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E-Book

Nahum Habakuk Zefanja

AutorWalter Dietrich
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl291 Seiten
ISBN9783170263581
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis62,99 EUR
Die Kommentierung hat ihre Besonderheit im konsequenten Wechsel zwischen synchroner und diachroner Sichtweise. Diese doppelte Perspektive richtet sich auf die drei Prophetenschriften insgesamt, auf jede einzelne von ihnen und auf jeden auszulegenden Abschnitt. So entsteht ein differenziertes Bild einerseits von der Struktur und Intention der Texte in ihrer Endgestalt, andererseits von ihrer Entstehungsgeschichte: von der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts bis in die spätalttestamentliche Zeit. Jede Einzelauslegung beginnt mit einer genauen, textkritisch begründeten Übersetzung und schließt mit einer Synthese, die das Bleibende des jeweiligen Textes und die wichtigsten Ergebnisse seiner Analyse festzuhalten sucht.

Prof. em. D. Dr. Walter Dietrich lehrte Altes Testament an der Universität Bern.

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Leseprobe

Einleitung in den Kommentar


Die nur dreimal drei Kapitel der Schriften Nah, Hab und Zef ergeben zusammen ein erstaunlich facettenreiches Bild biblischer Prophetie. Da gibt es martialisch-drohende, aber auch fürsorglich-sanfte Gottesbilder, schwere Schuldvorwürfe gegen das Jhwh-Volk, aber auch tröstliche Verheißungen, Wut gegen fremde Völker, aber auch verbindliche Töne ihnen gegenüber, metallen harte, aber auch jämmerlich klagende Äußerungen von Propheten, finstere Zukunftsbilder, aber auch strahlend helle. Jede der drei Schriften hat ihre besondere Färbung, und doch wirken sie bis zu einem gewissen Grad aufeinander abgestimmt. In das noch viel breiter angelegte Propheten-Mosaik des Dodekaprophetons bringen sie gemeinsam und je für sich ganz bestimmte Farben und Konturen ein.

Die Stellung von Nah-Hab-Zef im Zwölfprophetenbuch1


Das Dodekapropheton ist im Prinzip chronologisch angeordnet, und zwar in drei Blöcken von einmal sechs und zweimal drei Schriften. Das zeigt eine Übersicht über die ihnen jeweils vorangestellten Überschriften, insbesondere die Nennung bestimmter Königsnamen.

  1. Hos 1,1: Das Wort Jhwhs, das an Hosea ben Beeri erging in den Tagen Usias, Jotams, Ahas’ und Hiskijas, der Könige von Juda, und in den Tagen Jerobeams ben Joasch, des Königs von Israel.

  2. Joel 1,1: Das Wort Jhwhs, das an Joel ben Petuël erging.

  3. Am 1,1: Die Worte des Amos, der ein Viehzüchter von Tekoa war, die er geschaut hat über Israel in den Tagen Usias, des Königs von Juda, und in den Tagen Jerobeams ben Joasch, des Königs von Israel, zwei Jahre vor dem Erdbeben.

  4. Ob 1: Die Schauung Obadjas.

  5. Jona 1,1: Und es erging das Wort Jhwhs an Jona ben Amittai ...

  6. Mi 1,1: Das Wort Jhwhs, das an Micha den Moraschtiter erging in den Tagen Jotams, Ahas’ und Hiskijas, der Könige von Juda, das er geschaut hat über Samaria und Jerusalem.

  7. Nah 1,1: Lastspruch über Ninive, Buch der Schauung Nahums des Elkoschiters.

  8. Hab 1,1: Der Lastspruch, den der Prophet Habakuk geschaut hat.

  9. Zef 1,1: Das Wort Jhwhs, das an Zefanja ben Kuschi ben Gedalja ben Amarja ben Hiskija erging in den Tagen Joschijas ben Amon, des Königs von Juda.

  10. Hag 1,1: Im zweiten Jahr des Königs Darius im sechsten Monat am ersten Tag erging das Wort Jhwhs durch den Propheten Haggai an Serubbabel ben Schealtiel, den Statthalter Judas, und an Josua ben Jehozadak, den Hohepriester.

