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Nanna - Das Seelenleben der Pflanzen

Vollständige Ausgabe

AutorGustav Theodor Fechner
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl314 Seiten
ISBN9783849612450
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
In Fechners Werk aus dem Bereich der Natur-Trinosophie tritt er den Beweis an, dass auch Pflanzen Lebewesen sind. Das Buch war Mitte des 19. Jahrhunderts bahnbrechend für alle Theorien in diese Richtung.

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Leseprobe

 


Unleugbar, daß, wenn man nur jene eiweißartigen Fäden, die man Nerven nennt, in den Pflanzen entdeckte, die Schwierigkeit, ihnen Seele zuzugestehen, für viele sehr vermindert erscheinen würde. Nun schließt man freilich, daß Nerven zur Seele nötig sind, selbst zum Teil erst daraus, daß die seelenlos vorausgesetzten Pflanzen keine haben; doch ist es dieser Zirkelschluß nicht allein, der hier ins Spiel kommt; hauptsächlich vielmehr folgende Betrachtung:

 

Wenn man das, bekanntlich aus feinsten Nervenfasern zusammengesetzte, Gehirn eines Menschen oder Tieres zerstört, so zerstört man hiermit zugleich alle äußeren Bedingungen und Erscheinungen ihres Seelenlebens; desgleichen kann man durch Zerschneidung oder Zerstörung besonderer Nervenpartien das Vermögen zu besonderen Empfindungen aufheben. Geben aber die Tiere keine Zeichen von Seele und Empfindung mehr von sich, nachdem man ihre Nerven zerstört hat, so werden die Pflanzen von vornherein keine Seele und Empfindung haben können, da sie von vornherein keine Nerven haben. Die Nerven beweisen eben hiermit, daß sie, wenigstens in unserem irdischen diesseitigen Leben, wesentliche Bedingungen zum Beseeltsein oder Werkzeuge sind, welche die Seele braucht, sich unter den Bedingungen dieses Diesseits zu äußern.

 

Nichts mag triftiger scheinen als dieser Schluß, und nichts kann untriftiger sein.

 

Ich setze ihm folgenden entgegen: Wenn ich von einem Klavier, einer Violine, einer Laute, alle Saiten herunterreiße oder sie zerstöre, so ist es aus mit den Tönen dieser Instrumente; ich mag daran hämmern, klopfen, wie ich will: es entstehen ungeregelte Geräusche; ein eigentlicher Ton, gar eine melodische oder harmonische Folge oder Verknüpfung von Tönen läßt sich absolut nicht mehr hervorbringen; desgleichen läßt sich durch Wegreißen besonderer Saiten das Vermögen zu besonderen Tönen aufheben; offenbar sind also die Saiten wesentliche Bedingungen zur Erzeugung der Töne; sie sind sozusagen die Nerven jener Instrumente. Und hieraus folgt nun ganz eben so wie vorhin, daß die Flöte, Querpfeife, Orgel von vornherein der Töne, namentlich der melodischen und harmonischen Verbindung von Tönen, unfähig sind, weil sie ja von vornherein keine Saiten haben.

 

Der Vergleich ist infofern recht passend, als wir hier ein Mittel, objektiv Empfindungen zu erzeugen, mit Mitteln, subjektiv Empfindungen zu erzeugen, vergleichen, wobei sich ein gewisses Entsprechen vielleicht von vornherein voraussetzen läßt. Die Violine gibt andern, der Leib sich selbst Empfindungen durch ihr Spiel. Der Leib ist sozusagen eine Violine, die das innere Spiel ihrer Saiten selbst fühlt.

