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Narratives Interview als Methode zum Verstehen von Lebensprozessen

AutorUwe Rosinski
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl55 Seiten
ISBN9783640415434
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Hochschule Mittweida (FH), Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit beschäftigt sich ab einem praktischen Beispiel intensiv mit der Interviewmethode 'narratives Interview'. Dabei wird die Methode in Theorie und Praxis ausführlich dargestellt. Ein besonderer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der multiperspektivischen Auswertung des durchgeführten Interviews. Im Rahmen des Studiums Sozialpädagogik und Soziale Arbeit belegte ich das Seminar Biographiearbeit. Dadurch sensibilisiert, höre ich so manche Aussagen von Menschen, auch im Freundeskreis, mit 'anderen Ohren'. Darauf möchte ich nun näher eingehen. Wir sind mit Familie S. befreundet. Diese leben am Stadtrand der Heimatstadt meiner Frau. Dadurch existiert eine Beziehung zu ihnen. Die Familie besitzt ein Einfamilienhaus mit Scheune und großem Grundstück. Dieses ist kreditfinanziert. Zur Familie gehören zwei Kinder, 3 Jahre und 1 Jahr alt. Die Ehefrau befindet sich in der Erziehungszeit ihrer Kinder, geht aber als Krankenschwester einmal im Monat zum Wochenenddienst. Der Mann ist Meister des Landschafts- und Gartenbaus. Er arbeitet in einer entsprechenden Firma und ist im Sommer hauptsächlich für Teichbau verantwortlich, muss aber auch weitere anfallende Arbeiten erledigen. Seine Arbeitszeit beschränkt sich nicht auf die übliche 40-Stunden-Woche. Oft leistet er Überstunden und ist auch am Wochenende entweder in seiner Firma oder bei Freunden unterwegs, um dort landschaftsgestalterische Arbeiten zu leisten. Vor ca. einem halben Jahr starb die Großmutter des Mannes. Der nun allein lebende Großvater hat viel Zeit. Bei verschiedenen Treffen äußerte der Mann, dass der Großvater auf einmal beginne von früher zu erzählen, z.B. was er im Krieg und nach dem Krieg alles - auch an Entbehrungen erlebt hat. Weiter erzählte er, dass er durch die Gespräche mit dem Großvater angeregt wird, über das eigenen Leben, den Lebensstil und Prioritäten nachzudenken und einiges in Frage zu stellen. Diese Erzählungen haben mich fragend gemacht. Zum Beispiel: Was könnte der konkrete Inhalt der Erzählungen sein, die meinen Freund so nachdenklich gemacht haben? Welche Auswirkungen haben die großväterlichen Erzählungen für den Enkel? Was hat sich bei ihm verändert? Welche Personen spielen noch eine beachtenswerte Rolle? Sind Erkenntnisse generationsübergreifend anwendbar? Mit diesen möglichen Fragen im Hinterkopf bin ich in das Interview gegangen und habe darauf teilweise Antworten erhalten.

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Leseprobe

6. Auswertung des Interviews


 

6.1. Ebene Null


 

6.1.1. Irritationen


 

Schon während des Interviews kam es bei mir zu einigen Irritationen. Es gab keine Erzählungen über den Vater. H. äußerte sich weder zu Erlebnissen, noch beschrieb er den Vater in irgendeiner Form. Es klang nur in der Beschreibung der Kindheit an, dass es da eine gute Beziehung gegeben haben könnte: „War aber trotzdem schön, ich hatte eine schöne Kindheit nach meiner Meinung und .. hab viel, hab, also, denke ich ein sehr intensives Familienleben erlebt, so mit … vielen Unternehmungen meiner Eltern. Schönen Urlaubserinnerungen würde ich sagen und habe meine Eltern gerne gehabt .. Es warn also schon auch strenge Eltern aber nicht, nicht so das man jetzt sagt es war keine schöne Kindheit“ (Seite I, Zeile 15 - 19)

 

Weiterhin gab es wenige Äußerungen über die Schwester, außer, dass sie eine eher nebensächliche Rolle spielte.

 

Über freundschaftliche Beziehungen, z.B. zu Schulfreunden, zu Mitgliedern der Jungen Gemeinde – die es ja durchaus gibt, äußerte er sich nicht vertiefend. Der Beziehung zu seiner Frau, z.B. über die Kennenlern- und Verliebtheitsphase, usw. maß er wenig Raum bei.

 

Informationen über seine Lehrzeit oder Menschen während der Zeit erhielt ich keine.

 

Auch über Hobbys oder eine Art der Freizeitgestaltung wurden keine Informationen gegeben.

