2 Rechtliche Aspekte des Naturschutzes
2.1 Das Bundesnaturschutzgesetz
2.1.1 Erlass, Aufbau und Zielsetzung
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) wurde 1976 erstmalig erlassen und löste das seit 1935 existierende Reichsnaturschutzgesetz ab. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2013: „Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 100 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist“ (BNatSchG 2013:1). Bis dahin war das Bundesnaturschutzgesetz ein Rahmengesetz, denn die verbindliche Rechtsvorschrift war das Naturschutzgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Als Folge der Föderalismusreform ist das am 1. März 2010 in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz selbst die Rechtsgrundlage. Das BNatSchG gliedert sich in 74 Paragraphen, die auf elf Kapitel verteilt sind.
In Kapitel 1 des BNatSchG werden allgemeine Vorschriften geregelt und die Ziele des Gesetzes dargestellt. Letztere sind auszugsweise (§ 1, Abs. 1) in der unten folgenden Box 3 aufgelistet. Kapitel 2 widmet sich dem Thema Landschaftsplanung und erläutert besonders den Bezug zu sogenannten Landschaftsprogrammen, Landschaftsrahmen-, Landschafts- und Grünordnungsplänen sowie dem Zusammenwirken der Länder bei der Planung. Der allgemeine Schutz von Landschaft und Natur ist Inhalt von Kapitel 3, wobei im Kern die Eingriffe in die Natur behandelt und erläutert werden (siehe Kap. 2.1.2). Der Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft wird in Kapitel 4 (siehe Kap. 2.1.3) behandelt. Hierunter sind einerseits die Biotopverbundsysteme und die Biotopvernetzung zu verstehen, andererseits auch der Flächenschutz in Form von Schutzgebieten jedweder Art. Aber auch das europäische Netzwerk „Natura 2000“ wird hier aufgeführt (siehe Kap. 2.2.1). Kapitel 5 stellt den „klassischen“ Naturschutz, den Artenschutz in Form des Schutzes der wild lebenden Tier- und Pflanzenarten, ihrer Lebensstätten und Biotope vor (siehe Kap. 2.1.4). In Kapitel 6 folgt der Meeresnaturschutz und in Kapitel 7 die Erholung in Natur und Landschaft. Hier wird auch auf die Richtlinien zum Betreten der freien Landschaft eingegangen. Kapitel 8 regelt die Mitwirkung von anerkannten Naturschutzvereinigungen, Kapitel 9 das Verhältnis von Naturschutz und Eigentum. Schlussendlich folgen Bußgeld- und Strafvorschriften in Kapitel 10 und Kapitel 11 behandelt Übergangsregelungen. Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben wird in diesem Buch in Kapitel 4.4 beschrieben.
Das Bundesnaturschutzgesetz wird auf Ebene der Bundesländer durch Ausführungsgesetze sowie die entsprechenden Landesnaturschutzgesetze ergänzt. Der vollständige und aktuelle Gesetzestext ist im Bereich der Webpräsenz des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (www.gesetze-im-internet.de) einzusehen.
Box 3: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG)
§ 1 Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege
(1) Natur und Landschaft sind aufgrund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen, im besiedelten und unbesiedelten Bereich nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze so zu schützen, dass
1. die biologische Vielfalt,
2. die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie
3. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft
auf Dauer gesichert sind; der Schutz umfasst auch die Pflege, die Entwicklung und, soweit erforderlich, die Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allgemeiner Grundsatz).
