein jeweils spezifischer Wert. Der ökologische Wert besteht z.B. aus erneuerbaren Ressourcen, Land oder Nahrungskreisläufen. Das ökonomische Kapital besteht aus Sach-, Wissens- oder Humankapital, wohingegen öffentliche Einrichtungen oder Funktionen, welche gesellschaftliche Integration fördern, Beispiele für soziales Kapital sind.[33]
Die Vereinbarkeit von wirtschaftlicher Entwicklung und Schutz der Umwelt vor übermäßiger Ausbeutung zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und sozialökonomischen Faktoren stellen ein Problemfeld der Weltgemeinschaft im 21. Jahrhundert dar. Diese globale Herausforderung wurde 1992 in der , Agenda 21' (UNCED), mit dem Fokus auf die ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung, angenommen.[34] Nachdem im Jahr 1987 im Brundtland-Bericht erstmals die Umwelt- und Entwicklungspolitik miteinander verbunden wurden, ist seit 1994 auch die Nachhaltigkeit als Art. 20a ins Deutsche Grundgesetz eingegangen. Damit ist Nachhaltigkeit ein politisches Ziel und Aufgabe der Regierung.[35]
Das Drei-Säulen-Modell ist eines der möglichen Modelle, um die zu schützenden Kapitalarten zu gliedern. Um hinsichtlich der Austauschbarkeit von künstlichem und natürlichem Kapital zu unterscheiden, haben sich drei Betrachtungsweisen gebildet:
Schwache Nachhaltigkeit:
Naturkapital und künstliches Kapital sind vollkommen substituierbar, solange der Kapitalstock - Wohlfahrtsniveau - konstant bleibt.
Starke Nachhaltigkeit:
Natur- und künstliches Kapital sind nicht substituierbar. Nur „[...] nachwachsendes Naturkapital darf genutzt werden [...]." [36]
Mittlere Nachhaltigkeit /sensible sustainability:
„Hier ist eine begrenzte Substituierbarkeit des Naturkapitals durch künstliches Kapital möglich, aber der Kapitalstock darf insgesamt nicht verringert werden und die grundlegenden Funktionen der Umwelt müssen erhalten werden." [37] Die mittlere Nachhaltigkeit lässt sich als eine Mischvariante der beiden anderen verstehen.
Der ökologischen Ausrichtung kommt eine besondere Bedeutung zu, unter anderem weil der Ursprung der Nachhaltigkeit auch dort zu finden ist (s. Kapitel 3.1). Es existieren noch immer viele Nachhaltigkeitskonzepte, die aufgrund befürchteter Schäden an natürlichen Lebensgrundlagen ökologisch dominiert sind. Ziel des ökologischen Aspektes der Nachhaltigkeit ist, das ökologische oder ,natürliche Kapital' [38] derart zu schützen, dass eine dauerhafte Nutzung gegeben ist. Die folgende Zusammenstellung gibt einen Einblick in nachhaltigkeitsspezifische Themen:
Endliche Energieressourcen Alternative, erneuerbare Energien, Energieverbrauch senken, Energieeffizienz steigern
Rohstoffknappheit Kapitalerhaltung oder Regenerationsraten (Abbaurate darf Regeneration nicht übersteigen)
Klimaveränderungen (z.B. globale Erwärmung)
Abfall, Recycling, Entsorgung
Raumknappheit
Umweltbelastung / -verschmutzung (z.B. CO2-Emmission)
Naturkreisläufe Reaktionsvermögen der Umwelt muss berücksichtigt werden
Gefährdete Arten, Artenvielfalt erhalten
Mitte des 17. Jahrhunderts galten natürliche Ressourcen in der betrieblichen Leistungserstellung noch als freies Gut - es galt die reine Arbeitswertlehre. „Das Potential der Natur ist unerschöpflich, d.h. es wird davon ausgegangen, dass der Verbrauch von Naturgütern den Zustand der Natur nicht verändert. [. ] Diese Erkenntnis basierte auf der Ansicht, dass die natürlichen Ressourcen unerschöpflich und somit ohne Preis sind." [39] Folglich ergab sich der Wert eines Naturproduktes lediglich aus dem Arbeitsprozess sowie aus Angebot und Nachfrage. Der natürliche Rohstoff war als kostenneutral zu sehen. Dieses Verständnis änderte sich nur langsam. Ein monetärer Nutzen ist aus der ökologischen Nachhaltigkeit bis heute nur indirekt oder durch vorherige Investitionen zu ziehen - Folgekosten, z.B. für Entsorgung, bewirkten jedoch unter anderem, dass seit den 1970er Jahren ökologische Aspekte einen festen Platz in der Betriebswirtschaftslehre haben. Jedoch wurde erst im Jahr 1991 dort Umweltwirtschaft als Fachbereich anerkannt.[40]
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