 

6.1.2. Emotionen


 

Auf Seite VI, Zeile 20 – 29 berichtete hat von seinem eigenen Haus. Über das Thema „eigenes Haus“ denke ich schon seit langem nach. Die Erzählung weckte in mir die Sehnsucht nach einem eigenen Heim.

 

Als ich die Gedanken auf Seite VII, Zeile 21 – 30 über seine Zeit als Kirchenvorsteher las, löste das in mir eine gewisse Bitterkeit, durch eigene Erfahrungen mit dem eigenen, ehemaligen Kirchenvorstand aus.

 

H. berichtete auf Seite VIII, Zeile 30 – 34 von seiner Not mit dem derzeitigen Arbeitgeber. Ich hatte meine Stelle gewechselt, weil ich mit meinen Chefs nicht zu Recht kam. Beim Lesen spüre ich in mir Erleichterung über eine gelöste Spannung, aber auch Trauer über die zurückgelassene, gern getane Arbeit.

 

Als H. auf Seite X, Zeile 13 – 27 seine Mutter beschrieb, löst das in mir Erschrecken über deren Wesen aus. Mir gingen Bilder durch den Kopf vom Sohn, der zwischen Mutter und Ehefrau steht und „vermittelt“. In mir öffnete sich die Frage: zu wessen Lasten gehen die Auseinandersetzungen?

 

Das Schicksal des Großvaters, von welchem auf Seite XI, Zeile 1 – 14 berichtet wird, erschütterte mich. Dass dieser zwei seiner Kinder verloren hatte, das machte mich betroffen und traurig.

 

Das Thema Arbeit spielte bei H. eine große Rolle. Als er sich auf Seite XII, Zeile 13 – 23 äußerte und aufzählte: der Alltag ist angefüllt mit Arbeit, Terminen, Verpflichtungen, Begegnungen, Kinder versorgen, Frau entweder auf Arbeit oder zum Lehrgang, habe ich ein Gefühl von Sorge. Wann entspannt er sich, wann pflegt er seine Ehe- und Freundesbeziehungen?

 

Die auf Seite XV, Zeile 24 –33 geäußerten Aushandlungsprozesse in der Ehebeziehung sind nicht immer schmerzlos. Das kenne ich von meiner Ehebeziehung auch.

 

Als er von Tod und Sterben auf Seite XVIII, Zeile 3 –5 berichtete, wurde ich selbst traurig, weil mein eigener Vater sterbenskrank war und schon zum wiederholten Male auf der Schwelle zum Tod stand.

 

Ich empfinde Freude für ihn, als er auf Seite XIX, Zeile 19 –27 berichtete, dass er gelernt hat „Nein“ zu sagen. Denn das war für ihn in der Vergangenheit ein echtes Problem. Es kam dadurch zu Spannungen in der Beziehung zu seiner Ehefrau, da er in der Familie mehr ab- als anwesend war.

 

6.1.3. Gegenteiliges im Text


 

Dem Thema Arbeit wird im Interviewtext sehr viel Raum gegeben. Auf der einen Seite relativiert H. die Bedeutung von Arbeit für sich, z.B. auf Seite XX, Zeile 19 – 24: „also ich empfinde meine Arbeit schon noch als Bestätigung für mich, aber mittlerweile auch an vielen Stellen auch mehr als Mittel zum Zweck. Und zwar nicht aus negativem Sinne, weil meine Arbeit macht mir ja Spaß aber, aber aus dem Sinne, dass, dass andere Sachen wichtiger sind als diese, die Arbeit oder das was ich da schaffe. Es ist einfach, es ist auch eine Veränderung. Weil’s einfach, weil dieser Umgang mit der Arbeit und mit diesen Materialien oder so, im Verhältnis zum Umgang mit den Menschen, nebensächlich“, aber auf der anderen Seite beschreibt er auf Seite XIV, Zeile 9 – 14 den Stellenwert der Arbeit für sich: Arbeit macht sein Selbstbewusstsein stark: „das hat zur Folge, dass es mir, dass ich also gewisse, also, es erfüllt mich, also es macht mir Spaß es befriedigt mich. Von daher denke ich, hat Arbeit einen sehr hohen Stellenwert für mich und ich beziehe auch einen gewissen Grad an ehm .. na… Selbstbewusstsein oder so daraus also auch eine Wertschätzung oder so, weil, weil ich schaffe ja schon irgendwas was dann den Leuten meistens dann auch gefällt und das sagen die einen ja dann schon auch, na“, oder Seite XIV, Zeile 32 – Seite XV, Zeile 1, wo er beschreibt, dass er ohne Arbeit Probleme hätte: „aber im Großen und Ganzen hat sie einen wichtigen Stellenwert für mich, persönlich gesehen. Ich glaube, ich bin zwar ein Typ, der sich auch Arbeit sucht, aber wenn ich jetzt arbeitslos wäre, über längere Zeit oder so, dann hätte ich ein Problem.

