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E-Book

Nanotechnologie für Einsteiger

Herstellung und Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanostrukturen

AutorWilhelm Kulisch
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl500 Seiten
ISBN9783527695331
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR

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Leseprobe

1
Einführung


1.1 Nanowissenschaften und Nanotechnologie


Das Wort „Nano“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Zwerg. In den Naturwissenschaften wird „nano“ seit langer Zeit als Vorsilbe für Einheiten benutzt und bedeutet 10−9, genauso wie „mikro“ 10−6 bedeutet oder „kilo“ 103. Im Zusammenhang mit der Nanotechnologie bezieht sich die Vorsilbe zunächst ausschließlich auf die Längeneinheit Meter, das Wort „Nano“ ist also als Nanometer zu lesen.

Die Nanowissenschaften und die Nanotechnologie beschäftigen sich also mit Objekten, deren Abmessungen im Nanometerbereich liegen [5]. Diese sind infolgedessen auch die Themen dieses Buchs. Daher stellt sich die Frage, warum dieser Größenbereich einer gesonderten Darstellung bedarf und warum die Nanotechnologie in Wissenschaft, Forschung und vor allem auch in der Industrie eine immer gewichtigere Rolle spielt. Die Antwort ist, dass in diesem Größenbereich sich viele Aspekte der Physik und der Chemie gegenüber den von der makroskopischen Welt her bekannten ändern. Dies gilt gleichermaßen für physikalisch/chemische Effekte wie für die Eigenschaften von Materialien mit Nanometerabmessungen. Dies ist eines der Hauptthemen dieses Buchs, das insbesondere in Kapitel 2 diskutiert wird.

Die Beschäftigung mit diesen Themen ist keineswegs neu, sie begann spätestens Ende des 19. Jahrhunderts mit der Etablierung der atomaren Struktur der Materie und führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung der Quantenmechanik und weiterer quantenphysikalischer Theorien.

Die Entwicklung der Nanotechnologie als eigenständige Wissenschaft, die sich mit der Herstellung, der Charakterisierung und der Anwendung von Nanoobjekten beschäftigt, begann eher im Stillen (der Begriff Nanotechnologie wurde erstmals 1974 von N. Taniguchi [12] verwendet, der auch eines der ersten wichtigen Bücher über das Thema schrieb [13]). Dies änderte sich durch zwei Nobelpreise in den 1980er- und 1990er-Jahren, durch die die Nanotechnologie in das Rampenlicht einer breiteren Öffentlichkeit gelangte:

  • Den Physiknobelpreis für 1986 erhielten G. Binnig und H. Rohrer für die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops (STM), das es zum ersten Mal ermöglichte, Strukturen mit atomarer und sogar subatomarer Auflösung abzubilden [1]. Das STM wird ausführlich in Kapitel 4 vorgestellt.
  • Im Jahr 1996 erhielten H. Kroto, F. Curl und R. Smalley den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der Fullerene, einer speziellen Form von Kohlenstoffnanostrukturen (Kapitel 7), die sie im Jahr 1985 veröffentlicht haben.

Die Begriffe „Nanowissenschaften“ und „Nanotechnologie“ sind also eher neueren Ursprungs. Allerdings wurde die Nanophysik im eigentlichen Sinn zu Beginn des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen, jedoch wurde diese Entwicklung als Quantenmechanik oder Quantenphysik bezeichnet. Die daran beteiligten Wissenschaftler dachten zudem – historisch bedingt – eher in Ångström (10−10 m), der damals in diesem Bereich verwendeten Längeneinheit, als in Nanometern.1)

Vielfach wird ein Vortrag des amerikanischen Physikers Richard Feynman als Geburtsstunde der Nanotechnologie gewertet, den er 1959 am California Institute of Technology hielt. Feynman sagte in diesem Vortrag „There is plenty of room at the bottom“ (Ganz unten ist eine Menge Platz) [4]. (Für meine Begriffe ist dieser Satz viel zu unklar, um eine solche Einschätzung zu rechtfertigen. Den heutigen Stellenwert als Startpunkt der Nanotechnologie erhielt dieser Satz erst in den 80er-Jahren, als sich die Nanotechnologie unter ihrem heutigen Namen zu entwickeln begann.) In der wissenschaftlichen Literatur taucht der Begriff Nanotechnologie zum ersten Mal 1974 in dem bereits erwähnten Artikel von Taniguchi auf [12].