2.1.2 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft
Eingriffsregelung
In Kapitel 3 des BNatSchG wird durch die §§ 13 bis 19 geregelt, wie mit Eingriffen in die Landschaft umzugehen ist. Diese sogenannte Eingriffsregelung (vgl. Kap. 4.5.1) oder auch Eingriffs-Ausgleichsregelung basiert besonders auf zwei Absätzen des Paragraphen 15:
§ 15, Abs. 1: Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. […]
§ 15, Abs. 2: Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). […]
Damit ist die Eingriffsregelung das bedeutendste Instrument des Naturschutzes, das in normalen Landschaftsbereichen, also außerhalb naturschutzrechtlich bereits gesicherter Gebiete (z.B. Naturschutzgebiet, Nationalpark usw.), angewendet werden kann. Im Grunde wird durch die Eingriffsregelung ein allgemeines Verschlechterungsverbot für Natur und Landschaft verfügt. Was ein Eingriff ist, wird in § 14 Abs. 1 BNatSchG festgelegt:
„Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.“
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Zentrale Begriffe in § 15, Abs. 2 sind „Ausgleichsmaßnahme“ und „Ersatzmaßnahme“. Ausgleichsmaßnahmen werden wenn möglich am Ort des Eingriffs oder in seiner räumlichen Nähe durchgeführt. Als ausgeglichen gilt ein Eingriff dann, wenn keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt. Auch das Landschaftsbild muss landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet sein. Bei Ersatzmaßnahmen müssen die verloren gegangenen Werte des Naturhaushaltes oder Landschaftsbildes in ähnlicher Art und Weise wiederhergestellt werden, aber nicht am Ort des Eingriffs, sondern in dem entsprechenden Landschaftsraum. Abbildung 7 zeigt den schematischen Ablauf der Eingriffs-Ausgleichsregelung.
Abbildung 7: Schematischer Ablauf der Eingriffs-Ausgleichsregelung nach den §§ 13 und 15 BNatSchG. Quelle: Bundesamt für Naturschutz, verändert, Grafik: J. Homma.
Baugesetzbuch
Da Eingriffe in die Natur besonders häufig durch Baumaßnahmen hervorgerufen werden, hat der Gesetzgeber auch im Baugesetzbuch (BauGB) mit den §§ 1a und 35 Festlegungen getroffen. § 1a behandelt ergänzende Vorschriften zum Umweltschutz, § 35 das Bauen im Außenbereich, also auf Flächen, die keiner geregelten städtischen Bauleitplanung (Bebauungsplanung) unterliegen. In der Bauleitplanung ist die Eingriffsregelung als fester Bestandteil der städtebauordnerischen Gesamtabwägung vorgeschrieben. Dabei sollen Eingriffe und Ausgleichsmaßnahmen in ein Gesamtkonzept eingebunden werden. Da gerade Städten oft Flächen für einen Ausgleich in unmittelbarer Nähe des Eingriffs fehlen, wurde im § 200a des BauGB eine zeitliche, räumliche und funktionale Entkoppelung von solchen Kompensationen festgelegt.
Ökokonto
Mit dieser Entkopplung kann auch ein Ökokonto eingeführt werden. Damit werden Flächen andernorts vorgehalten, um dringende Baumaßnahmen (z.B. Erweiterung eines Industriegebietes) zeitnah ausgleichen zu können. Eingriff und Ausgleich von vornherein räumlich-funktional zu entkoppeln ist dabei nicht Sinn des Ökokontos, denn die verbindlichen Ziele der Landschaftsplanung müssen eingehalten werden.
Das Bundesnaturschutzgesetz regelt das Verhältnis zum Baugesetzbuch in § 18 „Verhältnis zum Baurecht“. Dort wird auf die entsprechenden Paragraphen im BauGB verwiesen.
2.1.3 Schutz, Pflege und Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft
Flächenschutz
In Kapitel 4 des BNatSchG wird der Flächenschutzbehandelt. Dabei bieten verschiedene Schutzgebietskategorien für die jeweiligen Flächen einen unterschiedlich intensiven, teilweise aber auch anders gearteten Schutz. Einen Überblick verschafft Tabelle 7 in Kapitel 4.4.3. Gemeinsamer Bestandteil nahezu aller Kategorien ist die „Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung“, Unterschiede jedoch bestehen im Schutzobjekt, z.B. Lebensstätten, Biotope oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten (§ 23 Naturschutzgebiete) oder die durch vielfältige Nutzung geprägten Landschaften und ihre Arten- und Biotopvielfalt (§ 27 Naturparke). Dieses impliziert nicht nur einen Unterschied in der Flächengröße (Naturschutzgebiete sind im Regelfall deutlich kleiner als Naturparke), sondern auch im Charakter und in der Intensität des Schutzes. Besonders Naturparke und Biosphärenreservate beziehen in ihren Schutz konkret den wirtschaftenden Menschen mit ein. Nutzung (auch Land- und Forstwirtschaft) ist ausdrücklich erlaubt, sofern sie den Charakter des Gebietes nicht ändert (wie z.B. eine Industrieansiedlung). In einem Naturschutzgebiet kann dagegen die Nutzung...