2 Branchenstruktur und Wettbewerbskräfte in der Musikindustrie
2.1 Grundlagen der Branchenstrukturanalyse nach PORTER
Die Annahme, dass der Erfolg eines Unternehmens auf die Branchenstruktur und auf bestimmte Branchencharakteristika zurückgeführt werden kann, entstammt der Industrieökonomie und kommt im »Structure-Conduct-Performance-Paradigma« zum Ausdruck.[57] Es versucht dauerhafte, strategiebedingte Renten (Performance) durch die spezifische Struktur der jeweiligen Branche und das dadurch determinierte Verhalten des Unternehmens zu erklären.[58] PORTER hat diesen Ansatz mit dem Modell der Triebkräfte des Wettbewerbs in die strategische Managementforschung eingebracht.[59] Die Wettbewerbsintensität innerhalb einer Branche, für deren Einschätzung PORTER sein Konzept der »fünf Kräfte«[60] vorschlägt, gilt dabei als Indikator für deren Attraktivität. Nach seiner Auffassung können Unternehmen durch die richtige Positionierung in einer attraktiven Branche nachhaltig verteidigungsfähige Wettbewerbspositionen einnehmen. Die Struktur dieser Märkte und die Verhaltensweisen der beteiligten Akteure sind demnach entscheidend für die Erzielung von Erfolg.[61] Damit liegt ein großer Schwerpunkt seiner Argumentation auf dem externen Umfeld, also auf den Möglichkeiten und Bedrohungen für das Unternehmen von außen. PORTER zufolge ist das Kennenlernen und Verstehen der Spielregeln der eigenen Branche Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategieauswahl. Genau zu analysieren sind neben den Konkurrenten auf gleicher Geschäftsfeldebene sämtliche Branchenkräfte. Insgesamt bestimmen fünf Wettbewerbskräfte die Branchenstruktur (siehe Abbildung 05). Neben den Positionskämpfen unter den gegenwärtigen Wettbewerbern sind dies die Verhandlungsmacht der Lieferanten, die Verhandlungsmacht der Abnehmer, die Bedrohung durch Substitutionsgüter und -dienstleistungen sowie sinkende Markteintrittsbarrieren, die mit der Gefahr neuer Wettbewerber einhergehen.[62] Die möglichen Rentabilitätspotenziale von Unternehmen werden durch die jeweilige Struktur der fünf Branchenkräfte bestimmt.[63] Das Zusammenspiel der Wettbewerbskräfte unterliegt einem dynamischen Prozess. »Die fünf Determinanten der Wettbewerbssituation sind zugleich Indikatoren für sich abzeichnende krisenhafte Veränderungen«.[64] Der Harvard-Professor leitet drei generische Strategietypen für das Agieren innerhalb einer gewählten Branche ab:
Kostenführerschaft,
Differenzierung oder
Fokussierung (Strategie der Kostenführerschaft oder Differenzierung konzentriert auf ein Marktsegment).
Quelle: Porter, M. E. (1996), S. 23, Porter, M. E. (1997), S. 26
Abbildung 05: Wettbewerbskräfte in einer Branche nach PORTER
Aufbauend auf der Analyse kann eine Marktpositionierung entwickelt werden, die zu Wettbewerbsvorteilen[65] führt. Diese können dauerhaft sein, wenn das Unternehmen seine Position durch Mobilitätsbarrieren verteidigen kann. Die grundlegenden Annahmen dieses marktorientierten Ansatzes lauten:
