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Nachwachsende Rohstoffe als Basis für eine zukünftige stoffliche Ressource der Industrie

AutorStefan Reinhardt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783640737840
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Ingenieurwissenschaften - Wirtschaftsingenieurwesen, Note: 1,3, Hochschule Ravensburg-Weingarten (Technologie und Management), Sprache: Deutsch, Abstract: Als um 1850 die Pottwale beinahe ausgerottet wurden, zeichnete sich in Amerika eine Rohstoffkrise ab, da das aus Walfett gewonnene Lampenöl knapp wurde. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte konnte die Krise durch die Entdeckung und Förderung von Rohöl für die anschließende Destillation von Petroleum überwunden werden. Nach und nach wurde Erdöl zu einem der wichtigsten Rohstoffe für die Weltwirtschaft, einer der bedeutendsten Ressourcen zur Erzeugung von Energie, Wärme, Kraftstoffen und der Herstellung chemischer Produkte. Experten aus der Ölindustrie erwarten, dass das Maximum der Förderung des fossilen Rohstoffs, auch als 'Peak-Oil' bezeichnet, kurz bevorsteht. Andere Theorien gehen wiederum davon aus, dass sich Erdöl im Gegensatz zu bisherigen Annahmen abiotisch im Inneren des Erdmantels unter hohem Druck und Temperatur ständig neu bildet. Der Gedanke einer zukünftig verstärkten stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe soll in Anlehnung an die Entwicklung von Erdölraffinerien im 19. Jahrhundert aber nicht nur eine langfristige Versorgung mit Produkten wie z.B. chemischen Grundstoffen gewährleisten. Eine weitere Motivation ist die Erkenntnis, dass fossiler Kohlenstoff bislang in einem solchen Grad und Volumen anthropogen freigesetzt wurde, dass sich die Zusammensetzung der Atmosphäre im Vergleich zu geologisch und evolutionären Zeiträumen bereits rapide verändert hat - mit potentiell negativen Folgen für sowohl ökologische als auch ökonomische Systeme. Auch die steigenden Preise für Erdöl machen die Nutzung regenerativer Kohlenstoffträger zunehmend attraktiver. Die Frage ist, stehen wir vor einer neuen Revolution oder ist die Vision der Konversion von Biomasse in Chemikalien, Energie, Kraftstoffe etc. noch nicht ausgereift? In dieser Arbeit soll anhand einer Analyse der zur Verfügung stehenden Literatur gezeigt werden, dass nachwachsende Rohstoffe als Basis einer zukünftigen stofflichen Ressource der Industrie großes Potential bieten. Neben der Darstellung ausgewählter Produkte auf Basis nachwachsender Rohstoffe sowie der punktuell ökologischen Bewertung einiger bereits heute hergestellter Produkte, soll veranschaulicht werden, mit welchen Technologien, Anlagekonzepte und Rahmenbedingungen die zukünftige Nutzung nachwachsender Rohstoffe in der Industrie erfolgreich umgesetzt werden kann.

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Leseprobe

2 Zukünftige stoffliche Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen


 

Die zukünftige stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe betrachtet die Herstellung von Produkten auf der Basis nachwachsender Rohstoffe im Konzept der Bioraffinerie. Zu den bereits in Kapitel 1.2.2 beschrieben Produkten könnten zukünftig auch chemische Grundstoffe in Bioraffinerien hergestellt werden. Diskutiert wird der Grundgedanke, Plattformchemikalien zukünftig in Analogie zu den bereits bestehenden Erdölraffinerien in Bioraffinerien herzustellen. Dabei spielen die technologischen Verfahren zur Konversion von Biomasse in deren Bestandteile eine wesentliche Rolle für die Weiterverarbeitung in Kunststoffe, Plattformchemikalien und Kraftstoffe. Neben den wichtigsten chemischen und biotechnologischen Verfahren, werden die meistversprechenden Wege zur effizienten Synthese von Biomasse vorgestellt. Daneben findet sich ein Überblick über die verschiedenen Typen von Bioraffinerien, deren Produkte, als auch eine ökologische Bewertung.

 

2.1 chemische Grundstoffe


 

„Die Petrochemie beruht auf dem Prinzip, aus Erdöl einfach zu handhabende und definierte, chemisch reine Grundstoffe in Raffinerien zu erzeugen." (Kamm, 2008) Der für die heutige Chemie wichtigste Grundstoff wie in Kapitel 1.2.1 bereits besprochen ist Naphtha, der beim cracken[20] zu einer Vielzahl von Alkenen wie z.B. Ethen und Butan, sonstigen (un)gesättigten Kohlenwasserstoffe sowie aromatischen Verbindungen wie beispielsweise Benzol weiterverarbeitet wird. Obwohl die meisten Chemikalien auf der Basis von Erdöl produziert werden, findet sich in der Massenproduktion von Ethanol bereits heute ein wichtiges Beispiel biobasierter Chemikalien.