 

Hier ist für mich ein Gegensatz. Auf der einen Seite ist die Arbeit nicht wirklich wichtig, auf der anderen Seite bezieht er Selbstbewusstsein daraus.

 

6.1.4. Thematische Felder


 

Im Interview präsentiert H. unterschiedliche thematische Felder. Er erzählt über Arbeit: seine vergangene und derzeitige Arbeitstätigkeit, den Sinn von Arbeit und seine veränderte Sicht auf Arbeit. In Verbindung mit seinem Großvater und der alten „Jungen Gemeinde“ erzählt er von seinen Gedanken zu alten Menschen und dem Alterungsprozess. Weiterhin spricht er von seinem Haus, aus meiner Sicht in Verbindung mit einem Heimatgedanken. Trost bei der Beerdigung seiner Großmutter, persönliche Veränderungen durch die Erzählungen seines Großvaters, in dem er Dingen eine andere Priorität gibt und die Wertigkeit seiner eigenen Kinder sind weitere Themen. Raum gibt er auch dem Thema Entscheidungen, z.B. für das Haus oder der Ausbildung der Ehefrau. Kurzzeitig wird seine Mutter zum Thema.

 

6.2. Ebene Eins


 

6.2.1. Kurzbiographie


 

H. wurde am 5.11.1974 in L. als zweites Kind in der Kleinstadt W., in Sachsen geboren. Seine Mutter war zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alt. Über das Alter seines Vaters lässt sich im Interview nichts erfahren. In W. wohnten noch die Großeltern unweit vom elterlichen Anwesen entfernt. Sein Bruder ist 5 Jahre älter, seine Schwester 10 Jahre jünger. Für DDR-Zeiten war es normal, das Kind nach einem Jahr in die Krippe und anschließend in den Kindergarten zu geben, zumal dort seine Mutter arbeitete. Die Einrichtung besuchte er 6 Jahre. Im Jahre 1980 kam er in W. in die Schule, welche er mit dem Abschluss der 10. Klasse beendete. In der 8. Klasse erlebte er seine Konfirmation in der W.-er Kirche. Als Jugendlicher war er in der Kirchgemeinde aktiv. Am Anfang engagierte er sich in der Kinderarbeit der örtlichen Kirchgemeinde und in der Jugendarbeit des Kirchenbezirkes. Als junger Erwachsener wurde er in den Vorstand der W.-er Kirchgemeinde berufen.

 

Seine Lehre als Gärtner begann er 1990 in L., die dann bis 1993 dauerte. Aufgrund betrieblicher Schwierigkeiten wurde er gekündigt. Nach langem Überlegen suchte er sich eine neue Arbeitsstelle München. Nach anderthalben Jahren leistete er in W. seinen Zivildienst. Anschließend wurde er wieder in M. eingestellt. In der Zwischenzeit hat die Firma eine Zweigniederlassung in W. gegründet. H. arbeitet sowohl in W. als auch in M.. Diese Zeit war vom vielen „Pendeln“ zwischen M. und W. geprägt.

 

Er begann in P. eine einjährige Meisterschule als Gärtnermeister. Bei der Firma H. wurde er anschließend als Gärtnermeister angestellt. Dort arbeitet er bis zum heutigen Zeitpunkt.

 

Die Heirat seiner Frau erfolgte im Jahr 2000. Seine Frau ist drei Jahre jünger als er. Die Geburt seines Kindes V. im Jahr 2004 und von C. im Jahr 2006. Das Haus, in dem er mit seiner Familie bis heute wohnt, wurde im Jahr 2002 gekauft.

 

6.2.2. Milieu


 

Das Milieu, in dem H. aufgewachsen war, würde ich als traditionell, bürgerlich bezeichnen.

 

Es ist ein Milieu, das an traditionellen Werten, Moralvorstellungen, sozialen Regeln und Konventionen festhält. Wichtig sind geordnete finanzielle und familiäre Verhältnisse, Sicherheit, angemessener, bürgerlicher Lebensstandard (vgl. SIGMA 2007: Traditionell, bürgerliches Milieu, Seite 1). Für diese Einordnung spricht, dass die Eltern ein eigenes Haus besaßen, in dem die Kinder aufgewachsen sind. Größe, Art und Zustand des Hauses lassen darauf schließen. Die Berufe der...

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