 

Nun aber, wenn ich sehe, daß die Flöte doch wirklich, trotz meines schönen Schlusses, Töne gibt, objektiv Empfindungen erzeugt, ohne Saiten zu haben, so weiß ich nicht, warum nicht auch die Pflanze subjektiv Empfindungen soll erzeugen können, ohne Nerven zu haben. Die Tiere könnten ja eben die Saiten-Instrumente, die Pflanzen Flöten-Instrumente der Empfindung sein. Dann würden freilich auch beider Empfindungen sich eben so subjektiv unterscheiden müssen wie die Empfindungen, welche Saiten- und Blas-Instrumente hervorbringen, sich objektiv unterscheiden; aber es könnten doch in beiden gleich laute und gleich melodisch oder harmonisch zu psychischer Einheit verknüpfte Empfindungen sein.

 

Es ist in der Tat nicht abzusehen, warum der Natur weniger mannigfaltige Mittel zu Gebote stehen sollten, selbstgefühlte Empfindungen hervorzubringen, als unserer Kunst zu Gebote stehen, von andern gefühlte Empfindungen hervorzubringen; da doch sonst die Natur in ihren Mitteln reicher und mannigfaltiger ist als wir; wir auch sonst sehen, wie die Natur denselben allgemeinen Zweck durch die größte Mannigfaltigkeit von Mitteln nach den verschiedensten Prinzipien zu erreichen liebt. Bei den Menschen, vierfüßigen Tieren, Vögeln bilden die Atemwerkzeuge einen nach einwärts, bei den Kiemen-Tieren einen nach auswärts gestülpten Baum; wir schreiten durch Fortsetzen der Beine fort; andere Geschöpfe schreiten durch Zusammenziehungen des Leibes fort, wie die Blutegel; andere haspeln sich durch Wimperbewegungen fort; wie viele Infusionstiere usw., was alles nach total verschiedenen Prinzipien erfolgt. Der ideelle Zweck, durch Ortsveränderungen zu erlangen, was zum Leben gebraucht wird, ist doch überall dabei der nämliche. Sollte nun wirklich die Natur so steif dabei stehen geblieben sein, geistige Organisation an leibliche Organisation bloß mittelst Nervenbanden zu knüpfen? Im Gegenteil, weil sie mir in diesem Falle ärmer und ratloser als gewöhnlich erschiene, erwarte ich, daß es neben den Tieren, wo sie den Plan der psychischen Organisation mit Hilfe von Nerven durchgeführt hat, noch ein anderes Gebiet geben wird, wo sie ihn in anderer Weise durchgeführt hat.

 

Was liegt denn überhaupt in der Eiweißmaterie der Nerven so Wundervolles, das sie allein zu Trägern oder Vermittlern von Seelentätigkeit geeignet machte? Mir scheint der Faserstoff der Pflanzen, wenn man einmal Fasern verlangt, ganz ebenso gut dazu geeignet; er wird nur eben für die Disposition der Pflanzen passender sein, und das Eiweiß für die der Tiere. Alles will in seinem Zusammenhange betrachtet sein. Auf der Sonne wird es weder Nerven von Eiweiß noch Faserstoff geben können, es würde alles verbrennen; vielleicht gibt es da solche von Platin. Vielleicht gibt es überhaupt da keine; denn die Nerven sind eben gewiß nur ein Mittel, in gegebenem Zusammenhange Empfindungen auf eine besondere Weise zu organisieren, was anderwärts durch andere Mittel vertreten werden kann. Einen rohen Klang gibt selbst der Klavierkasten ohne Saiten; ja gibt jeder Körper überhaupt beim Anstoß; so mag auch jede Bewegung in der Welt vielleicht etwas Psychisches an sich tragen; nun handelt es sich nur um die Bedingungen, dies so zu fügen, daß dieser Beitrag nicht bloß im allgemeinen göttlichen Leben aufgehe, sondern auch einem Geschöpf für sich zugute komme. Nach den Bedingungen hiervon werden wir noch besonders zu fragen haben; aber es ist von vornherein höchst unwahrscheinlich, daß bloß Nerven dazu tauglich sein sollten; ja daß überhaupt die Fadenform dazu wesentlich sei. Ist es wirklich wahr, daß die ganze Welt ein Träger, Ausdruck des göttlichen Geistes ist, so wird man ja fragen müssen, wo die Nerven Gottes laufen; und sehen wir, daß die fernen Weltkörper ohne lange Seile zwischen ihnen doch zu einem in sich einigen System durch Licht und Schwere verknüpft sind, so werden wir den unmittelbar übereinander gebauten Zellen der Pflanzen um so mehr ein zusammenhängendes Wirken, wie man es als Ausdruck des Wirkens einer Seele fordern muß, zutrauen können, da die Zeichen durch den ganzen Bau bezugsreich wirkender Kräfte ja augenfällig in der ganzen Gestaltung des Baues selbst zu Tage liegen.

