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E-Book

Neue Formen der Serienrezeption. Das Phänomen Binge Watching

AutorJuliane Kranz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl211 Seiten
ISBN9783668309890
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Film und Fernsehen, Note: 1,0, Hochschule für Film und Fernsehen 'Konrad Wolf' Potsdam-Babelsberg, Sprache: Deutsch, Abstract: Watchever, Amazon Prime und seit letztem Jahr auch Netflix beherrschen den deutschen VoD-Markt: Streaming-Portale steigern mit immer breitgefächerten Angeboten und günstigen Bezahlmodellen die Zuschauerakzeptanz und -nutzung von Video-on-Demand in Deutschland. Insbesondere serielle Formate profitieren von den uneingeschränkten Konsummöglichkeiten via Internet, denn der versierte Serienzuschauer muss nicht mehr auf die Fortsetzungsfolge warten, sondern kann seinen Konsum je nach Belieben selbst steuern und in einem regelrechten Serienexzess verfallen. Ein derart exzessives Serienkonsumverhalten beschreibt das Phänomen des Binge Watching. Im Rahmen einer Masterarbeit im Masterstudiengang der Medienwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF wurde dieses neuartige Serienrezeptionsverhalten in Form einer qualitativen Studie näher untersucht.

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Leseprobe

3 Fernsehserie vs. Serie im Fernsehen


 

Die Etablierung von Video-on-Demand-Modellen und die steigenden Möglichkeiten sämtliche TV-Inhalte losgelöst von starren Rahmen des konventionellen Fernsehens zeitunabhängig rezipieren zu können, geht mit der Veränderung des Konsumverhaltens einher. Fernsehserien sind ein essentieller Bestandteil des Fernsehprogrammes und damit ebenso von den Wandel in der Fernsehlandschaft betroffen. Für die Untersuchung inwiefern die Rezeption serieller Formate Veränderungen unterworfen sind, muss zunächst das Format ‚Serie’ genauer beschrieben werden. Nach einer Gegenstandsverortung, werden zentrale Strukturmerkmale des seriellen Erzählens erläutert und im Anschluss daran der sich vollziehende Wandel in der Serienlandschaft fokussiert werden. Abschließend erfolgt ein Exkurs auf die von Netflix praktizierte besondere Distributionsstrategie und dessen Auswirkungen auf das Serienpublikum.

 

3.1 Eingrenzung und Begriffsklärung


 

Fernsehserien sind nicht nur ein „wichtiger Bestandteil des Fernsehprogramms“, vielmehr sind sie ein wichtiger Alltagsbegleiter und nicht selten ein Teil des individuellen Sozialisationsprozesses (Mikos, 2013, S.3). Gerade in der gegenwärtigen Zeit erfreuen sich Fernsehserien besonders großer Beliebtheit, denn es vollzieht sich ein Wandel in der Fernsehserienlandschaft: sowohl die Produktionsbedingungen, als auch die Auswertungspraktiken und, damit einhergehend, vor allem die Rezeptionsgewohnheiten betreffend. Bevor die dynamischen Entwicklungen und neueren Tendenzen in der Serienlandschaft im Fokus der weiteren Ausführungen stehen, ist es zunächst von Bedeutung, sich dem Serienbegriff definitorisch anzunähern bzw. eine für den vorliegenden Forschungsgegenstand geeignete Eingrenzung vorzunehmen. Da das Format der Serie schon länger große Zuschauergruppen generiert, ist sie ein wichtiges Forschungsthema, sodass sich bereits eine Vielzahl an Publikationen mit der Begriffsklärung einer Serie bzw. Serialität auseinander gesetzt haben. Umfangreiche Einblicke lassen sich vor allem bei Mikos (1994), Hickethier (1991), Creeber (2004), Kübler (2013), oder Weber/ Junklewitz (2008) finden. Im Folgenden soll die Begriffsklärung und Differenzierung von Serienformen lediglich in dem Rahmen erfolgen, wie Sie für die vorliegende Analyse und als Basis für die weitere Schwerpunktsetzung von Relevanz sind.