Nanoinformationen von der Bundesregierung


Bis Mitte 2015 bediente sich die Bundesregierung des sogenannten Nanotrucks, um über die Nanotechnologie zu informieren. Dabei handelte es sich zum einen um einen 16,5 m langen Truck, der durch Deutschland tourte, Themen der Nanotechnologie ausstellte und auf informative Weise präsentierte. Darüber hinaus war die dazugehörige Seite http://www.nanotruck.de/ die Webseite der Bundesregierung, auf der sie über die Nanotechnologie, deren Aufgaben, Ziele, Chancen und mögliche Risiken informierte. Darüber hinaus wurde ständig über die neuesten Entwicklungen berichtet. Diese Seite gehört zu den besten, die ich im Internet zum Thema Nanotechnologie gefunden habe. Die Seite existiert immer noch, allerdings wird sie nicht mehr erweitert. Dennoch lohnt sich ein Besuch immer noch.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Webseiten, die zum Teil auf die Initiative der Bundesregung zurückgehen und häufig sehr informiert über die Nanotechnologie berichten. Dazu gehören:

1.2 Nanowissenschaften sind interdisziplinär


Das Thema dieses Buchs ist die Beschäftigung mit Objekten im Nanometermaßstab, also die Nanowissenschaften bzw. die Nanotechnologie. Einer der interessantesten Aspekte dabei ist, dass sie nur interdisziplinär betrieben werden können. Schon die Herstellung von Kohlenstoffnanostrukturen erfordert eine enge Zusammenarbeit von Chemikern und Physikern (und teilweise auch von Prozessingenieuren). Die Anwendung von Kohlenstoffnanostrukturen bedingt in vielen Fällen auch die Mitarbeit von Biologen und/oder Medizinern. An dieser Stelle sei meine Heimatuniversität Kassel angeführt:

  • Dort existiert ein „Center for Interdisciplinary Nanostructure Science and Technology“ (CINSaT), an dem unter anderem die Physik, die Chemie, die Biologie, der Maschinenbau, die Elektrotechnik, das Ingenieurwesen, die Architektur und die Philosophie beteiligt sind.
  • Die Universität bietet einen Bachelor- und einen Master-Studiengang „Nanostrukturwissenschaften“ an, der gemeinsam von den Instituten für Physik, Biologie und Chemie durchgeführt wird.

Infolgedessen ist auch dieses Buch interdisziplinär. Bei der Diskussion der Herstellung von Nanostrukturen müssen sowohl physikalische als auch chemische Aspekte betrachtet werden. Ähnliches gilt auch für die Diskussion ihrer Eigenschaften. Die zahlreichen in diesem Buch vorgestellten Anwendungsbeispiele stammen unter anderem aus den Bereichen Physik, Chemie, Elektronik, Sensorik, Materialwissenschaften, Biologie und Medizin.

1.3 Nanotechnologie – Heilsbringer oder Risiko?


Wenn man heute im Internet das Wort Nanotechnologie eingibt, hängt das Ergebnis auf erschreckende Weise von der Schreibweise ab. Gibt man „Nanotechnology“ ein, erhält man Hinweise auf englischsprachige Seiten, die die Nanotechnologie in höchsten Tönen loben und von ihr die Lösung aller derzeitigen Probleme unserer Welt erwarten (Energieversorgung, Umweltschutz, Wasser- und Nahrungsversorgung, Gesundheit usw.).

Gibt man den Begriff hingegen deutsch als „Nanotechnologie“ ein, so befassen sich die meisten der ersten Seiten, die man erhält, fast ausschließlich mit der Gefährlichkeit der Nanotechnologie, wobei insbesondere die Themen Gesundheit und Umweltschutz im Vordergrund stehen.

Es ist nicht Aufgabe dieses Buchs, zwischen diesen beiden extrem konträren Einschätzungen abzuwägen, zumal ich der Meinung bin, dass beide reine Schwarz-Weiß-Malerei sind und keine von ihnen der Realität entspricht. Wie bei jeder anderen neuen Technologie und jedem anderen neuen Produkt muss man im Einzelfall entscheiden, inwieweit eine Gesundheits- oder Umweltgefährdung vorliegt, und dann die entsprechende Technik/das entsprechende Produkt entweder zulassen oder verbieten (siehe zu diesem Thema auch [7]).

Man kann heute mit Sicherheit sagen, dass man die Nanotechnologie nicht als Ganzes als gefährlich einordnen kann (siehe auch unten), aber ebenso klar ist, dass eine Reihe von Produkten erhebliche Risiken aufweisen (ein Beispiel dafür ist das Nanosilber [11]).

Darüber hinaus muss man sich stets vor Augen halten, dass die Nanotechnologie in manchen Bereichen längst Wirklichkeit geworden ist (was gleichzeitig gegen eine generelle Gefährlichkeit der Nanotechnologie spricht):

  • In der modernen Halbleiterindustrie, d. h. in den Computern, die Sie heute oder in der nächsten Zeit kaufen können, ist die kleinste Strukturweite 22 nm. Ihr Computer ist also ein nanotechnologisches Produkt.
  • Ähnliches gilt für die modernen Datenspeicher, etwa die Festplatte in ihrem Computer oder auch den USB-Stick, den Sie gerade benutzen. Auch hier liegt der für die Speicherung eines Bits benötigte Platz im Bereich von einigen 100 nm2.
  • Wenn Sie heute eine Flasche Sonnenmilch kaufen, werden Sie auf der Packung eventuell Hinweise darauf finden, dass das Produkt Nanopartikel enthält.

Die Nanotechnologie hat also bereits Einzug in unser...

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