 

Auf Basis von Cellulose, Stärke und Pflanzenölen werden derzeit aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur bestimmte ausgewählte Grundstoffe produziert, darunter Zitronen-, Milch- und Lävulinsäure, Sorbit, Glycerin, Cellulosederivate und Oleochemikalien (Oertel, 2007 S. 82).

 

Biomasse hat ein gänzlich anderes C-O-H-N-Verhältnis als Erdöl. So spielen sauerstoffhaltige Kohlenhydrate und insbesondere die Zucker — dazu gehören Glucose, Fructose, Xylose, Arabinose und Sucrose, sowie Stärke eine bedeutende Rolle, auch deshalb, da Biomasse über ihre Gesamtheit gerechnet aus über 75 % dieser Kohlenhydrate besteht. Diese eignen sich für die (biotechnische oder chemische) Produktion von sogenannten Building Blocks (mehrfach funktionalisierte molekulare Bausteine), um diese anschließend über ein Stammbaumsystem in eine Vielzahl hochwertiger Chemikalien und Materialien weiterzuverarbeiten (Busch, et al., 2005 S. 130f). Ein Beispiel hierfür bietet die Produktlinie Cellulose, Lignocellulose oder stärkehaltige Biomasse, die zuerst in Zucker (Plattform), dann zu Milchsäure (Building Block) umgewandelt wird, um anschließend zu Polymilchsäure (Material) weiterverarbeitet zu werden (Oertel, 2007 S. 82)

 

Von den weltweit im Handel über 100.000 verfügbaren verschiedenen chemischen Substanzen fallen über 95% des Umsatzes auf nur ca 1.500 (UN Department of Economic and Social Affairs, 2004). Im Jahre 2004 beauftragte das US Department of Energy ein Team bestehend aus der National Renewable Energy Laboratory und der Pacific Northwest National Laboratory Chemikalien aus Biomasse (Kohlenhydrate, Lignin, Fette, Proteine) zu identifizieren, die ökonomisch und technisch am erfolgversprechendsten sind. In die Bewertung flossen Kriterien wie Effizienz, chemische Funktionalität, Stammbaumfähigkeit, Nutzungs- und Marktpotential ein. Aus der anfänglich umfassenden Liste von über 300 potentiellen Chemikalien, konnten am Ende die Top 12 solcher Building Blocks identifiziert werden, zu denen folgende Chemikalien zählen: 1,4-Disäuren (Bernsteinsäure, Fumarsäure, Apfelsäure), 2,5- Furandicarbonsäure, 3-Hydroxypropionsäure, Asparaginsäure, Zuckersäure, Glutaminsäure, Itaconsäure, Lävulinsäure, 3-Hydroxybutyorolacton, Glyzerin, Sorbit sowie Xylit/Arabit (PNNL NREL, 2004 S. 3-13).

 

Die in Erdöl enthaltenen Kohlenwasserstoffe müssen durch entsprechende Synthesen in beispielsweise Alkene, Alkohole, etc. umgewandelt werden. Neben der direkt möglichen Nutzung von beispielsweise Cellulose zur Herstellung von Celluloseether oder -fasern, müssen Synthesebausteine aus nachwachsenden Rohstoffen oft „entfunktionalisiert" werden.

 

 

Abbildung 13: Aufbereitung und Konversion nachwachsender Rohstoffe

 

Quelle: (Bader, et al., 2009 S. 21)

 

Die gewünschten Synthesebausteine erhält man über biotechnologische Prozesse, wie der enzymatischen Spaltung von Polysacchariden in einzelne Zuckermoleküle oder durch chemische Prozesse, sogenannte Transformationen wie z.B. hydrolytischen Reaktionen, allerdings können beide Verfahren auch kombiniert angewendet werden. Glucose kann somit in die für die Chemie wichtigen C1 bis C6 Synthesebausteine zerlegt werden, ein Gerüst von einem bis zu sechs Kohlenstoffatomen (Bader, et al., 2009 S. 21f).