 

Hickethier konstatiert, dass die „Entwicklung von Serienformen [...] als dynamisch verändernde[(r) Prozess] zu begreifen“ und durch die Vielzahl an Gattungs- und Genrespezifischen Unterformen nur schwer trennscharf voneinander abzugrenzen ist (Hickethier, 1991, S.8). Während früher[12] zwischen der ‚Serie’, der ‚Reihe’ und einem ‚Mehrteiler’ unterschieden wurde, so haben sich im Laufe der Zeit Hybridformen herausgebildet (vgl. Mikos, 2014). Die Vermischung von Serien- und Reihenelementen wird durch den Begriff der „flexi-narratives“ geprägt, welcher einen „Mix vieler Narrationsebenen und eine Kombination von Formatformen“ beschreibt (Nelson, zit. nach Mikos, 2014, S.5). Noch deutlicher wird die Komplexität der Seriendifferenzierung durch die Annäherung über formelle bzw. inhaltliche Abgrenzungskriterien, wie sie Bock (2013) als relevantes Unterscheidungsmerkmal heranzieht. Formell unterscheidet sie dabei zwischen der Ausstrahlungszeit (‚Daytime’, ‚Primtime’) und dem Ausstrahlungsrhythmus (‚Daily’, ‚Weekly’ oder singuläre „Programmereignisse“ )(vgl. Bock, 2013). Darüber hinaus spielt die Ausstrahlungslänge eine Rolle für die formale Abgrenzung. Während die einzelnen Episoden von Reihen und Mehrteilern mit 90 Minuten einen Spielfilmcharakter vorweisen, sind „einzelne Folgen von Fortsetzungs- bzw. Episodenserien für gewöhnlich ca. 42 bis 60 Minuten lang. Episoden mit einer Länge von ca. 22 Minuten kommen hingegen vor allem bei Sitcoms vor (ebd., S.39).

 

Inhaltlich wird insbesondere die Abgrenzung Fiction und Non-Fiction, sowie über die Abgeschlossenheit der Handlung vorgenommen. Bei der Unterscheidung zwischen Fortsetzungsserien (Serials) und Episodenserien (Series) spielt vor allem die dramaturgische Ausrichtung eine Rolle. Episodenserien weisen eine vertikale Dramaturgie auf, was bedeutet, dass die Handlungs- und Figurenentwicklung eher begrenzt stattfindet, weil die Geschichte innerhalb einer Episode abgeschlossen wird (vgl. Lang/ Dreher 2013). Im Gegensatz dazu ermöglicht eine horizontale Dramaturgie, wie sie bei Fortsetzungsserien eingesetzt wird, „längere erzählerische Bögen, die sich über zwei oder mehrere Folgen, oder auch über eine ganze Staffel und darüber hinaus ziehen“ (ebd.). Doch auch bei aktuellen Serienbetrachtungen sind die Grenzen zwischen Episoden- und Fortsetzungsserien häufig nicht mehr trennscharf, sondern verschwimmen zunehmend, so dass Creeber (2004) von einem „breakdown between the traditional series and serial“ spricht (Creeber, 2004, S.12).

 

Neben diesen Differenzierungskriterien existieren zahlreiche weitere Ansätze verschiedener Serientypologien. Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch nicht jeder auf Zweckmäßig- und Allgemeingültigkeit geprüft werden. In Anlehnung an Weber/ Junklewitz (2008) soll für die vorliegende Untersuchung zu Serienrezeptionsformen und -motiven zum einen auf Rezeptionsunterschiede zwischen Episoden- und Fortsetzungsserien geachtet werden. Ergänzend dazu werden die formellen und inhaltlichen Abgrenzungskriterien nach Bock (2013) für die Auswertung mit herangezogen.