 

Man kann der vorigen Analogie andere zur Seite stellen, die gleichen Sinnes mit ihr sind, und es mag nützlich sein, dies noch in einigen Beispielen zu tun. Wir sind nun einmal hier wesentlich an Analogien gewiesen, und läßt sich auch damit allein nichts beweisen, so läßt sich doch ein Gegenbeweis damit entkräften, und die Art, wie dieser Gegenstand zu fassen sein möchte, in verschiedener Form erläutern.

 

Die Flammen unserer Lampen und Lichter brennen mittelst Dochten, aus Fäden zusammengedreht. Unsere Seelenflammen auch. Die Sonne, eine Gasflamme, brennt ohne Docht. So wird es auch wohl Seelenflammen geben können, die ohne Dochte aus Fäden brennen. Lichter und Lampen mit Dochten haben freilich ihre Bequemlichkeit: sie lassen sich leicht allwärts hintragen, Gasflammen nicht; aber brennen diese deshalb weniger hell, und haben sie nicht auch ihrerseits Vorteile? So sind die Tiere tragbare, die Pflanzen feststehende Seelenlampen. Warum soll die Welt bloß mit tragbaren Lampen erleuchtet sein? Jeder große Saal ist sogar mehr mit festen als tragbaren Lampen erleuchtet; die Welt ist aber der größte Saal. Und in Wahrheit können wir die Seelen recht eigentlich mit Flammen vergleichen; weil ohne sie die Welt ganz dunkel wäre. Es ist eben wieder der Vergleich des Subjektiven mit dem Objektiven, wie bei den Instrumenten der Töne. Wie viele Mittel gibt es überhaupt, objektives Licht anzubringen und zu unterhalten, und nun wollen wir die Natur in der Freiheit, das subjektive Seelenlicht anzubringen und zu unterhalten, so ganz auf das enge Mittel der Nervendochte beschränken?

 

Die Kreuzspinne fängt ihren Raub mittelst eines Netzes aus feinen und langen Fäden; ohne das Netz weiß sie nichts zu fangen. Ähnlich mit unserer Seele. Nur mit einem Netze feiner Nervenfäden vermag sie Empfindungen zu fangen, indem sie belauscht, was aus der Außenwelt diese Fäden berührt. Aber brauchen deshalb alle Spinnen ein solches Netz, ihren Raub zu fangen? Mit nichten; es gibt solche, die ihn unmittelbar aus einem Hinterhalte ergreifen. So könnten also auch die Pflanzen ihre Empfindungen ohne Nervennetz unmittelbar zu ergreifen wissen. Wenn wir die Spinne in ihrem Loch nicht sehen, und kein Netz sehen, meinen wir freilich wohl auch, es sei bloß ein Loch und keine Spinne da. Aber das Netz macht nicht die Spinne; sondern die Spinne macht das Netz oder macht auch wohl kein Netz und kann deshalb doch noch eine Spinne sein.

 

Wenn Jemand im Wagen sitzt und fährt, braucht man nur die Stränge durchzuschneiden, wodurch die Pferde mit dem Wagen verbunden sind; so bleibt der Wagen stehen, die Pferde aber laufen wer weiß wohin. Ist aber deshalb eine verständige Beherrschung der Pferde, die ich hier der Beherrschung des Leibes durch eine...

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