 

Die Umsetzung einer Biomasse basierten chemischen Industrie kann über zwei unterschiedliche Ansätze erfolgen. Im ersten Ansatz, dem ,value chain approach', werden wertschöpfende Biomasseverbindungen zuerst identifiziert und die verschiedenen Weiterverarbeitungs- und Biokonversionsschritte isoliert betrachtet. Restbiomasse wird dann in ein universelles Substrat umgewandelt, aus dem Chemikalien synthetisiert werden können. Dieser Ansatz geht davon aus, dass es technisch wie auch ökonomisch von größerem Vorteil sei, teure Chemikalien aus Biomasse zu extrahieren, anstatt diese Verbindungen auf Basis universell einsatzbarer Building Blocks herzustellen. Die Herausforderungen der ökonomischen Umsetzbarkeit liegen hier in den technischen Verfahren zur Reinigung, Veredlung, Trennung und Umwandlung von Biomasse Der zweite Ansatz, der ,integrated process chain approach', verfolgt die Nachbildung der petrochemischen Industrie. In diesem Modell wird, basierend auf den Chemikalien, die produziert werden, zuerst das Substrat in universell einsetzbare Building Blocks transformiert. Ökonomisch und technisch sei es von größerem Vorteil, Chemikalien in hochintegrierten Produktionsanlagen zu produzieren. Herausforderungen hier liegen in der Effizienzsteigerung der Umwandlungsprozesse von Biomasse, um die bereits etablierten Building Blocks für die Petrochemie bereitzustellen (Kamm, et al., 2008 S. 97f). Dabei konnten Industrielle Bioraffinerien, eine Analogie zu den heute existierenden Erdölraffinerien, als der erfolgversprechendste Weg hin zu der Gestaltung einer Biomassebasierten Wirtschaft ermittelt werden (Realff, et al., 2008 S. 5-9).

 

2.2 Das Konzept der Bioraffinerie


 

Die amerikanische National Renewable Energy Laboratory (NREL) definiert Bioraffinerien wie folgt: „ A biorefinery is a facility that integrates biomass conversion processes and equipment to produce fuels, power, and chemicals from biomass. The biorefinery concept is analogous to today's petroleum refineries, which produce multiple fuels and products from petroleum. Industrial biorefineries have been identified as the most promising route to the creation of a new domestic biobased industry." Im Gegensatz zu den Erdölraffinerien nutzen Bioraffinerien die Unterschiede aller Biomassebestandteile und Zwischenprodukte um den Nutzen von Rohstoffen zu maximieren. So können Bioraffinerien beispielsweise ein oder mehrere hochwertige Chemikalien in kleinem Volumen produzieren, dazu noch einen geringer wertigen, dafür in großen Mengen hergestellten Biokraftstoff anbieten, und zudem noch Elektrizität sowie Prozesswärme für den Eigengebrauch erzeugen. Hochwertige Produkte steigern den Ertrag, die großen Mengen an Biokraftstoffen helfen dem steigenden Energiebedarf gerecht zu werden, während die Erzeugung von Energie in der Raffinerie selbst Kosten als auch Treibhausgasemissionen reduziert (NREL, 2009)

 

 

Abbildung 14: Vergleich der Basisprinzipien von Erdöl- und Bioraffinerien

 

Quelle (Kamm, et al., 2008 S. 17)

 

Die Zusammensetzung von Biomasse ist komplex, so dass der biotechnischen und chemischen Konversion in Bioraffinerien größte Bedeutung beizumessen ist. Auf diese Weise wird Biomasse so modifiziert, dass diese für den jeweiligen Zweck der anschließenden Weiterverarbeitung angepasst wird und dabei auch gleich bestimmte Zielprodukte hergestellt werden, sogenannte „precursors, Präkursoren". Da sich pflanzliche Biomasse immer aus den Grundprodukten Kohlenhydrate (75%, in Form von Cellulose, Stärke und Saccharose), Lignin (20%), Proteinen und Fetten (5%) sowie einer Vielzahl anderer Substanzen (Vitaminen, Farbstoffen, Aromen etc.) zusammensetzt, findet sich im Folgenden zunächst das Grobschema einer Bioraffinerie für die industrielle Herstellung von Zwischen- und Endprodukten präkursorenhaltiger Biomasse unter Bevorzugung der Kohlenhydratlinie (Kamm, et al., 2008 S. 17):

 

 

Abbildung 15: Grobschema einer Bioraffinerie für präkursorhaltige Biomasse unter Bevorzugung der Kohlenhydratlinie

 

Quelle: (Kamm, et al., 2008 S. 18)

 

Bioraffinerien können die unterschiedlichsten Formen und Größen haben, daher existieren eine Menge von Klassifikationsmöglichkeiten. Eine Klassifizierung kann neben weiteren auf nachfolgenden Kriterien...

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