 

3.2 Strukturen und Funktionen seriellen Erzählens


 

Als Folge der Veränderungen in der Serienlandschaft darf ein wichtiger Aspekt serieller Formate nicht außer Acht gelassen werden: Serielle Formate weisen bestimmte strukturelle und funktionelle Merkmale vor, welche sich im Zuge der wandelnden Serienlandschaft immer weiter ausdifferenzieren. Um in der späteren Befragung mögliche Veränderungen von Strukturmerkmalen und Funktionszusammenhängen von Serien herauszuarbeiten und darstellen zu können, gilt es zunächst Serien bzw. serielle Formate in ihren Funktionen und Merkmalen ihrer (ursprünglichen) Strukturen offenzulegen.

 

Grundsätzlich galten Fernsehserien als serielle Erzählungen, welche ursprünglich für das Medium Fernsehen produziert und über ebenso dieses ausgestrahlt werden (vgl. Mikos, 2013). Die Hinfälligkeit des Fernsehgerätes als alleiniges Auswertungsmedium für Serienformate ist offensichtlich und in den vorherigen Abschnitten mehrfach angesprochen wurden. Die Fernsehinhalte, insbesondere die hier im Fokus stehenden TV-Serien, lösen sich vom starren Rahmen des Medium ‚Fernseher’ als bloßes Gerät an sich.

 

Medienhandeln und im Besonderen die Serienaneignung sind seit langer Zeit ein fester Bestandteil im menschlichen Alltag. Wie Mikos (1994) konstatiert, strukturieren Serien den Alltag und wirken gleichermaßen auch wieder auf diesen zurück. Serielle Strukturen in ihrem ursprünglichen Sinne in Form eines festgelegten, regelmäßigen Ausstrahlungszeitpunktes und Sendeplatz erfüllen eine gewisse Plan- und Berechenbarkeit. Die Folge daraus ist, ein gewisses beim Zuschauer hervorgerufenes Gefühl der Sicherheit und Routine. Im digitalen Zeitalter werden die klassischen Strukturen und Funktionen mit der zunehmenden Durchsetzung von Video-On-Demand-Angeboten jedoch aufgebrochen. Die Fernsehinhalte sind jederzeit und (fast) überall verfügbar und müssen nicht mehr zu festen Zeiten über ein festes Medium konsumiert werden. Während Serien ursprünglich nicht auf Dichte, sondern auf die Breite waren, so ändern sich diese Strukturen gegenwärtig gänzlich (vgl. Kapitel 3.4.1).

 

3.3 Der Serienmarkt im Wandel - Quality-TV


 

„HBO is more than a place; it’s an idea ...

 

In certain cases’ it’s like the Medicis, like we’re patrons of the arts.“

 

(Chris Albrecht, ehem. CEO HBO)

 

Der amerikanische Sender HBO wird oftmals im Zusammenhang mit der Etablierung der sogenannten Quality-TV-Series genannt. Gleichermaßen ist es der Sender auch selber, der sich mit Slogans wie „It´s not TV, it´s HBO“ deutlich vom konventionellen Fernsehprogramm distanzieren möchte. Für die Erforschung neuer Formen der Serienrezeption ist es unabdingbar einen kurzen Abriss über die Entwicklung dieser neuen Erzählform zu geben und den viel umstrittenen Begriff der neuen Qualitätsserien anhand von Kriterien und Beispielen zu konkretisieren. Während im vorherigen Kapitel bereits die Problematik einer klaren Systematisierung des Serienbegriffs deutlich wurde, ist wurde auch die Quality-TV-Serie besonders in den Anfangszeiten vielfach diskutiert worden. Einigkeit herrscht allerdings über einen markanten Wendepunkt in der amerikanischen Serienlandschaft: Ende der 1990er Jahren mit der Veröffentlichung von zahlreichen innovativen und cleveren Serienformaten, wie die (von HBO produzierten) Serien The Sporanos, The Wire oder Six Feet Under. Diese „komplex und nuanciert [...] gestaltete[n...] Erzählungen“...

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