1. Unternehmen sind in Bezug auf ihre strategisch relevanten Ressourcen identisch;
2. Die Heterogenität der Ressourcen ist von kurzer Dauer, da Ressourcen mobil sind.
Auf der anderen Seite kann es bei einer ausschließlichen Ausrichtung am Markt zu einer mangelnden Berücksichtigung von internen Strukturen, Prozessen und Ressourcen als wichtige Faktoren für den Unternehmenserfolg kommen.[66] Diesem Umstand folgend werden seit Anfang der 90er Jahre ressourcentheoretische Ansätze des Strategischen Managements, auch als »Resources-Conduct-Performance-Paradigma« bekannt, diskutiert.[67]
Ursprünglich als Alternative[68] zur reinen Marktorientierung aufgestellt, basieren Wettbewerbsvorteile wesentlich mehr auf dem überlegenen Wert von internen Ressourcen und Kernkompetenzen als auf einer bestimmten Position auf dem Markt.[69] Dabei haben die unternehmenseigenen Potenziale sowie strukturelle und kulturelle Faktoren den größten Anteil am Erfolg. Die Hauptaufgabe eines Unternehmens liegt daher im Aufbau und Erhalt von spezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen.[70] Beim ressourcenorientierten Ansatz sind die unternehmensinternen Ressourcen der Ausgangspunkt für Wettbewerbsvorteile. Die alternative Grundannahme lautet daher, dass auch Unternehmen innerhalb einer Branche dauerhaft verschiedene strategische Ressourcen besitzen können. Trotzdem darf die Ressourcenorientierung nicht als Gegenposition zur Marktorientierung verstanden werden, sondern ist eher als eine komplementäre Sichtweise zu betrachten.[71] Aus der Berücksichtigung marktbezogener Faktoren zur Bewertung des im Unternehmen gegebenen Ressourcenportfolios wird letztlich deutlich, dass eine komplett isolierte Betrachtung von »Resource-based View« und »Market-based View« weder möglich noch sinnvoll erscheint. Für eine realistische Beurteilung der Fähigkeit zur Nutzenstiftung einer Ressource ist Klarheit über die Bedürfnisse im Markt und dessen Entwicklung unabdingbar. Auch wenn die Erstellung eines Ressourcenprofils sinnvoll ist, stellt diese eine gegenwartsbezogene Aussage über vorhandene Ressourcen dar. Wie diese entsprechend geschützt und weiterentwickelt werden können oder wie noch nicht vorhandene Ressourcen intern aufgebaut oder anderweitig beschafft werden können, bleibt offen.[72]
Aus der isolierten Gegenüberstellung von ressourcenorientierten Unternehmensstrategien und marktorientierten Wettbewerbsstrategien wird deutlich, dass die ressourcenorientierte Betrachtung hierarchisch der marktorientierten Betrachtung übergeordnet ist.[73] Während zu den Aufgaben der Gesamtunternehmensstrategie u. a. die Verknüpfung, Nutzbarmachung und Weiterentwicklung von Ressourcen über alle einzelnen Geschäftsfelder steht, wird im jeweiligen Geschäftsfeld auf Basis des gegebenen Ressourcenportfolios über die Marktpositionierung entschieden.[74]
2.2 Ursachen der Umwälzung in der Musikindustrie
Im Rahmen der folgenden Branchenstrukturanalyse wird die von der digitalen Revolution besonders betroffene Musikindustrie auf ihre Merkmale und Besonderheiten untersucht. Dies geschieht um Unternehmensgewinnpotenziale aufzudecken und erfolgt vor dem Hintergrund der durch Online-Musikangebote ausgelösten Veränderungsprozesse innerhalb der Branche. Ohne hierfür wirksame Gegenmaßnahmen entwickelt zu haben, stehen die traditionellen Unternehmen der Musikindustrie einer zunehmenden Macht- und Gewinnpotenzialverlagerung zum Kunden gegenüber.[75]
Quelle: In Anlehnung an Porter, M. E. (1997), S. 26. und Emes, J. (2004), S. 45
Abbildung 06: Branchenstrukturanalyse der Musikindustrie nach PORTER
2.2.1 Marktentwicklung und Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern
Der Musikmarkt wird seit Jahren mit Umsatzeinbrüchen konfrontiert (siehe Abbildung 08). Unter den vier großen Major-Labels SONY BMG (25,2 Prozent), UNIVERSAL MUSIC GROUP (25,9 Prozent), EMI (12 Prozent) und WARNER MUSIC GROUP (11,9 Prozent) sind ca. 75 Prozent des Marktes aufgeteilt, die restlichen 25 Prozent bestreiten kleinere Anbieter, die so genannten Independent-Labels, gemeinsam mit den wenigen mittelgroßen Unternehmen, den Major Independents.[76] Anhand der Stärke der Positionierungs- und Marktanteilskämpfe lässt sich die Wettbewerbsintensität zwischen Unternehmen einer Geschäftsfeldebene beurteilen. Größe, Anzahl und Macht der Wettbewerber, das Branchenwachstum, die Herkunft, die Strategien und die Persönlichkeit der Rivalen sowie die Differenzierung der Produkte und Dienstleistungen sind entsprechende Indikatoren.[77]
Im Folgenden wird in einem ersten Schritt die allgemeine Marktentwicklung dargestellt. Dies geschieht um die gegenwärtige Konkurrenzsituation in der Musikindustrie näher untersuchen zu können. Im Jahr 2006 setzte die Branche weltweit insgesamt 19,6 Milliarden Dollar um. In 2005 waren es noch 20,7 Milliarden Dollar. Somit hatte die Musikindustrie im siebten Jahr in Folge einen Umsatzrückgang zu verzeichnen. Dieser dürfte sich auch in 2007 fortsetzen.[78]
Quelle: Spiegel (46/2003), S. 220
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