  11. Sach 1,1: Im achten Monat des zweiten Jahres des Darius erging das Wort Jhwhs an den Propheten Sacharja ben Berechja ben Iddo.

  12. Mal 1,1: Lastspruch. Das Wort Jhwhs an Israel durch Maleachi.

Die Regierungsdaten der genannten Könige sind: Jerobeam II. von Israel 786–746; sodann die Judäer Usia (= Asarja) 786–736, Ahas 742–725, Hiskija 725–696 und Joschija 639–609; schließlich Darius I. von Persien 521–485. Offenbar also wollen die Schriften 1–6 die Zeit beleuchten, in der die beiden israelitischen Staaten noch in relativer Selbstständigkeit nebeneinander existierten (8. Jh.), die Schriften 7–9 die Zeit der assyrischen und babylonischen Einflussnahme auf das allein noch bestehende Juda (7. Jh.) und die Schriften 10–12 die Zeit der Entstehung der Provinz Jehud unter persischer Herrschaft (spätes 6. Jh.).

Uns interessiert hier insbesondere der zweite Block, die Schriften 7–9. Deren Zuweisung ins 7. Jahrhundert ist nachvollziehbar. In Nah-Hab-Zef spielt das Königreich Israel keine Rolle mehr; Juda steht für sich allein – und ihm gegenüber stehen das neuassyrische und das neubabylonische Großreich. Das eine ist in Nah und Zef präsent: gelegentlich unter dem Namen „Assur“ (Nah 3,18; Zef 2,13), überwiegend aber in der Gestalt seiner Hauptstadt Ninive (Nah 2–3; Zef 2,13–15).2 Demgegenüber treten in Hab „Chaldäer“ auf den Plan (Hab 1,6), die etwa auch im Jer-Buch für das neubabylonische Reich stehen.

Macht also die Einordnung unserer drei Schriften in die assyrisch-babylonische Epoche durchaus Sinn, so verwundert doch die Reihenfolge: Warum ist Hab, wo Babylon das Gegenüber ist, nicht hinter Nah und Zef platziert, die von Assur handeln, sondern dazwischen? Antworten auf diese Frage kann man auf dem Weg synchroner wie auch diachroner Analyse zu erhalten versuchen.

Synchrone Lesung – oder: Die nördliche Großmacht in Nah-Hab-Zef


In der Forschung zeichnet sich ein Konsens darin ab, dass es ein Zwölfprophetenbuch nicht vor der spätpersischen, vermutlich sogar erst in der hellenistischen Zeit gegeben hat. Von der assyrischen und babylonischen Epoche der Geschichte Judas, um die es in Nah-Hab-Zef geht, bedeutet das rund ein halbes Jahrtausend Abstand! Es ist gut denkbar, dass zu dieser Zeit die Konturen der beiden mesopotamischen Großmächte Assur und Babylon ineinandergeflossen waren. Den Endpunkt dieser Entwicklung kann man in dem im 2. Jh. entstandenen Danielbuch sehen. In den beiden Visionen Dan 2 und Dan 7 werden dem Seher jeweils vier Weltreiche vor Augen geführt. Das erste von ihnen (noch das relativ edelste!) wird einmal ausdrücklich mit dem Babylon Nebukadnezars gleichgesetzt (Dan 2,38), die folgenden dann mit Medien, Persien und Hellas. Assur ist aus dem Blick bzw. dem Gedächtnis entschwunden – obwohl das erste Tier der zweiten Vision ein geflügelter Löwe ist (Dan 7,4), wohlbekannt aus der assyrischen (freilich auch der babylonischen) Ikonographie. Anders war es noch bei Herodot (um 470 v. u. Z.), mit dem die Weltreichvisionen in Dan den Stoff weithin teilen: Bei ihm ist das erste der Weltreiche das (neu-)assyrische, das zweite das medische (nicht das babylonische!), das dritte das persische.3

Eine erste Erklärung für die auffällige Reihenfolge Nah-Hab-Zef könnte also darin liegen, dass die geschichtliche Abfolge Assur-Babylon(-Persien) im Lauf der Zeiten aus dem kollektiven jüdischen Gedächtnis geschwunden war. „Ninive“ und „die Chaldäer“ stünden dann gleichermaßen für ein früheres mesopotamisches Großreich, das einst seine Schatten über die Geschichte Judas warf. So betrachtet, könnte die Anordnung Nah/Assur – Hab/Babylon – Zef/Assur geradezu als kunstvoll gelten, bildete sie doch eine Art Inklusio: ein beliebtes Kunstmittel bei der Komposition gerade auch prophetischen Traditionsgutes.4

Nun spielt freilich die nördliche Großmacht in Nah, Hab und Zef nicht immer die gleiche Rolle. Vielmehr zeigt sich auch in dieser Hinsicht ein Chiasmus. In Nah 2–3 attackiert der Prophet geradezu wütend die assyrische Metropole als maßlos gierig und hemmungslos unmoralisch und malt sich aus, wie die gewissenlose Stolze demnächst gedemütigt und geplündert wird. In Hab 1,5–10 erfährt der Prophet in einer Audition, die Chaldäer würden mit unwiderstehlicher militärischer Macht und mit dem Einverständnis Gottes vorrücken. In Zef 2,13–15 wiederum bedroht der Prophet Assur mit seiner Hauptstadt, die überheblich von sich sagt: „Ich und keine sonst!“ Betrachtet man diese Abfolge synchron und in der Annahme, die Späteren hätten im Grunde nur eine mesopotamische Großmacht in Erinnerung gehabt, dann zeichneten sie hier ein hintergründiges geschichtliches Bild. Um dessen voll gewahr zu werden, muss man noch die (in beiden Kanonversionen) vorangehende Jona-Schrift hinzunehmen. Schon in ihr, die fiktiv ja in der Zeit Jerobeams II., d. h. vor dem Vordringen Assurs in die südliche Levante, spielt,5 erscheint die Metropole Ninive als voller „Bosheit“ (Jona 1,2). Freilich gelingt es Gott mit der widerwilligen Hilfe Jonas, sie zur Umkehr zu bewegen, woraufhin er sie verschonen kann. Die Bekehrung war indes nicht nachhaltig; warum sonst hätte Assyrien einige Zeit später gegen Israel und Juda losgeschlagen und damit den Aufschrei Nahums gegen die „Hure“ Ninive provoziert?

Freilich, die Anti-Ninive-Texte in Nah 2–3 sind nicht als Gottesworte deklariert, vielmehr spricht hier „nur“ der Prophet in begreiflicher Empörung. Doch dann, in Hab 1, spricht Gott selbst – und er stellt nicht etwa die sofortige Vernichtung des furchtbaren Feindes in Aussicht, sondern gerade dessen unaufhaltsames Vorrücken! Am Schluss seiner Audition allerdings erfährt der Prophet, dessen Kommen sei von nur vorübergehender Natur; sie werde an ihrer Selbstvergötterung scheitern („ihr Gott ist die eigene Kraft“, 1,11). Daran knüpft dann Zef 2 an: Assur und Ninive bilden in einer Reihe von Gottesworten, die sich gegen Feinde im Westen, Osten, Süden und Norden richten, effektvoll den Ziel- und Endpunkt. Will sagen: Auch dieser größten und gefährlichsten Feindmacht legt Gott das Handwerk.

Nacheinander und synchron gelesen, ergeben die Aussagen über die nördliche Großmacht in Nah-Hab-Zef die folgende Aussage: Juda hatte allen Grund zu größter Furcht vor ihr und hoffte begreiflicherweise darauf, dass Gott sie rechtzeitig ausschalten werde (Nah). Doch Gott entschied, ihr zunächst freie Hand zu lassen (Hab). Am Ende aber musste sie doch das göttliche Gericht treffen (Zef). Kaum verhüllt ist dies eine...

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